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Pilze Pilze Forum Archiv 2003

Viele kleine Helmlinge, von Kazuya

Geschrieben von: Notizbrettbildservice
Datum: 9. Oktober 2003, 14:06 Uhr


hallo,

1) wie ich sehe, gefallen euch die Beiträge. Vielleicht erscheinen sie zukünftig auch an anderen Stellen der Seite, damit man sie jederzeit heranziehen kann, wenn man gerade Infos über bestimmte Pilzgruppen/-Gattungen haben möchte. Wie erwähnt, zeige ich auch gerne kleinere, wenig bekannte oder leicht übersehbare (oder besser: nicht gesuchte) Pilzarten in den Vordergrund. Ich beschäftige mich also mit sämtlichen, wenn nicht gar allen (!) Pilzgruppen, wobei ich vor allem Ascomyzeten und diverse Lamellenpilzgattungen einfach interessant finde. Das möchte ich hier natürlich auch zum Ausdruck bringen, indem ich diese Gruppen ausführlich und möglichst verständlich (kein Hintermongolisch oder wie auch immer ;-) darstelle. Darum werde ich mich auch zukünftig bemühen, auch wenns nicht immer so allverständlich ist, wenn man in die "Fachmykologie" eingreift.

2) Die Arten

Der Rosafarbene oder Rosa-Rettichhelmling (Mycena rosea) steht nahe beim "normalen", violett gefärbten Rettichhelmling (Mycena pura). Beide Arten haben viele Gemeinsamkeiten, so sind sie auch beie giftig, sie enthalten das Nervengift Muscarin. Die Menge dieses Giftstoffes ist im Rosafarbenen Rettichhelmling etwas höher als beim violetthütigen Verwandten. Trotzdem gilt der Rosa-Rettichhelmling nicht als tödlich, sondern lediglich als "schwach giftig". Dies bedeutet, dass der Pilz nach Genuß eher schwache Vergiftungen hervorruft, die teils schnell wieder abklingen können. Der Rosafarbene Rettichhelmling wird etwas größer als sein Verwandter. Das trennende Merkmal ist natürlich die Hutfarbe: Sie ist hell- bis intensiv rosa. Manschmal kann die Hutfarbe aber auch stark verblassen, so dass man Fruchtkörper mit weißen oder weißlichen Hüten vorfindet. Die Hutbreite geht oft über 50 mm, während sie beim Rettichhelmling meist darunter bleibt. Der rettichartige Geruch ist bei beiden Arten deutlich ausgeprägt. Sie bevorzugen auch in etwa die gleichen Standorte. Den Rettichhelmling konnte ich jedoch öfters in Gebüschen, unter Farnen, bei Brennnesselbeständen oder an Wegrändern nachweisen, wo hingegen der Rosafarbene Rettichhelmling oftmals mitten im Wald auf dicker Laubstreu (Buchenwald) ein Massenpilz war. Es gibt also gewisse Standortansprüche, auch wenn diese nicht ganz so verschieden sind. Die Erscheinungszeit ist meines Wissens aber die gleiche.
Rosafarbener Rettichhelmling - MYCENA ROSEA

weiße Form des Rosafarbenen Rettichhelmlings

Der Kleine Bluthelmling (Mycena sanguinolenta) zählt aufgrund seiner geringen Hutbreite zu den kleineren Helmlingen. Die Oberfläche des anfangs glockigen, später breitkegeligen Hutes ist glatt und graurosa bis weinrot. Gegen das Zentrum ist der kleine Hut meist dunkler gefärbt, während der Rand heller und deutlich bis fast zur Mitte gerieft ist. Die Lamellen sind hellrosafarben bis rosaweißlich und schmal aufsteigend angeheftet. Die Schneide spielt bei der Bestimmung eine wichtige Rolle. Sie ist besonders unter der Lupe auffallend rosarot gefärbt. Der zylindrische Stiel ist recht zerbrechlich und scheidet bei Verletzung einen blut- bis weinroten Saft aus. Dies zeigt die nahe Verwandtschaft zum Großen Bluthelmling (Mycena haematopus), der sich vor allem durch Größer der Fruchtkörper wie auch durch den zackigen Hutrand unterscheidet. Die Art ist relativ häufig und ab August in Laub- und Nadelwäldern nachzuweisen. Sie wächst bevorzugt auf abgestorbenen, feuchtliegenden Ästchen und faulenden Pflanzenresten (z.B. Rindenstücke). Eine verblüffende Ähnlichkeit hat der Haarstielige Helmling (Mycena capillaripes). Dieser scheidet nach Verletzung jedoch keinen roten Saft aus und bevorzugt zudem Nadelholzzweige (vor allem Fichte).
Kleiner Bluthelmling - MYCENA SANGUINOLENTA

Ein ganz kleiner Helmling ist der Bogenblättrige Helmling (Mycena speira). Diese Art zählt natürlich zu den kleinen Helmlingsarten, da sein Hut kaum größer als 15 mm wird. Der Hut ist anfangs konvex und später flach ausgebreitet. Die Farbe des Hutes kann zwischen grauweißlich und graubraun variieren. Die Lamellen sind weißlich und laufen am Stiel bogenartig herab (Name). Der zylindrische Stiel ist sehr zerbrechlich und ziemlich dünn, kann aber bis 60 mm lang werden. DIe Oberfläche des Stiels ist fein bereift und weißlich, teils sogar etwas hyalin. Die Art kommt auf fast allen Pflanzenresten vor. So kann man sie auf Rindenstücken oder auch auf kleinen Ästechen vorfinden. Die Fruchtkörper auf dem Bild wuchsen auf der Rinde eines in einen Bach gestürzten Baumstammes. Die Art scheint also feuchte Standorte zu bevorzugen (dies wird auch in BK 3 erwähnt). Der Bogenblättrige Helmling ist in seinem Habitus mit den herablaufenden Lamellen kaum zu verwechseln, wirkt für den Nichtspezialisten aber oft etwas unscheinbar (lässt sich anfangs keiner Gattung zuordnen). Er scheint in den bevorzugten Gebieten relativ häufig zu sein.
Bogenblättriger Helmling - MYCENA SPEIRA

Ähnlich der vorherigen Art ist der Postament-Helmling (Mycena stylobates). Er gehört ebenfalls zu den kleinen Helmlingsarten, unterscheidet sich vom Bogenblättrigen Helmling aber vor allem durch andere Fruchtkörperfarben. Diese sind nämlich überall weiß bis weißlich. Der Hut wird kaum mehr als 20 mm breit und ist anfangs glockig bis breitkegelig, später ausgebreitet. Am Rand lässt sich eine leichte Riefung erkennen. Die Lamellen sind weiß und schmal angeheftet. Der zylindrische Stiel trägt unverwechswelbare Merkmale: Er weist basal eine kleine Scheibe auf, die mit dem Substrat verbunden ist. Beim genauen Hinschauen weist diese Scheibe innen eine Riefung auf, während sie außen feinfilzig ist. Dieser Filz hebt sich als weißer Rand deutlich ab. Der Stiel selbst kann recht lang werden und ist fein bereift bis glatt und grauweißlich bis weiß, teils auch hyalin. Der Postament-Helmling kommt gerne auf faulenden Pflanzenresten vor, so ist er recht häufig auf Nadelstreu und in der Laubschicht anzutreffen. Die kleine Scheibe an der Stielbasis kann man auch an anderen Helmlingsarten feststellen (z.B. Knolliger Binsen-Helmling [Mycena bulbosa]).
Postament-Helmling - MYCENA STYLOBATES

Etwas größer, aber trotzdem zu den kleinen Helmlingen zählend: der Klebrige Helmling (Mycena vulgaris). Er wurde schon im letzten Beitrag erwähnt, und zwar beim Scleimfuß-Helmling (Mycena rorida). In der Tat hat der Klebrige Helmling mit diesem ein gemeinsames Merkmal: Der schmierige, schlüpfrige Stiel. Der Hut des Klebrigen Helmlings wird gerade mal kaum mehr als 20 mm breit und ist auffällig blaugrau bis dunkelgrau gefärbt. Die Oberfläche ist etwas schmierig, aber nicht sonderbar klebrig. Der Rand ist deutlich, teils fast rillig gerieft. Die Lamellen sind weiß bis grauweißlich und gerade angewachsen. Der zylindrische Stiel bleibt beim "Pflücken" des Fruchtkörpers am Finger hängen. Das ist nicht gerade praktisch, wenn man den Fruchtkörper so hinlegen möchte, dass er sich in einer Ebene mit den anderen Fruchtkörpern befindet. Außerdem sollte man am Foto auch die Lamellen deutlich sehen können. Der graue Stiel ist also von einer relativ klebrigen Schicht umgeben, die sich teilsweise ablösen oder besser, abziehen lässt. Die Art ist vor allem in Fichtenwäldern auf Nadelstreu recht häufig und meist rasig anzutreffen. Sie erscheint ab September.
Klebriger Helmling - MYCENA VULGARIS

Einen möchte ich nachträglich noch präsentieren: Den Orangemilchenden Helmling (Mycena crocata). In den Beiträgen wurden bisher nur rotmilchende Arten erwähnt, es gibt jedoch auch noch weiß- und orangemilchende Arten. Soweit ich weiß, ist die hier beschriebene Art die einzige mit orangem "Saft". Der ganze Pilz sieht anfangs unscheinbar aus, man rechnet nicht mit dieser Art, weil es viele ähnliche Helmlinge gibt, die in Frage kämen, wenn der orange Saft nicht als Merkmal herangezogen wird. Außerdem sieht man im Herbst soviele Helmlinge rumstehen, dass man sich einzelne nicht mehr anschaut. Der Hut wird etwa 30 mm breit und ist orangebraun bis haselbraun gefärbt. Der Rand ist leicht, aber deutlich gerieft. Die Lamellen sind weiß und +/- gerade angewachsen. Nach dem Umdrehen der Fruchtkörper fallen normalerweise sofort orangegelbe Flecken auf den Lamellen auf. In diesem Fall ist die Art unverwechselbar. Nach dem Überbrechen des zylindrischen, basal weißfilzigen Stieles tritt sofort orangefarbener (nicht gelborange!) Saft aus. Der Stiel ist orangebraun bis aprikosenfarben und auf ganzer Länge fein bereift bis glatt. Die Art bevorzugt feuchte Wälder und ist vor allem auf diversen, abgestorbenen Pflanzenresten zu finden, meist auf kleinen Holzstücken. Sie erscheint ab September und dürfte bei genauem Hinschauen gut verbreitet sein (2002 habe ich den Orangemilchenden Helmling nicht nachweisen können).
Orangemilchender Helmling - MYCENA CROCATA

3) Worterläuterungen

rosea = rosafarben, rosarot gefärbt

pura = purpurfarben, violett gefärbt

sanguinolenta = lat. sanguineus "aus Blut bestehend, blutvoll"; von lat. sanguis "Blut". Beim Bluthelmling bezeichnung für den blutfarbenen, nach Verletzung austretenden "Saft".

BK3 = Breitenbach & Kränzlin, Band 3 "Röhrlinge und Lamellenpilze"

Postament = von ital. postare "hinstellen"; Unterbau, Sockel einer Säule oder einer Statue

vulgaris = aus lat. vulgaris "allgemein, gewöhnlich, gemein", dies auch zu vulgus "Menge, gemeines Volk". Den Klebrigen Helmling könnte man also auch mit der Bezeichnung "Gemeiner Helmling" übersetzen.

4) Statistiken

Artenzahl = über 100, die meisten bilden kleine Fruchtkörper
Standorte = Holz, Erde, Blätter, Stängel (Binsen u.a.), Rindenstücke, Nadelstreu
wichtige Bestimmungsmerkmale = milchend oder nicht, Hutgröße, Lamellenansatz, Lamellenschneide, evtl. Stieloberfläche, Standort
Taxonomie = Basidiomycetes (Ständerpilze) - Agaricales (Lamellenpilze) - Tricholomataceae (Ritterlingsartige) - MYCENA (Helmlinge)

5) nicht erwähnte Arten:

Rotschneidiger Helmling (Mycena rubromarginata) - mangelnde Bildqualität
Aschgrauer Helmling (Mycena cinerella) - etwas unsicherere Bestimmung
Weißmilchender Helmling (Mycena galopus) - mangelnde Bildqualität

6) So jetzt ist aber endgültig Schluß :-)), der nächste lange Beitrag wird über die Schwindlinge (Marasmius) erzählen, von denen ich 11 Arten vorstellen würde (inkl. Marasmiellus).

Bis dahin...

Beste Grüße,
Kazuya

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