Hallo,
ich habe die Diskussion leider erst jetzt bemerkt, aber vielleicht ist mein Beitrag trotzdem noch von Interesse.
Ich habe das Vergnügen, mit German Krieglsteiner zusammen die Auswertung der Daten für die Bände der Baden-Württemberg-Flora zu machen und habe in den jetzt dann erscheinenden Bänden die Röhrliungsartigen bearbeitet. Im nächsten Band werden's dann die Trichterlingsartigen und alles Schirmlings-ähnlich sein (wenn ich mich nicht vorher vom Fernsehturm stürze ...). Jedenfalls haben die Auswertungen bei den Röhrlingen oft ein sehr klares Bild gegeben, was die bevorzugten Böden anbelangt. Allerdings ist dazu oft auch etwas Interpretation nötig und ich bin leider kein Fachmann was dieses Thema betrifft. Auffallend war jedoch, daß sich viele als kalkliebend geltenden Röhrlinge als ziemlich strikte Neutral-Zeiger herausgestellt haben: z.B. Sommer- und Schwarzhütiger Steinpilz, die ganzen Raritäten wie Boletus rhodoxanthus, regius, pseudoregius, queletii. Lediglich B. satanas und vermutlich auch B. fechtneri sind wohl als Kalkfordernd einzustufen. Das drückte sich dann auch in den angegebenen Waldgesellschaften aus: Die "Neutralzeiger" im Eichen-Hainbuchenwald auf Mergelböden, lehmig zwar und damit "bessere" Böden, aber mit nur geringem Kalkanteil, die "Kalkzeiger" dagegen im Orchideen-Buchenwald auf Muschelkalk. Jetzt kommt aber die Problematik an der ganzen Geschichte: Diese Idealvorstellung ist in der Praxis (also im Wald) in vielen Fällen nicht so eindeutig. Da steht im Orchideen-Buchenwald eben auch mal ein paar Eichen rum und schon ist an der Stelle der Oberboden etwas angesäuert, weil a) Eichenblätter nun mal saurer verwittern als die sehr milden Buchenblätter und b) das an der Eichenborke herablaufende Wasser den pH-Wert im Boden rund um die Hauptwurzeln der Eiche merklich absenkt. Dort wird man dann folglich selbst über Kalkboden Säurezeiger finden können (Flockenstieliger Hexen-Röhrling, Cortinarius torvus etc.). Anders herum kennt wohl jeder den Kalkeinfluß der geschotterten Waldwege im Schwarzwald über saurem Buntsandstein, wo dann plötzlich Phlegmacien, manche Schnecklinge und solche Arten vorkommen können.
Leider sind aber sicherlich nicht alle Pilze als entsprechende Zeiger geeignet und weitere Faktoren wie Stickstoffgehalt, Mineralversorgung und vor allem Wärme spielen mit eine Rolle. Diese Kombinationen zu Ergründen dürfte wohl in vielen Fällen sehr schwierig sein, wenn nicht gar chancenlos. Vor allem bei seltenen Arten, von denen nur wenige Daten zu erhalten sind, sind ökologische Aussagen problematisch.
Ein Fakt scheint aber festzustehen: Mediterrane (wärmeliebende) Arten brauchen offensichtlich einen desto höheren Kalkgehalt im Boden je weiter sie ins rauhe Klima des Nordens vordringen. Zumindest bei den Boleten ist dies zu beobachten. Während der Schwarzhütige Steinpilz und der Königs-Röhrling im Mittelmeergebiet unter Eichen und Kastanien auf saurem Boden wachsen, kommt er bei uns im Schönbuch im neutralen Eichen-Hainbuchenwald vor, an seiner Nordgrenze in Schweden (auf Gotland) jedoch auf reinem Kalk mit pH von 7,5-8!
Gleiches gilt auch für Hygrophorus russula und sicherlich für etliche weitere Arten, offenbar nicht jedoch für den Kaiserling. Bei dieser Art scheint die "Ersatzfunktion" Kalk gegen Wärme nicht zu funktionieren, vielleicht auch daher die extreme Seltenheit bei uns. In den warmen Gegenden Süddeutschland herrscht nunmal meist neutraler bis basischer Boden vor. Ausnahmen sind z.B. manche Ecken in der Pfalz und Hänge im Stadtgebiets Stuttgart (urbane Aufheizung) zum Neckar hin auf Stubensandstein. Ansonsten aber Fehlanzeige.
: : : Es scheint zwar viele Pilze zu geben die kalkfeindlich, kalktolerant oder säureliebend sind, aber eine nähere Differenzierung ist wohl nur in Einzelfällen sinnvoll.
In manchen Gattungen / Gruppen ist eine Diferenzierung sehr wohl sinnvoll und mich persönlich macht es wesentlich mehr stutzig wenn ein und dieselbe Pilzart sowohl auf Wachholderheiden als auch im Fichtenwald wachsen soll, als wenn sie statt einem blauen Hut einen gelben hat.
: : Hallo,
: : Die Frage, ob eine weiter Differenzierung der Böden sinnvoll ist oder nicht, interessiert mich auch (siehe Posting im letzten Archiv). Im Rahmen meiner Suche eines Diplomarbeitsthemas habe ich bei mir an der Uni versucht etwas darüber herauszufinden. Dazu habe ich einen Waldbauproffessor (Freiburg)
Meinst du den Dr. Bücking?
und meinen Bodenbiologieprof aus der Bodenkunde in Hohenheim befragt, und beide waren sich einig: Der Einfluß des Bodens auf das Pilzwachstum wird wahrscheinlich höher sein als bisher angenommen, das Problem sei, daß darüber so gut wie nichts bekannt sei.
Das ist auch meine Meinung! Aber wie soll man die Lösung der anstehenden Fragen angehen? Man kann eben die meisten Pilze nicht unter Laborbedingen ziehen und dann auch noch den in freier Natur vorhandenen Konkurrenzdruck simulieren, der m. E. nach auch eine sehr große Rolle spielt.
: Meine eigenen Beobachtungen zeigen, dass es einige Pilzarten gibt, die sehr strenge Bodenansprueche haben, der ueberwiegende Teil jedoch sehr anpassungsfaehig ist. Man nehme z.B. den Netzstieligen Hexenpilz mit seiner Variationsbreite von reinen Kalkboeden bis zu sauren Boeden mit nur Spuren von Kalk. Ich habe schon Flocken- und Netzstielige Hexis fast nebeneinander gefunden und halte Pilze fuer sehr anpassungsfaehig, wie ich ja auch schon mal im Zusammenhan mit dem Wetter gesagt habe.
Wenn Netz- und Flockenstielige hexen-Röhrlinge zusammen vorkommen, wie ich es auch schon gesehen habe, so doch stets auf neutralen Böden die für beide den Grenzbereich darstellen. Und der Flockenstielige zeigt dann die stärker oberflächenversauerten Stellen an (Eichenblätter, humusarme Stellen die dem sauren Regen keine Puffer bieten, etc.) wie übrigens auch Polytrichum attenuatum. Der Netzstielige kommt dagegen an den humusreicheren Stellen vor, zumindest wenn es sich um Laubstreu "milder" Bäume handelt (Buche, Hainbuche) oder neben Wegrändern die entweder kalkbeeinflußt sind oder deren minimal größerer Stickstoffreichtum den an eher mineralarme Böden gebundenen Flockenstieligen Hexen-Röhrling vergrault.
Auf meinem Campus z.B. wachsen Suillus granulatus, luteus und collinitus trotz ihrer unterschiedlichen Bodenansprueche in trauter Dreieinigkeit.
: Natuerlich gibt es auch einige wenige Arten wie Satanspilz oder Kaiserling die sowohl an den Boden als auch an das Wetter knallharte Ansprueche stellen (deswegen sind sie auch selten), aber das halte ich eher fuer die Ausnahme. Oft haben solche Pilze nur am Rand ihres Verbreitungsgebiets solch strenge Bodenansprueche.
Exakt!
Moeglich ist auch das Auftreten bodenspezifischer Standortrassen. Den seltenen Hasenroehrling (Gyroporus castaneus) z.B. habe ich auf zwei voellig unterschiedlichen Boeden gefunden. In meinem loessreichen Waldmeister-Kalkbuchenwald war er typisch zimtbraun wie er in den Pilzbuechern sein soll. Auf praktisch kalkfreiem Eisenerzboden (Fulgurit) erschien er in hoechst ungewoehnlichen dunkel schwarzbraunen Exemplaren, und zwar in Massen!
Rein hypothetisch und nicht bewiesen, sozusagen als Arbeitsthese:
Möglich wäre doch auch, dass eben dieser andere Boden mit einer anderen Mineralzusammensetzung (und damit auch anderen Verwertungmöglichkeiten für den Pilz) schuld ist an einer etwas anderen Pigment-Produktion, weil die Aufnahme bestimmter Stoffe aus dem Boden die Produktion bestimmter (Farb-)Stoffe im Pilz beeinflußt. Es könnte doch sein, daß das Vorhandensein einer hohen Eisenionenkonzentation die verstärkte Produktion von Melanin hervorruft -> der Pilz wird dunkler braun. Aber das ist nur so eine Gedankenspielerei von mir.
Auch hier gibt es wahrscheinlich fliessende Uebergaenge,
Natürlich, den bei den Bodentypen gibt's ja auch fließende Übergänge ...
das genauere Differenzieren nach dem Bodentyp halte ich fuer eine Sisyphusarbeit und nur in Einzelfaellen durchfuehrbar.
Tja, da hast du sicherlich nicht unrecht. Aber mich fasziniert gerade dieser Aspekt der Pilzkunde besonders. Vielleicht bin ich da durch meinen geistigen Mentor Hans Haas eben entsprechen beimpft ...
Herzliche Grüße aus Stuttgart, wo hoffentlich in der nächsten Tauperiode die Haasiella venustissima aufzufinden sein wird!
Andreas Gminder