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Hallo Frank, tja, wie geht man damit um? Ich habe zwar noch nie beim Pilzesuchen eine Leiche gefunden, dafür aber einmal beim Angeln eine Wasserleiche am Haken und ein andermal einen Selbstmörder wieder ins Leben zurückgeholt. Ich will Dir schildern, was passierte: Es war vor etwa 12 bis 15 Jahren, als ich – seinerzeit noch in Stgt. studierend - am Neckar bei Neckarhausen angeln war. Ich sah etwas Grünes, Rundes langsam den Fluß hinabtreiben und wunderte mich, was das für ein komischer Ball war. Mit dem Blinker zog ich dieses Etwas heran, und dann kam der Schock: Es war eine Wasserleiche, und was ich für einen Ball gehalten hatte, war der Kopf. Was war passiert? Ein Kanut hatte auf dem Neckar einen Herzinfarkt erlitten, war gekentert und ertrunken. Man fand nur sein Boot, er selbst blieb verschwunden. Offensichtlich hatte sich der Körper an einem Wehr verfangen, ist dort in Verwesung übergegangen, und als sich genügend Gase angesammelt hatten, wurde er nach oben getrieben. Ich habe die Angel weggeworfen, als wäre sie glühend, bin zur nächsten Telefonzelle gesprintet und habe die Polizei gerufen. Das schlußendliche Bergen der Leiche habe ich nicht mitbekommen, dafür haben die Experten auch meinen Blinker behalten. Ich war ziemlich aufgeregt, aber ich habe davon keine Alpträume bekommen. Allerdings habe ich ganz schön gezittert, und war ziemlich weich in den Knien. Da ich mit dem Moped unterwegs war und ein paar Kilometer nachhause fahren mußte, habe ich mich aber zusammengerissen und bin losgetuckert. Zuhause war ich dann schon ein wenig ruhiger. Dennoch habe ich mich erstmal hingelegt und geschlafen. Weiß nicht – vielleicht ist das meine Art der Schockbewältigung. So ähnlich lief es auch im zweiten Falle ab: Ich war, zusammen mit einem Freund, Heino, und seiner Freundin Inge zum Dorschangeln auf dem Fehmarn-Belt. Wir waren mit Heinos Boot draußen. Es war ein sehr nebliger Tag, so dass wir die Fehmarnbelt-Brücke, die etwa 1 km entfernt war, nicht sehen konnten. Plötzlich rief Heino aus dem Führerhaus seines Kutters, Inge und ich sollen die Ruten reinholen, er hätte einen Notruf aufgefangen: Jemand wäre von der Belt-Brücke gesprungen. Wir sind sofort in die Richtung losgefahren. Der Notruf kam von einer großen Segeljacht, die mit zwei Erwachsnen und 8 Kindern besetzt war. Die hatten alle gesehen, wie der Mann von der Brücke sprang. Sie konnten ihn aber nicht bergen: Die Jacht fuhr unter Segel, lag dadurch nach Steuerbord, während der Selbstmörder an der dadurch höheren Backbordseite trieb. Wir fuhren den Mann an, und Inge und ich wuchteten ihn mit einem Riesenkescher und dem Bootshaken aus dem Wasser. Der Mann war tot! Heino, der früher bei der Feuerwehr arbeitete, trieb uns beide an, dem Mann die Lungen auszupumpen und Herzmassage zu betreiben. Also pumpten wir, was das Zeug hielt, obwohl Inge und ich Gummi in den Knien hatten. Heino fuhr den Hafen der Beelitz-Werft an, wo uns der Notarzt erwartete. Diese 20 Minuten Fahrt waren die längsten meines Lebens. Wir pumpten wirklich als ginge es um unser Leben, nicht um das des Selbstmörders. Plötzlich bäumte er sich auf, erbrach Salzwasser und fing an zu atmen. Wir fuhren in den Hafen ein, der Mann lebte, ich stolperte an Land und mußte mich erst mal hinsetzen. Dann habe ich so ’ne Art Dauerlauf gemacht, um das ganze Adrenalin in meinem Körper abzubauen. Diesmal war alles ganz anders als bei der Wasserleiche vom Neckar: Ich war fertig wie ein 2-Pfünder Mischbrot. Aber in diesen Schockzustand mischte sich die Erkenntnis, einen Toten wieder reanimiert zu haben. Heino erzählte, dass es erst der 2. Selbstmörder in seiner Karriere als Feuerwehrmann war, bei dem er erlebte, dass die Reanimierung erfolgreich war (ich glaube, Heino hätte Inge und mich kielgeholt, wenn uns das nicht gelungen wäre). Heino war bei insgesamt 7 Selbstmorden im Einsatz. Ich bin dann nachhause gefahren, aber an diese 200 km habe ich keine Erinnerung mehr, ausser, dass die Tachonadel am Anschlag stand. Zuhause bin ich vollkommen erschöpft ins Bett gefallen und habe erstmal 25 Stunden geschlafen. Nachsatz: Der Mann hat es überlebt, aber wir haben nie wieder von ihm gehört. Tja, das ist meine Geschichte. Vielleicht kannst Du da was mit anfangen. Gruß Thomas
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