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Pilze Pilze Forum Archiv 2003

Champignon-Sucht?, von Kazuya

Geschrieben von: Notizbrettbildservice
Datum: 21. September 2003, 19:54 Uhr


hallo,

1) Die Gattung

Die Gattung Champignon, Egerling (Agaricus) besteht in Mitteleuropa aus mehr als 60 Arten. Sie leben bevorzugt saprophytisch an feuchten wie an trockenen Stellen auf den verschiedensten Bodenarten. Einige erscheinen an Dünen, auf Sandböden, andere lieben eher einen stickstoffreichen Untergrund. Gemeinsamkeiten findet man nur an den Fruchtkörpern selbst. Im Vordergrund sind dies die dunklen (purpurbraunen) Lamellen, die im jungen Zustand der Fruchtkörper aber erst rosa (Eigenfarbe!) sind. Erst die purpurbraunen Sporen geben den Lamellen das gattungstypische Merkmal. Egerlinge zeichnen sich zudem durch mehr konvexe (nicht kegelig, nicht trichterig) Hüte aus, die entweder weiß oder weißlich, oder auch braun bis graubraun gefärbt sein können. Durch die weißen Hüte entsteht die Verwechslungsgefahr mit den Knollis, vor allem mit dem Weißen Knollenblätterpilz (Amanita virosa und verna). Hier sind die Lamellen aber weiß, auch im Alter, da das Sporenpulver weiß gefärbt ist. Der Hut kann außerdem feinschuppig, eingewachsen schuppig oder glatt sein (z.B. beim Wiesenchampignon).

Die Lamellen sind wie oben beschrieben jung immer rosa (kann aber zwischen hell und eher dunkel variieren, man nehme sich ein Beispiel an den grell und lange rosa gefärbten Lamellen des Sommerchampignons [Agaricus aestivalis]) und im Alter immer purpurviolett (kann auch variieren). Sie sind frei, erreichen den Stiel also niemals.

Der Stiel der Champignons birgt weitere entscheidende Merkmale. Diese sind vor allem an der oftmals knolligen, aber unbescheideten Basis zu finden (da Champignons kein Universalvelum besitzen). Ein Velum partiale (Teilvelum) schützt die Lamellen am jungen Fruchtkörper, indem es sich von der (ca.) Stielmitte bis zum Hutrand spannt. Wenn der Fruchtkörper größer wird und der Hut sich ausbreitet, so reißt das Teilvelum auf und hinterlässt einen +/- deutlichen Stielring (seltener hängen Teile am Hutrand). Ein Beispiel für einen ausgeprägten Stielring gibt der Stadtchampignon (Agaricus bitorquis). Hier ist der Ring sogar doppelt. Wichtig ist auch zu beachten, ob der Ring absteigt (also herabhängt) oder aufsteigt (wie gestiefelt wirkend). Bei älteren Fruchtkörpern kann der Ring bisweilen fehlen, da dieser abgefallen ist (vergänglich). Dies passiert beim Wiesenchampignon sehr oft.

Das Fleisch der Champignons kann an der Luft verschiedene Reaktionen preisgeben. So kann es sich gelb, rot oder gar nicht verfärben. Die Champignons werden nach dem Verfärben des Fleisches in drei Gruppen eingeteilt (arvensis-Gruppe: gilbend, wobei die xanthoderma-Gruppe auch gilbt, jedoch besonders stark an der Stielbasis, silvaticus-Gruppe: rötend und campestris-Gruppe: nicht oder kaum merklich verfärbend). Eine andere Verfärbung geschieht nur mit chemischen Materialien: Die Schaeffersche Reaktion. Hierbei nimmt man das hochgiftige Anilin und konzentrierte Salpetersäure. Man zieht mit einer Pipette zwei Striche auf den Hut (ca. 15 mm lang), die sich kreuzen (daher auch Kreuzungsreaktion). Sollte sich der Schnittpunkt der Linien intensiv orange oder feuerrot verfärben, so ist die Reaktion positiv abgelaufen. Sollte sich keine Reaktion zeigen, nennt sich dies eine negative Reaktion. (als Beispiel: Wiesenchampignon [negativ], Anischampignon (arvensis) [positiv]).

2) Die Arten


Der Wiesenchampignon (Agaricus campestris) wurde oben ja schon zigmal erwähnt. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine sog. Typusart, die in ihren Merkmalen eine typische Champignon-Art darstellt. Wem fällt auf die Frage "Kennst du einen Champignon?" nicht direkt der Name "Wiesenchampignon"? Seltener kommt die Antwort "Waldchampignon", oder Zuchtegerling. Der Karbolchampignon wird nur selten genannt. Die Merkmale des Wiesenchampignons sind die mittelgroßen Fruchtkörper mit einer max. Hutbreite von ca. 120 mm, der glatte, nur im Alter schwach eingewachsen schuppige, reinweiße Hut, die anfangs hellrosa, dann purpurfarbenen, freien Lamellen, der recht kurze (Beachte: Stiel übersteigt die Hutbreite nicht) Stiel mit dem vergänglichen Ring sowie das geruchlose (weder Anis noch Karbol) Fleisch, dass auch nach längerem Liegenlassen weder gilbt noch rötet.


Der Waldchampignon (Agaricus silvaticus) ist meines Wisseins die zweitbekannteste Art. Im gegensatz zum wiesen- und feldbewohnenden (ital. campo = Feld) Wiesenchampignon ist der Waldegerling oder -champignon nur innerhalb von Wäldern zu finden. Dabei scheint er nicht wählerisch zu sein, kann er doch im reinen Nadelwald ebenso wie auch am flussbegleitenden Erlenbruchwald auffindbar sein. Die Merkmale sind vor allem der mittelgroße Hut (max. 10 cm), der oberflächlich feinschuppig und hasel- bis kastanienbraun (auch graubraun) gefärbt ist, die typischen Lamellen (purpur, frei) sowie das doch recht starke röten des Fleisches (vor allem Stielrinde). Eine ähnliche Art ist Agaricus haemorrhoidarius (von lat. haemorrhoides und gr. haimorrhoídes "Blutfluss; Bezeichnend für das rötende ["blutende"] Fleisch), die aber wesentlich größere Fruchtkörper bilden kann (bis 200mm).

Der Anischampignon (Agaricus silvicola) ist ebenfalls gut bekannt, vor allem wegen seines duftenden (oder aufdringlichen, je nach Geschmack) Anisgeruchs und dem gilbenden Fleisch. Das gilbende Fleisch macht ihn aber verwechselbar, vor allem mit dem Karbolchampignon (Agaricus xanthoderma), der vor allem an der Stielbasis stark gilbt und unangenehm nach Tinte oder Karbol riecht (vor allem beim Kochen). Diese Art ist giftig, verursacht besonders Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen, wirkt also gastro-intestinal. Doch zurück zum Anischampignon. Man unterscheidet hier eigentlich ca. drei Arten: Agaricus silvicola, Agaricus essettei (früher abruptibulbus "schiefknollig") und Agaricus arvensis. Agaricus silvicola ist der Dünnfleischige Anis-Egerling, der vor allem durch mittelgroße Hüte mit glatter bis leicht schuppiger, weißlicher bis zentral gelblicher Oberfläche, gattungstypische Lamellen, durch den dünnen Stiel mit vergänglichem Ring und besonder durch den namensgebensen Anis-Geruch sowie durch das Gilben am ganzen Fruchtkörper, nicht aber intensiv an der Stielbasis gekennzeichnet ist.

Der Weinrötliche Zwerg-Egerling (Agaricus semotus) zählt zu den sog. Zwerg-Egerlingen oder -champignons. Die Gruppe heißt im mykologischen Fachchinesischen "Minores", also die "kleinen". Von diesen ist der hier beschriebene Pilz allerdings mit seinen mittelgroßen Hüten (bis 80 mm) der größte. Der Rest der Gruppe ist eher wenig bekannt und selten (außer Agaricus comtulus; Triften-Zwergchampignon). Die Merkmale des Agaricus semotus sind die eher kleinen Fruchtkörper mit der weinrötlichen Hutfarbe (die sich aber oft nur im Zentrum befindet, sogar ausbleiben kann!). Manchmal ist der Hut auch ockerlich bis gelbbraun gefärbt, zum Rand hin aber immer heller bis weißlich. Der Stiel ist oft recht lang, vergänglich beringt und basal knollig. Die Art hat einen zumindest schwachen, aber doch wahrnehmbaren Anisgeruch und gilbt schwach, vor allem nach längerem Liegenlassen. Sie erscheint im Herbst innerhalb von Wäldern, an Wegrändern, nach Beob. gerne auf dicken Laubschichten.

Der letzte ist der giftige, der Perlhuhnchampignon (Agaricus praeclaresquamosus). Mindestens 10 der ca. 60 mitteleuropäischen Arten sind als ungenießbar, manche sogar als giftig einzustufen. Man muss sich also nicht nur gattungsextern (wohl ein von mir eben erfundenes Wort :-)) vor Verwechslungen schützen, sondern auch gattungsintern. Der Perlhuhnchampignon ist zudem etwas variabel und kann dunkelgrau (wie im Bild) oder auch hellbraun gefärbt sein. Meine beobachteten Kennzeichen sind aber die lange konvexen (manchmal leicht trapezförmigen), später flach ausgebreiteten Hüte, die mehr als 150 mm Breite erreichen können, die feinschuppige, raue Oberfläche, die einem Perlhuhngefieder täuschend ähnlich sein kann, der gut ausgebildete Stielring, der im Alter als Sporenabfänger seine Arbeit macht (Stielring oft von herabfallenden Sporen dunkel gefärbt) sowie der aufdringliche, unangenehme Geruch und natürlich die kräftig chromgelb verfärbende Stielbasis (nach Verletzung). Diese Art wächt gerne an grasigen Waldrändern, aber auch in kleinen Waldstücken, bei Buchen ebenso wie bei Erlen oder Weiden.

3) Statistiken

Anzahl der Arten: mehr als 60
davon giftig: ca. 10
Einteilungen: Verfärbung des Fleisches, Schaeffer-Reaktion, Hutgröße, Geruch, Ring (deutlich oder vergänglich; aufsteigend oder absteigend) sowie Hutfarbe (weiß, gelblich oder braun bis graubraun).
Taxonomie: Basidiomycetes (Ständerpilze), Agaricales (Lamellenpilze), Agaricaceae (Champignonartige)

4) Worterklärungen

Agaricus = Gattung der Egerlinge
campestris = ital. campo "Feld"; lat. campus "Feld".
silvicola = waldliebend, waldbevorzugend
silvaticus = in Wäldern vorkommend
xanthoderma = gelbhäutig; xantho "gelb"; derma "Haut"
Champignon = aus fr.champignon "essbarer Pilz" (!), dies aus afr. champegnuel "der auf dem Feld wachsende" (!!)

5) Schluss

Dies soll ein kleiner Einblick in evtl. folgende "Gattungsbeschreibungen" sein. Natürlich kann man hier nur gattungstypische Arten beschreiben und abbilden. Wenns euch so gefällt und wenns nicht ZU Hintermongolisch ist, dann kann ich dies auch gerne fortsetzen. Ansonsten werde ich wie gewohnt die Beiträge "kurz" und natürlich in Hintermongolisch formulieren *ggg*.

Beste Grüße,
Kazuya

Beiträge in diesem Thread

Champignon-Sucht?, von Kazuya -- Notizbrettbildservice -- 21. September 2003, 19:54 Uhr
Phantastischer Beitrag, Danke! *oT* -- Rainer -- 22. September 2003, 10:10 Uhr
wird fortgsetzt... -- Kazuya -- 23. September 2003, 15:53 Uhr
Re: Champignon-Sucht?, von Kazuya -- Lexi -- 22. September 2003, 16:03 Uhr
2 Rückfragen -- pilzmel -- 22. September 2003, 18:45 Uhr

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