[ Thread ansehen ] [ Zurück zum Index ] [ Vorheriger Beitrag ] [ Nächster Beitrag ]

Pilze Pilze Forum Archiv 2002

Re: Bitte um Tips zu Kleinstbecherlingen

Geschrieben von: Andreas Gminder
Datum: 1. März 2002, 17:05 Uhr

Antwort auf: Bitte um Tips zu Kleinstbecherlingen (DieterB)

: Hallo zusammen,

: gestern sah ich beim Betrachten von Bjerkandera adusta unterm Stereomikroskop
: ca 5 Becherlinge auf dem selben Rindenstück, wovon der größte ca. 1/5 mm
: Durchmesser hatte, also mit bloßem Auge kaum noch zu sehen. Heute war die
: Rinde angetrocknet, die Becherchen anscheinend zu nichts
: zusammengeschrumpelt, also nicht mehr zu finden. Es würde mich
: interessieren, wie man mit diesen Winzlingen umgeht, im frischen Zustand
: (man kann sie ja wohl nicht mal irgendwie festhalten, um Schnitte zu
: machen) und wie man solche Kleinteile archiviert/konserviert. Weiß da
: jemand Rat? Interessieren würde mich auch, ob es dafür Spezialliteratur
: gibt.

: Danke und viele Grüße
: Dieter

Hallo Dieter,

mit ein wenig Übung sind diese kleinen Ascos eigentlich ganz leicht zu mikroskopieren. Wie Peter schon sagte läßt sich viel durch einfaches Quetschen erreichen. Aber da es meistens auf die Form, Größe etc. der Randzellen ankommt und diese eben nicht immer so auffällig sind wie bei den Haarbecherlingen (Hyaloscyphaceae) muss man auch im Quetschpräparat immer wissen, wo der Rand des Becherchens liegt. Das bedeutet in der Praxis, dass man ohne Schnitte halt oft doch nicht auskommt. Und die sind insofern ganz einfach, weil du die Becherchen gar nicht festhalten mußt: Schneide einfach direkt auf dem Substratstück! Allerdings ist eine Stereolupe Voraussetzung, sonst siehst du die kleinen Dinger beim Anfertigen des Präparats nicht richtig.

Zunächst solltest also ein Präparat als Schnitt in Wasser anfertigen um dich über Randhaare zu informieren, um die Sporen und Paraphysen zu betrachten (sind lichtbrechende Vakuolen oder Öltropfen enthalten?). Wenn der Schnitt dünn genug ist, solltest Du auch den Aufbau des Apotheziums skizzieren (z.B. bei einer imaginären Mollisia-Art: Äußerste Schicht aus bräunlichen, runden Zellen, ca. 50 µm mächtig - dann die innere Schicht aus verflochtenen Hyphen von 3-10 µm Breite, ca. 80 µm mächtig - Hymenium, ca. 100 µm mächtig.
Dann kannst Du das Präparat quetschen und die Sporen und sonstigen Elemente messen. Anschließend Lugol'sche Lösung einleiten um die Ascus-Reaktion zu testen. WICHTIG !! IMMER LUGOL IN WASSERPRÄPARAT TESTEN, NICHT IN EINEM KALILAUGEN-PRÄPARAT !!! Oft sieht man jetzt eine eventuell vorhandene Septierung der Sporen in der Jodlösung besser als in Wasser.
Danach ist das Präparat unbrauchbar und du kannst noch weitere Quetschpräparate anfertigen (müssen jetzt keine Schnitte mehr sein):
Einmal ein Wasserpräparat. in das du Kalilauge (ca. 3%) einleitest. Manche Arten zeigen daraufhin eine Farbreaktion (Gelb bei manchem Mollisia, Violett bei Proliferodiscus oder anderen Haarbecherchen, etc.)
Ein Präparat mit einem Färbemittel für Zellwände (Kongo/NH3 oder L4T) um die Ascusbasis zu sehen (Haken vorhanden ja/nein) und überhaupt die Zellstrukturen deutlicher zu machen (muss nicht immer sein, oft reicht das Wasserpräparat schon aus).
Ein Präparat mit Brilliantkresylblau (BKS) das bestimmte Arten von Tropfen in z.B. Sporen besser sichtbar macht (gibt's kaum Literatur drüber, aber wird vielleicht mal wichtig sein).
Je nach Gattung und verwendeter Literatur kommt vielleicht noch das eine oder andere spezielle Präparat hinzu, z.B. muss man bei Hyaloscypha die Haare in Melzers mikroskopieren.

Hört sich jetzt schlimm und unüberschaubar an, ist es aber eigentlich nicht. Auch bei den Blätterpilzen muss man ja je nach Gattung verschiedene Präparationsmethoden anwenden. Und Ascos sind vom technischen her relativ einfach zu handhaben. Mich graust da vor den Porlingen viel mehr .... .
Wenn du oder jemand anderes noch speziellere Fragen hat bin ich gerne bereit nach meinem Kenntnisstand Auskunft zu geben. Mein Wisensstand geht auf H.O. Baral zurück und seine Ausführungen bzgl. Lebend-Mikroskopie beeindruckten mich sehr, sind aber oft nicht auf die bestehende Literatur anwendbar (weil bisher nicht oder nicht in diesem Maße beachtet). Aber da muss man eben durch :-)

Ich habe geplant, im Mai oder Juni das Treffen des Arbeitskreis des Stuttgarter Pilzvereins (jeden 3. Samstag im Monat) zu einem "Ascomyceten-Tag" zu machen und dabei dann manche dieser Sachen zu zeigen bzw. mit den Teilnehmern zu üben (Stereolupen sind am Ort vorhanden). Falls jemand Interesse hat, bitte bei mir melden.

herzliche Grüße,
Andreas

Beiträge in diesem Thread

Bitte um Tips zu Kleinstbecherlingen -- DieterB -- 27. Februar 2002, 18:48 Uhr
Re: Bitte um Tips zu Kleinstbecherlingen -- Peter K. -- 27. Februar 2002, 20:36 Uhr
Re: Bitte um Tips zu Kleinstbecherlingen -- Andreas Gminder -- 1. März 2002, 17:05 Uhr

[ Thread ansehen ] [ Zurück zum Index ] [ Vorheriger Beitrag ] [ Nächster Beitrag ]

Pilze Pilze Forum Archiv 2002 wird administriert von Georg Müller mit WebBBS 5.12.