: Hallo Walter,
: das hast Du verstanden miss!
: Mit meinen Argumenten will ich nicht einem hemmungslosen Pilzkonsum Vorschub
: leisten. Auch ich habe den extrem seltenen Erdmuschelseitling stehen
: gelassen, den ich bei uns in Drage gefunden habe. Obwohl er sich derartig
: ausgebreitet hatte, dass ich locker zwei Mahlzeiten hätte ernten können,
: ohne im groß zu schaden. Und die Tiefkühltruhe voller Pilze, naja, das
: habe ich früher mal gemacht. Aber mit steigender Artenkenntnis erkennt man
: auch, dass es fast das ganze Jahr über genügend frische Pilze gibt. Eine
: extreme Vorratshaltung tut also nicht not. Leonies Ausführungen weiter
: unten, bringen die Motivation des Pilzesammelns gut rüber.
: Mir geht es nur um diese absolut hysterische Unterschutzstellung allerorten:
: Kaum zeigt sich irgendwo ein seltenes Getier, Pflänzchen oder Pilzchen –
: bums, kommt der große Naturschutzhammer. Als auf einer Brachfläche in
: Hamburg-Harburg 4000 Wohnungen gebaut werden sollten, stellten die
: Naturschützer auf einmal die Existenz des Wachtelkönigs fest. Wie? Nur
: durch seine Balzrufe. Aber in der Diskussion darüber, ob nun gebaut oder
: unter Naturschutz gestellt werden sollte, gewann ich (und nicht nur ich)
: den Eindruck, dass der Wachtelkönig lediglich als politisches Druckmittel
: wofür auch immer benutzt werden sollte. Den Balzruf kann man nämlich auch
: ganz einfach mit einem Kamm nachmachen…
: 4000 Wohnungen fehlen immer noch in Hamburg. Ist der Mensch weniger wert als
: der Wachtelkönig?
: Ein anderes Beispiel ist das Mühlenberger Loch in der Hamburger Elbe. Hier
: soll eine neue Startbahn für den Super-Airbus A 3 XX entstehen, das Gebiet
: deshalb zugeschüttet werden. Jahrzehntelang kümmerte sich niemand um
: dieses Gebiet. Jetzt auf einmal ist es dringend schutzbedürftig. Dabei ist
: das Mühlenberger Loch nicht einmal natürlichen Ursprungs: Hier sollte in
: den 30er ein Hafen für Wasserflugzeuge entstehen. Die Frage ist: Sind 2000
: bis 3000 hochqualifizierte Arbeitsplätze weniger wert als ein
: (menschengemachtes) Süßwasserwatt? Auf der Suche nach Hilfe wenden sich
: die Naturschützer gerne an die EU, und die springt ihnen bei. Wundert es
: einen – speziell im Falle des A 3 XX, dass sich dann Frankreich für die
: Unterschutzstellung des Mühlenberger Lochs stark macht? Die hätten die
: Arbeitsplätze doch gerne im eigenen Land. Wie heißt der Spruch? „Heiliger
: Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andre an.“ Egoismus ist eine
: wesentliche Eigenart der deutschen Naturschützer.
: Naturschutz gegen Arbeitsplätze – ich weiß, das Thema ist ziemlich
: abgegriffen, doch in diesem Falle brennend aktuell.
: Das Problem ist doch, dass die sog. Naturschützer immer erst dann anfangen zu
: quaken, wenn ihnen irgendein Projekt nicht in den Kram passt und sie – so
: vermute ich im Falle des Wachtelkönigs – sogar vor Betrug nicht
: zurückschrecken.
: Naturschutz wird heutzutage immer mehr am Menschen vorbei gemacht und droht,
: aus unserer Bevölkerung eine Zweiklassengesellschaft zu machen: Jene, die
: angeblich allein durch ihre Anwesenheit alles kaputtmachen und jene, die
: auserwählt zu sein scheinen, als einzige Naturschutzgebiete betreten zu
: dürfen. Ich hatte selbst einmal die zweifelhafte Ehre, der zweiten Gruppe
: anzugehören, und glaub mir, die sehen sich tatsächlich so! Aber wehe, eine
: Horde Vogelschützer fällt in ein Naturschutzgebiet ein. Auf der Jagd nach
: dem besten Foto trampeln die alles nieder, was keine Federn hat…
: Nun gut, wenn ich mir das so durchlese, bin ich mal wieder von Kuchenbacken
: auf Arschbacken gekommen, aber es greift ja alles ineinander, und es regt
: mich maßlos auf: Pilzsammelverbote, hemmungslose Ausweisung von
: Naturschutzgebieten – im Falle des Kaiserlings, den eh kaum jemand kennt
: (wie viel hier im Forum haben ihn schon in Natura gesehen) und der sowieso
: in Gebieten wächst, die weder landwirtschaftlich, industriell oder
: siedlungstechnisch genutzt werden können und deshalb gar nicht unter
: Schutz gestellt werden müssen. Oder im Falle des Erdmuschelseitlings: Muss
: jetzt Drage unter Naturschutz gestellt werden und müssen die 592 Einwohner
: umgesiedelt werden?
: Jetzt werde ich mich lieber mal wieder damit beschäftigen, den Reichtum
: meines Verlegers zu mehren.
: Gruß
: Thomas
Lieber Thomas,
ich als Angelanfänger und vielleicht etwas fortgeschrittener Pilzliebhaber und
-verzehrer schätze Dich sehr als Natur-, Pilz- und Angelbegeisterten und finde
Deine Forumsbeiträge immer sehr interressant und fundiert.
Ich kenne mich in den lokalen Verhältnissen in Deiner Heimat natürlich nicht
aus, aber eine hysterische Unterschutzstellung kann ich beim besten Willen
in Deutschland nicht erkennen.Natürlich kommt der Gedanke einer unter Schutz-
stellung in der Regel erst dann auf, wenn ein Gebiet oder Biotop akut bedroht
ist. Wir leben in Mitteleuropa. Zeig mir den Quadratmeter Land, der hier nicht
durch menschlich-kulturelle Einflussnahme geprägt ist und der "natürlichen"
Ursprungs ist.Die Diskussion, was und in welcher Form schützenswert ist kann
sich meiner Meinung nach nicht (nur) nach diesem Kriterium richten.
Arbeitsplätze gegen Naturschutz ist natürlich ein heisses Thema. Ich habe
jedoch den Eindruck, dass wirtschaftliche Interessen immer den längeren Hebel
in der Hand halten ( zumindest bei sogenannten Grossprojekten ) und übrigens
auch gut tricksen können und nicht gerade offen und sauber agieren. Gegen deren
Einflussnahmemöglichkeiten ist die Nachahmung des Wachtelkönigsrufs doch wohl
eher niedlich.
Grüsse, Bodo