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Pilze Pilze Forum Archiv 2002

Burgunder Trüffeln im Schweizer Jura!

Geschrieben von: Galadriel
Datum: 24. Oktober 2002, 11:57 Uhr


Hallo Pilzfreaks!

Dieser Bericht dürfte für einige unter euch von Interesse sein.

Herzliche Grüsse - Galadriel

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24. Oktober 2002, 02:14, Neue Zürcher Zeitung

Eine Spürnase für die wohlriechende Knolle

Auf der Suche nach Burgunder Trüffeln in den Wäldern des Schweizer Juras

Trüffeln in der Schweiz? - Im Delikatessengeschäft, denken da wohl die meisten. Dass Trüffeln auch in der Schweiz wachsen, ist wenig bekannt. Noch weniger bekannt sind die Plätze, wo man sie findet, und das ist gut so, wenn es nach Markus Nydegger geht. Der leidenschaftliche «Trüffler» und Pilzsucher aus der Region Bern geht im Herbst und Winter regelmässig «trüffeln». Abgesehen hat er es auf die Burgunder Trüffel (Tuber uncinatum), eine neben der weissen Alba- und der schwarzen Périgord-Trüffel aus Italien und Frankreich (Tuber magnatum und Tuber melanosporum) ebenfalls wohlschmeckende Sorte. Ohne seine Hündin Vesca wäre er allerdings aufgeschmissen, denn Vesca spürt die intensiv riechende Knolle mit ihrem sensiblen Geruchssinn auf. Der Appenzeller- Mischling ist ein relativ kleiner Hund, was vorteilhaft ist, wenn sich eine Trüffel in der Erde unter einem dichten, dornigen Gebüsch befindet. Ausserdem ist der Hund ausserordentlich lebhaft und ausdauernd. Dies ist ebenfalls ein Vorteil, denn die Trüffelsuche kann an einem Tag gut und gerne sechs oder sieben Stunden dauern.

Geheimnisvolles Können

Markus Nydegger schlägt einen Treffpunkt in einem Restaurant etwas ausserhalb der Stadt Biel vor. Wohin die Reise danach geht, lässt er offen; am Telefon ist er zurückhaltend mit Informationen. Zwar ist er gerne bereit, im persönlichen Gespräch über die Trüffelsuche zu erzählen. Zu tief in die Karten schauen lässt er sich aber nicht, denn Konkurrenz kann er nicht brauchen. Zu exklusiv ist der Pilz, den er unter der Erde findet, und die Suche nach geeigneten Plätzen ist zu aufwendig, um das Wissen mit andern zu teilen. Neben ihm gebe es in der Schweiz nur etwa 15 weitere Personen, die regelmässig und mit Erfolg «trüffeln» gingen. Nydegger wurde vor fünf Jahren von einem Kollegen in die geheimnisvolle Freizeitbeschäftigung eingeführt. Der Kollege war der Meister von Vescas Mutter, ebenfalls einer Trüffelhündin. Jedes Mal, wenn die Hundemutter eine Trüffel gefunden hatte, bekam auch Vesca eine Belohnung. So wurde sie bereits als junger Hund spielend in die Trüffelsuche eingeführt.

Pro Jahr finde er «ein paar wenige Kilo» Trüffel von Topqualität, sagt der Berner Nydegger, der Inhaber einer Sicherheitsfirma ist. Einen Grossteil der qualitativ einwandfreien Burgunder Trüffel überlässt er - meist im Tausch gegen einige kostenlose Mahlzeiten - befreundeten Köchen in Restaurants der Umgebung. Diese preisen den aromatischen Pilz stolz als «Trüffel aus der Region» auf ihren Speisekarten an. Einen kleinen Teil der gefundenen Trüffeln verzehrt Nydegger selber mit Familie und Gästen, den Rest verschenkt er an Freunde und Bekannte. 100 Gramm «Truffe de Bourgogne» seien zurzeit ungefähr 45 Franken wert. Zum Vergleich: Für ein Kilo der als besonders kostbar geltenden weissen Alba-Trüffel aus Italien würden je nach Ausbeute in einer Saison zwischen etwa 3000 und 10 000 Franken bezahlt. Der Preis schwankt sehr stark, denn er ist abhängig von Angebot und Nachfrage.

Die Trüffelsaison in der Schweiz beginnt im September und dauert je nach Witterung bis im Dezember oder Januar. Die Luft darf kalt sein, und auch schneien darf es; wenn jedoch der Boden gefriert, ist es fertig mit dem «Trüffeln». Der Hund riecht die Pilze, die in etwa 5 bis 25 Zentimeter Tiefe unter dem Boden wachsen, zwar weiterhin, doch dann ist es praktisch unmöglich, sie aus der gefrorenen Erde zu lösen. Nydegger führt uns in einen Wald in einem Ausläufer des Schweizer Juras - der genaue Ort muss geheim bleiben. Er habe schon viele Anfragen erhalten für «Privatkurse» in Trüffelsuche, sagt er. Doch daran habe er absolut kein Interesse. Bis man einen neuen guten Platz gefunden habe, investiere man manchmal eine ganze Woche: Man durchstreife die Wälder mit dem Hund, langsam, Stück für Stück, bis man unter einem Baum plötzlich fündig werde.

«Wo isch s Trüffeli?»

Trüffeln kommen laut Nydegger dort vor, wo der Boden kalkhaltig ist. Im Jura und in dessen Ausläufern finde man sie deshalb häufig - aber freilich nur, wenn man wisse wie. Ausserdem habe die Trüffel gern sonnige, warme Plätze. Die Pilze wachsen unterirdisch, oft in kleinen Gruppen, und gehen mit den Wurzeln von Laubbäumen wie Buche, Eiche und Haselnuss eine Symbiose ein. Das Baumvorkommen in einem Wald ist deshalb ein Indikator für das Vorhandensein von Trüffeln.

«Guet luege - suech, Vesca - gang go luege», weist Markus Nydegger seine Hündin mit ruhiger Stimme an, als die beiden durch das Laub streifen. «Wo isch s Trüffeli?», fragt der Meister immer wieder, während Vesca ihre Nase dem Boden nach führt und hörbar schnüffelt. Nydegger folgt seiner Hündin, ohne sie zu hetzen. Die Windverhältnisse, sagt er, spielten eine grosse Rolle. Es sei schon vorgekommen, dass Vesca plötzlich gezielt davongerannt sei, um in 30 oder 40 Meter Entfernung eine Trüffel aufzuspüren. Der Trüffelhund rieche die Knolle erst, wenn sie reif sei und sich der charakteristische Geruch voll entfalte. Da nie alle Trüffeln an einem Fundort gleichzeitig die volle Reife entwickelten, lohne es sich meist, im Abstand von zwei, drei Wochen den gleichen Wald nochmals zu durchstreifen. Tauchen plötzlich Spaziergänger auf, während er auf der Trüffelsuche ist, spielt Nydegger in der Regel den Ahnungslosen.

Crostini, Omelette, Risotto

Plötzlich scharrt Vesca nervös mit einer Pfote in der Erde. «Guet - stopp!», befiehlt der Meister, nähert sich der Stelle und zieht seinen Rucksack ab. Er streift einen Handschuh über die rechte Hand, ergreift einen Schraubenzieher und beginnt in der Erde zu stochern. Nach kurzer Zeit und nachdem er ein wenig von Hand gegraben hat, hält er eine Trüffel zwischen den Fingern, die halb so gross ist wie ein Tennisball. Vesca schnüffelt bereits wieder voller Konzentration am Boden und wird gleich noch dreimal fündig. Die Ausbeute sind vier Knollen, die im Umkreis von etwa einem Quadratmeter unter der Erde lagen. Nydegger schätzt, dass sie zusammen ungefähr 80 Gramm wiegen. Das Prozedere wiederholt sich im gleichen Wald noch ein paarmal, bis der Meister die Suche abbricht. Vesca erhält einige Guetsli als Belohnung.

Zu Hause lässt Markus Nydegger die Trüffeln trocknen, bevor er sie bürstet. Dann legt er sie auf Haushaltpapier in ein Tupperware, das im Kühlschrank aufbewahrt wird. Es scheint, als ob der intensive Geruch der Trüffeln selbst durch den fest verschlossenen Plasticbehälter dringt. Einen Teil der frischen «Truffes de Bourgogne» bringt er an diesem Tag zu Janine Mangiantini vom Restaurant Vennerstöckli in Gümligen. Die Köchin zaubert mit ein paar wenigen Handgriffen ein einfaches dreigängiges Menu, das den hervorragenden Geschmack der einheimischen Burgunder Trüffeln voll zur Geltung bringt: Aus einem aufgeschnittenen Pariserbrot mit ein wenig Butter, Salz und in hauchdünne Scheibchen gehobelter Trüffel fabriziert sie zunächst feine Crostini. Dann raffelt sie mit einer Käsereibe etwas Trüffel in ein gerührtes Ei, formt eine Omelette, die, kaum ist sie auf dem Teller angerichtet, ebenfalls mit hauchdünnen Trüffelscheiben veredelt wird. Und schliesslich serviert sie als Hauptgang einen Risotto mit Trüffel. Diesen gibt sie erst ganz am Schluss in Scheibchen über den Reis und mischt ihn etwas darunter. Trüffel, so sagt die Köchin, sollte niemals gekocht werden, da durch das Erhitzen das Aroma verloren gehe.

In der Schweiz kein Millionengeschäft

In Italien und in Frankreich wird mit der weissen Alba- beziehungsweise der schwarzen Périgord-Trüffel ein Millionengeschäft gemacht. In Frankreich gibt es ganze Plantagen mit der «Truffe de Périgord», wie Markus Nydegger erzählt. Bei der Alba-Trüffel hingegen habe der industrielle Anbau bisher nicht funktioniert.

Der Trüffelindustrie dürfte wohl auch der Charme abgehen, welcher der Trüffelsuche in der Schweiz anhaftet. Hierzulande ist die Trüffelsuche für eine verschwindend kleine Minderheit eine faszinierende Freizeitbeschäftigung, die mit allerlei Geheimniskrämerei verbunden ist. Dies dürfte auch noch lange so bleiben: Nydegger jedenfalls notiert die Fundstellen der «Truffe de Bourgogne» in den Wäldern des Juras und von dessen Ausläufern zu Hause verschlüsselt. Würde jemand seine Aufzeichnungen finden, sagt er verschmitzt, könnte dieser nichts damit anfangen.

Rebekka Haefeli

Folgende Restaurants servieren Gerichte mit Burgunder Trüffeln von Markus Nydegger: Restaurant/Pizzeria Vennerstöckli, Gümligen, Telefon 031 951 77 33, Pizzeria Vesuvio, Herrenschwanden, Telefon 031 301 47 30, Restaurant Brasserie / Pizzerante da Francesco, Steffisburg, Telefon 033 437 20 40, Gasthof zum Brunnen, Fraubrunnen, Telefon 031 767 72 16.

Markus Nydegger beantwortet Fragen zur Trüffelsuche per E-Mail. Seine Adresse: info@emhaustechnik.ch

Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2002/10/24/to/page-article8GMSS.html

Beiträge in diesem Thread

Burgunder Trüffeln im Schweizer Jura! -- Galadriel -- 24. Oktober 2002, 11:57 Uhr
Re: Burgunder Trüffeln im Schweizer Jura! -- 42 -- 24. Oktober 2002, 16:39 Uhr

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