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Pilze Pilze Forum Archiv 2002
Wat isse ’ne Zecke…? (BORELLIOSE-INFO, WICHTIG!)
Geschrieben von: Thomas Pruß Antwort auf: Zecken wieder da (Karl Keck)
Datum: 22. März 2002, 10:31 Uhr
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Moin allerseits,
Alle Jahre wieder wird im Zusammenhang mit Zeckenbissen vor der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) gewarnt. Was aber niemand weiß: Viel gefährlicher als die FSME ist die Borelliose, ganz korrekt: die Lyme-Borelliose (ich kürz’ das mal ab mit „LB“.) 250 Neuerkrankungen mit FSME im Jahr stehen 50.000 bis 60.000 Neu-Infektionen mit LB gegenüber! Die Erreger sind Spirochäten, schraubig gedrehte und ziemlich flinke Bakterien. Man nimmt an, dass bundesweit ca. 500.000 Patienten an LB leiden, die weitaus meisten, ohne es zu wissen! Während FSME nur in einigen Regionen Deutschlands vorkommt, ist die LB die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit auf der gesamten Nordhalbkugel. Es gibt keine regionalen Häufungen, denn jede 3. Zecke trägt den Erreger in sich.
Das Problem ist, dass die meisten Betroffenen den Zeckenstich gar nicht merken, dem Arzt also auch keinen Hinweis geben können und deshalb die notwendigen Blutuntersuchungen nicht gemacht werden. Der Nachweis der Spirochäeten im Blut ist schwierig, aber über einen Antikörper-Nachweis möglich. Eine Kultur der Spirochäten ist ebenfalls sehr aufwändig. Die LB macht sich anfangs nur durch eine ringförmige Rötung rund um die Einstichstelle bemerkbar. Diese „Erythrema migrans“ oder „Wanderröte“ kann aber sehr verschieden stark ausfallen, und wenn die Zecke an einer Stelle gesaugt hat, die man nicht unbedingt jeden Tag sieht (z. B. am Heck oder in den Kniekehlen) kann sie schon mal unbemerkt bleiben. Da die Krankheit, wie gesagt, sehr vielschichtig ist, laufen die Patienten buchstäblich „von Pontius nach Pilatus“, ohne Hilfe zu finden. Daraus folgert natürlich eine ziemliche physische und auch eine nicht zu verachtende psychische Belastung. Während der Info-Veranstaltung beschrieb eine Borelliose-Erkrankte, die Journalistin Ute Fischer, ihren Leidensweg. Sie hat LB im dritten Stadium erlebt, und der Höhepunkt ihrer Wanderungen von Arzt zu Arzt war die Überweisung an einen Psychologen, der ihre „eingebildeten Krankheiten“ behandeln sollte. Mittlerweile ist Frau Fischer zwar von der LB genesen, doch die chronischen Spätwirkungen wie Gelenkschmerzen und – für eine Journalistin ganz schlimm – eingeschränkte sprachliche Ausdrucksfähigkeit als Folge des Angriffes der LB auf das Nervensystenm, machen ihr sehr zu schaffen. Das fand Ausdruck in der Tatsache, dass sich Frau Fischer während des Referates an ein Skript halten musste, was sie selbst bestätigte. Gibt es eine Impfung gegen LB? Jein! In den USA gibt es einen Impfstoff, doch der wirkt nur dort, denn dort gibt es nur EINEN LB-Erreger, die „Borellia burgdorferi“. In Europa und Asien dagegen gibt es DREI, bzw. ZWEI verschiedene Erreger, und gegen die gibt es keine Impfstoffe. Vermeidungsstrategie: Der Rat, um sich gegen LB zu schützen scheint trivial: „Kein Stich, keine Krankheit“. Aber was sich so einfach anhört, ist in Wirklichkeit nicht immer durchzuhalten. Wer stiefelt schon im Hochsommer gerne dick vermummt durch den Wald auf der Suche nach Pilzen? Ist also eine komplette Abdeckung des Körpers nicht möglich (bitte die Hosenbeine in die Socken stecken, Pullis mit Bündchen an den Ärmeln, damit die Zecken nicht unter den Stoff kriechen können), MUSS man sich nach der Tour absuchen (lassen)! Und bitte, Leute, denkt dran: Zecken lauern nicht nur im Wald und auf der Heide, man kann sie sich überall einfangen: beim Joggen im Stadtpark, bei Arbeiten im Garten und selbst auf dem gepflegten Rasen vor der Haustüre – und das nicht nur auf dem Land, sondern auch mitten in der Stadt. Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr? Wie gesagt, jede 3. Zecke trägt den LB-Erreger in sich, doch wenn man sich absucht, ist die Infektionsgefahr vergleichsweise gering. Die Zecke gibt die Erreger erst dann ab, wenn sie Gelegenheit hatte, zwischen 24 und 48 Stunden an einem zu saugen. Demgemäß liegt das Infektionsrisiko bei ca. 1 %. Zeckenentfernung: Bitte bei der Entfernung kein Öl, kein Klebstoff oder sonstiges verwenden!!! Diese Stoffe töten die Zecke zwar, doch vorher erbricht sie sich in die Einstichstelle und gibt damit auch eine große Anzahl Erreger frei.
GIBT ES SCHUTZSTOFFE? Ja! Ich will hier keine Werbung machen, doch ist das neue „Autan“ der Fa. Bayer das wirksamste Zecken-Repellent, das es zur Zeit auf dem Markt gibt. Bei lückenloser Auftragung auf der Haut wirkt es bis zu 4 Stunden gegen Zecken. Autan ist ein Piperidinsäurederivat und wurde aus über 800 verschiedenen Substanzen herausgesucht. Es ist das einzig wirklich wirksame Repellent. Autan wird übrigens auch von den gut 30 Borelliose-Selbsthilfegruppen empfohlen, die es in Deutschland gibt, sowie von der Stiftung Warentest. Was ist zu tun, falls man sich doch infiziert hat? Achtet auf die „Wanderröte“! Sie kann erst nach einigen Tagen oder Wochen nach dem Stich auftreten. Gebt dem Arzt bei unklaren Krankheitssymptomen („chronische Erkältung“, Konzentrationstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen ohne andere Ursachen), den Hinweis auf einen möglichen, nicht erkannten Zeckenstich. Die LB ist in jedem Stadium mit Antibiotika heilbar, doch je länger sie nicht erkannt wird, desto schwieriger wird die Heilung. Übrigens: ein Hinweis auf LB könnte sein, dass die Krankheitssymptome verschwinden, wenn man wegen einer anderen Krankheit mit Antibiotika behandelt wird und wieder auftauchen, wenn die Antibiotika-Behandlung abgesetzt wird. LB kann nur mit einer mehrwöchigen Antibiotika-Kur geheilt werden, die umso länger dauert, wie die Krankheit nicht erkannt wurde.
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