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Pilze Pilze Forum Archiv 2003

Re: Netzstieliger Hexenröhling

Geschrieben von: Andreas
Datum: 9. August 2003, 08:35 Uhr

Antwort auf: Netzstieliger Hexenröhling (Luvo)

: Hallo,

: habe gestern (strohtrocken, 33 Grad) bei uns auf dem Firmengelände 8
: netzstielige Hexenröhrlinge gefunden.

: Die waren zwar schon sehr in Mitleidenschaft gezogen, aber mich würde
: nun doch interessieren, ob dieser Pilz nun essbar ist oder nicht. Die
: Angaben dazu sind sehr widersprüchlich.

: Laux: "Wird nicht mehr als Speisepilz betrachtet. Mit Alkohol genossen
: unverträglich."

: Gerhard: "Eßbar; nach neuester Erkenntnis ist auch bei Alkoholgenuß
: nicht mit vorübergehender Giftwirkung zu rechnen."

: Die Beiträge im Forum widersprechen sich ebenso: von "gereihert wie ein
: wilder" bis "ich hatte noch nie Probleme" !

: ????????

: Luvo

Hallo Luvo,

wenn jemand behauptet, er hätte vom Netzstieligen Hexenröhrling "gekotzt wie ein Reiher", dann steht das zumindest nicht im Zusammenhang mit seiner (angeblichen?) Unverträglichkeit mit Alkohol, denn die äußert sich ganz anders.

Seit langer Zeit gilt allgemein, dass der NHR mit zusammen Alkohol genossen (d.h. bis 48 STunden VOR ODER NACH dem Pilzgericht!) manchen Leuten Probleme bereitet, in FOrm von Herzrasen, Schwindel, Bluthochdruck, Angstgefühl, Schweißausbruch, Kreislaufprobleme. Also dasselbe Syndrom wie bei Alkohol + Falten-Tintling, bei dem ja auch ein entsprechend wirksamer Inhaltsstoff nachgewiesen wurde. Man hört immer wieder, dass solche Reaktionen von NHR + Alkohol relativ häufig vorkommen würden (bis 20% seien anfällig), doch gibt es nur sehr sehr wenig verbürgte Fälle. Ich kenne aber persönlich einen Fall, dem es genau so ergangen ist (Hobbymykologe, der Pilz war zweifelsfrei NHR).
Daher also die Angaben in den Pilzbüchern, z.B. bei Laux.

Die anderslautende Angabe bei Gerhardt hat allerdings auch einen Hintergrund:
Vor einigen Jahren wurde in der Zeitschrift für Mykologie eine Studie veröffentlicht, die an irgendeiner nordostdeutschen Uni stattfand. Die Autoren hatten versucht, im NHR diesen aus dem Faltentintling bekannten Stoff nachzuweisen, der ja für diese Reaktion verantwortlich sein soll. Das gelang ihnen aber nicht, dafür aber konnten sie diesen in Boletus torosus nachweisen. Nun kamen sie also zur Schlußfolgerung, dass für oben geschilderte Reaktionen auf Alkohol eben nicht der NHR verantwortlich sei, sondern Boletus torosus.
Ich persönlich habe schon an der Studie kleinere Zweifel (Herkunft des Naterials bzw. Korrektheit der Bestimmung), aber die Schlußfolgerungen, die daraus gezogen werden sind für mich schon gar nicht stichhaltig. Etwas nicht zu finden bedeutet für mich nicht automatisch, dass es nicht da ist. Meines Wissens ist es bisher auch nicht gelungen, in Cortinarius splendens und Verwandten ein Gift nachzuweisen, und trotzdem würde ich die als tödlich giftig geltenden Arten nicht als Speisepilze freigeben. Auch die Schlußfolgerung, dass dann Boletus torosus der böse Bube sein muss, ist mehr als fraglich, denn wieviele Fundorte von dieser extrem seltenen Art gibt's denn schon in der BRD? Sicher nicht mehr als eine Hand voll.
Ich halte die "Entwarnung" im Gerhardt für etwas verfrüht, vor allem im Hinblick auf den mir bekannten verbürgten Fall. Allerdings dürften diese Reaktionen von NHR + Alkohol ausgesprochen selten sein. Letztes Jahr wurde mal im Forum nachgefragt, wer entsprechende Erfahrungen gemacht hat/kennt, und obwohl relativ viele Leute den NHR essen, gab es doch keinen weiteren bekannten Fall.
Vermutlich sind bei allen Rotporern (mit Ausnahme wohl des Flockenstieligen HR) individuell recht verschiedene Auswirkungen zu beobachten. Ich kenne jemanden, der den Satansröhrling für einen sehr guten Speisepilz hält, seit Jahren ißt und (verantwortungsloserweise!!) auch an Bekannte und Nachbarn weitergibt, ohne dass je Probleme aufgetreten wären. Seine Pilze wurden mehrfach im Pilzverein zweifelsfrei als Boletus satanas bestimmt, u.a. von Dr. Haas. Wenn man dagegen die Originalbeschreibung von Lenz liest, dem schon sterbenselend wurde nur vom Geruch der Pilze die im Zimmer lagen, dann scheint da doch eine sehr weite Spanne von "eßbar" bis "stark giftig" möglich zu sein.

Insofern ist der Tipp von Karl Keck sicher nicht so schlecht: selber ausprobieren. Aber nur wenn Du keine Angst davor hast, sonst redest Du Dir vielleicht noch eine Vergiftung ein wo gar keine ist. Passieren kann nicht viel, die möglichen Symptome habe ich oben beschrieben. Sollten sie auftreten, ist das nicht sehr angenehm, aber es gibt sich nach ein paar Stunden wieder, Langzeitwirkungen sind keine bekannt.

Beste Grüße,
Andreas

Beiträge in diesem Thread

Netzstieliger Hexenröhling -- Luvo -- 8. August 2003, 21:54 Uhr
Re: Netzstieliger Hexenröhling -- Karl Keck -- 8. August 2003, 22:44 Uhr
Re: Netzstieliger Hexenröhling -- Andreas -- 9. August 2003, 08:35 Uhr
Re: Netzstieliger Hexenröhling (Danke) -- Luvo -- 13. August 2003, 00:15 Uhr

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