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Pilze Pilze Forum Archiv 1999
Re: Nomenklatur, naechste Runde!
Geschrieben von: Kerstin Antwort auf: Re: Nomenklatur, naechste Runde! (Boris)
Datum: 9. November 1999, 00:31 Uhr
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: (Siehe unten) : : Wir reden zum Teil aneinander vorbei schaetze ich. Wenn zum Beispiel eine Nomenklaturregel besagt dass um jeden Preis der Name des Erstbeschreibers benutzt werden soll, wobei diese Erstbeschreibungen oft so dubios und vage sind, dass selbst langjaehrige Experten oft nicht eindeutige Zuordnungen treffen koennen, dann ist das nichts was mit Systematik zu tun hat, sondern mit Entdeckerruhm. Wenn dann lange etablierte Namen - die z.T. durchaus eindeutig sind - nach mehreren Jahrzehnten (Jahrhunderten?) als null und nichtig erklaert werden, foerdert das vielleicht den Verkauf von Literatur, aber nicht das Verstaendnis. Soviel zu dem Teil der Nomenklatur, der schon mal ueberhaupt nichts mit Systematik zu tun hat. : Zu dem systematisch bedingten Teil habe ich auch noch was zu sagen: Der Stellenwert mikroskopischer Merkmale wird zum Teil ueberbewertet. Ich habe schon vor laengerer Zeit ein Posting zum Thema Konvergenz gemacht. Wenn man zum Beispiel eine natuerliche Verwandtschaftsbeziehung zwischen Russula und Ganoderma zu ziehen versucht, und dabei alle anderen Merkmale unter den Tisch fallen laesst (Konsistenz des Fleisches, Umwachsen von Fremdobjekten etc.) finde ich das schon sehr tunnelsichtig. Ich habe nichts gegen das botanische System an sich, aber sehr wohl einiges gegen die geduldeten Misstaende bei dessen Auslegung. Dazu kann ich garnichts sagen, weil mir die technik der Mykologischen Systematik nicht besonders vertraut ist. Ich weiß ja nichtmal ob es tatsächlich stimmt, daß zwischen Russula und Granoderma enge Beziehungen vermutet werden. : Letzlich muss ja auch der des lateinischen maechtige Pilzfreund zugeben, dass Namen wie Boletes queletii, Inocybe patoulliardii oder Lepista rickenii wesentlich einpraegsamer und aussagekraeftiger sind als so banale Namen wie Glattstieliger Hexenroehrling, Ziegelroter Risspilz oder Marmorierter Roetelritterling. Da soll noch einer sagen, in der Nomenklatur liegt kein Ruhm zu holen! ;-) Wenn Du das als Entdecker-Ruhm betrachtest kann ich Dir gerade noch folgen, doch glaube ich nicht, dass die Mehrzahl der Systematiker davon träumt einmal posthum als "Artname" unsterblich zu werden. Und das ist auch sicher nicht der Zweck der Systematik. : : OK Ich glaub ich gebs auf - sicher kommt jetzt gleich wieder ein Vogonenschwall aus dem Äther. Lass ich an mir vorbeirauschen. Ich hab zwar Douglas Adams nicht gelesen (Kishon ist schon lange her), aber ich zweifle daran, dass dort "Verbesserungsvorschläge Andersdenkender" für die biologische Nomenklatur zu finden sind. Und du hast auch noch nichts konkretes dazu gesagt. : "Wenn Sie auf Rathenau verweisen und das ernst meinen, mein Herr, dann bitte ich Sie zunaechst einmal Rathenaus Schriften zu lesen. Die sind gerade wieder editiert worden, alles zugaenglich. Dort werden Sie alle Argumente gegen ihre Position aufgelistet finden. Rathenau hat in seiner Zeit die Diskussion, die wir hier fuehren ebenso gefuehrt. Das laesst sich anhand der Schriften ueberpruefen." Applaus. Bravo-Rufe. Der Aufmuepfige setzte sich beschaemt, und alle rueckten von ihm ab. Ich aber hatte den eindrucksvollen Trick registriert, den ich zu Ehren des genialen Erfinders Professor Brock das "Rathenau-Gambit" nenne. Er ist aeusserst simpel, wirkt aber sofort und endgueltig. Er basiert darauf, dass sich die meisten Leute schaemen, wenn sie etwas nicht kennen oder nicht gelesen haben. So haben sie keinerlei Chancen gegen jene, die so tun als wuessten sie etwas." Falls Du Probleme damit hast, dass du etwas nicht kennst, was andere für wichtig halten ist das mein Problem nicht. Und ich habe damit, nicht zu jedem Thema mitreden zu können, keine Probleme.
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