Hallo Joachim,

: was machst man wenn ein Ratsuchender in die Pilzberatung kommt und einen
: Fliegenpilz vorlegt? Sagt man dann "der ist gar nicht so schlimm und
: wegen dem bisschen Muskarin soll man nicht so ein Gedöns machen"

Nun, da es in München genug langjährige Pilzberater gibt, mache ich das nur im privaten Umfeld - zumindest momentan. Aber - nein, in der Pilzberatung würde ich in der Wortwahl sicher sehr vorsichtig sein. Nur - ich kann mich nicht damit anfreunden, bei einer "Fachdiskussion" - wie wir sie hier ja führen, den Pilz irgendwo in die Nähe von "tödlich giftig" zu rücken. Da ergibt sich für mich ein Problem mit der "Wahrhaftigkeit" oder dem, was ich glaube, als richtig erkannt zu haben. In der Pilzberatung kommt es natürlich auch wiederum drauf an, ob mir den Pilz jemand zum normalen Verspeisen oder als Rauschfreak oder als Objekt für weiterführende Fragen vorlegt.

In den ersten 2 Fällen wäre ich extrem vorsichtig, würde den Pilz als "giftig" insofern bezeichnen, als ich alle bekannten Wirkungen auch so erklären würde und ich würde ernsthaft von jeglichem Konsum abraten bzw. den Pilz auch nicht durch die Kontrolle lassen. Was der "User" natürlich macht, wenn ich die Tür hinter ihm schließe, kann ich sicherlich nicht weiter beeinflussen.

Im 3. Fall, wenn ein interessierter Pilzsucher, der größeres eigenes Wissen erkennen läßt, mich zu meiner Meinung zum Thema fragt, würde ich in etwa so antworten, wie hier. Trotzdem würde ich schon aus juristischen Gründen so einen Pilz nie durch die Beratung durchgehen lassen - abgesehen davon, daß ich es auch sicherlich selbst nicht für sehr empfehlenswert halte, damit Selbstversuche zu machen.

Alles was ich mit meinem Beitrag ausdrücken wollte, ist, daß die kurze, knappe Info "Fliegenpilz = tödlich giftig" wie in vielen Pilzbüchern und Köpfen vorhanden, nicht mein Ding ist. Ähnlich differenzierte Meinungen vertrete ich auch in Bezug auf andere Pilze - z.B. Kahler Krempling, Grünling usw.

Aber sicherlich würde ich solche Pilze nicht in der Pilzberatung freigeben.

: Muscarin ist übrigens nicht das wirksame Gift, vielmehr sind es die Derivate
: des Isoxazols (Ibotensäure und Muscimol).

Das ist mir schon bekannt - aber bei den "anderen Giften" handelt es sich primär um die psychoaktiven Stoffe (z.B. Ibotensäure, Muscimol und Muscazon) oder lediglich um Spuren. Ob man die nun als klassische Gifte bezeichnen will ist jedem selbst überlassen - nur müßte man dann viele gesellschaftlich akzeptierte Suchtgifte auch ganz anders darstellen. Auch viele Lebensmittelzusatzstoffe, Farbstoffe und dgl. könnte man bei derart enger Betrachtungsweise durchaus als Gifte betrachten.

: Abenteuerlich finde ich den Vergleich mit dem Wasser, natürlich ist auch mir
: bekannt das Gift übersetzt Gabe heißt, so gesehen ist alles Giftig.

Ich halte es halt so, daß ich nicht unbedingt unsere moralisch, soziologisch, religiös und durch momentan gültige Gesetze geprägten Wissenschaftsaussagen als der Weisheit letzten Schluß betrachte. Deswegen halte ich ein Hinterfragen von "Zack-Basta-Argumenten" immer für ratsam, insbesondere wenn man sich jenseits des reinen Hobby-Speisepilzsammlerhorizonts mal ernsthaft unterhält - und das tun wir ja hier wohl.

Ich akzeptiere sicherlich auch Deine Meinung, aber im Rahmen der Diskussion will ich halt auch meine vertreten - die vielleicht nicht dem entspricht, was vielerorts verkürzt gelehrt oder in Pilzbüchern gedruckt wird.

Mit pilzigen Grüßen,

Werner