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Pilze Pilze Forum Archiv 2000

Re: Cortinarius atrovirens - gefährlich?

Geschrieben von: Andreas
Datum: 15. Oktober 2000, 23:39 Uhr

Antwort auf: Cortinarius atrovirens - gefährlich? (haste)

: Liebe Leute, gestern stiess ich unerwartet auf die Information, der
: Schwarzgrüne Klumpfuss (Cortinarius atrovirens) sei giftig und sogar recht
: gefährlich. Ich habe den vor rund zwei Wochen erstmals gefunden, in seiner
: Nähe auch den Dunkelvioletten Schleierling, beide mit Hennig und anderen
: Büchern mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit bestimmt und - weil ich ausser
: der Schleiereule noch nie Schleierlinge speiste - gegessen. Dies im Sinne
: der mittleren Position in der Forum-Umfrage, die gegenwärtig läuft.
: Hinweise auf heikle Verwechslungsmöglichkeiten im nächsten Unmfeld der
: beiden fand ich nicht.

: Nun bin ich doch etwas verunsichert, zumal ich C. atrovirens bei nochmaliger
: Konsultation bei Rudolf Winkler mit der Bezeichnung "giftig"
: finde. Ich hatte dort zwar die allgemein warnende Vorbemerkung zur Familie
: gesehen, das hinten war mir offenbar - nach mehreren Taxierungen des
: Pilzes als "essbar" an anderen Orten - entgangen. Soweit ich
: mich erinnere, bestand das übrigens nicht gerade schmackhafte Mahl aus
: zwei relativ grossen Exemplaren des Schwarzgrünen sowie sechs oder sieben
: kleinen bis mittleren Dunkelvioletten. Unmittelbar nach dem Essen bemerkte
: ich nichts besonderes. Ein wenig Durchfall mit leichter Unruhe der
: Innereien in den letzten Tagen führte ich auf anderes zurück. Doch es soll
: das Cortinarius-Gift ja eines mit Langzeitwirkung sein.

: Frage: Weiss einer oder eine von Euch seriös, ob dieser hübsche Kerl - zumal
: in nur ein oder zwei Exemplaren genossen - tatsächlich so gefährlich ist,
: dass sich ein Gang zum Arzt rechtfertigen würde? Mit einem wohl eher
: psychologisch bedingt komischen Gefühl in der Magengegend grüsst
: haste

Hallo,

C. atrovirens gehört in die nächste Verwandtschaft des Cortinarius splendens zudem Bresinsky & Besl folgendes schreiben:
"Cortinarius splendens ist ein Musterbeispiel dafür, daß auch heute noch neue gefährliche Giftpilze unter den Großpilzen entdeckt werden. Es ist die dritte Art der Gattung Cortinarius, die beim Menschen schwere Vergiftungen hervorgerufen hat. Vom bisher einzigen Fall waren bei Lyon in Frankreich 17 Personen betroffen, wobei eine Verwechslung mit dem Grünling vorlag. Die Symptome wiesen auf ein Vorliegen des Orellanus-Syndroms hin, wenn auch die Txizität von C. splendens im Vergleich zu orellanus und speciosissimus geringer zu sein scheint, da erst der mehrmalige Genuß des Pilzes zu ernsten Vergiftungen führte. Da dünnschichtchromatographisch kein Orellanus-Toxin nachweisbar ist, düften hier andere Nephrotoxine vorliegen."
Und weiter schreiben die Autoren:
"Gefährliche Giftpilze, auch wenn sie bisher keine Opfer gefordert haben, sind [...], sowie wahrscheinlich C. atrovirens, C. vitellinus und andere gelbe bis grüngelbe Klumpfüße (verwandt mit C. splendens)."

Der Vollständigkeit halber sei noch angefügt, daß René Charles Azema, der inzwischen 94jährige große "Maitre des Cortinaires" sich mit Händen und Füßen sträubt, die Giftigkeit von C. splendens anzuerkennen und auch mit Selbstversuchen "gedroht" hat (die allerdings bisher wohlweislich unterblieben sind). Seine These, daß die Identität der Lyoner Pilze NICHT ZWEIFELSFREI und AUSSCHLIESSLICH C. splendens betreffen wird aber von der Allgemeinheit der Cortinarienkenner kaum akzeptiert.
Allerdings soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass es bisher nicht gelungen ist, auf chemischem Wege toxische Substanzen im Pilz nachzuweisen.

Wenn du schreibst, dass dieser Pilz in manchen deiner Bücher als essbar bezeichnet wird, so kann das eigentlich nur als grober Fehler angesehen werden und derartige Bücher gehören schnellstens aus dem Verkehr gezogen. Frag' mal einen WAPKO-Beauftragten, was er von C. atrovirens als Speisepilz hält .... Die Vorstellung dürfte für ihn einen ziemlichen Schock bedeuten!

Zusammenfassung:
Nix genaues weiss man nicht, aber die Chancen, dass du einen ausgesprochen giftigen Pilz erwischt hast sind sehr groß. Es deutet manches darauf hin, dass der Pilz zwar theoretisch essbar, praktisch aber sehr giftig ist ;-)
Zwei Exemplaren sind im übrigen allemal ausreichend für eine zünftige Vergiftung.
Wenn ich an deiner Stelle wäre würde ich mir ernstlich überlegen, ob ich mir nicht die üble Prozedur des Magenauspumpens auferlegen sollte. Zumindest aber würde ich mit meinem Hausazt Rücksprache halten, inwieweit eine möglicherweise eintretende Nierenschädigung frühzeitig erkannt werden kann.

Grüße aus Stuttgart und die besten Wünsche dass nichts ernsthaftes passiert,
Andreas

P.S.: Der Violette Haarschleierling ist zumindest im Mischgericht unschädlich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Beiträge in diesem Thread

Cortinarius atrovirens - gefährlich? -- haste -- 15. Oktober 2000, 11:09 Uhr
Re: Cortinarius atrovirens - gefährlich? -- bleem -- 15. Oktober 2000, 12:50 Uhr
Re: Cortinarius atrovirens - gefährlich? -- Andreas -- 15. Oktober 2000, 23:39 Uhr

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