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Pilze Pilze Forum Archiv 2003

Die Gattung Tintling (Coprinus)

Geschrieben von: Kazuya
Datum: 13. November 2003, 19:09 Uhr


Hallihallo,

in diesem und weiteren, noch folgenden Beiträgen soll die Gattung Tintling (Coprinus) besprochen und einige häufige oder bekannte Arten abgebildet und beschrieben werden.

1) Die Gattung

Die Gattung der Tintlinge (Coprinus) ist recht gut bekannt. Durch ihre Eigenschaft, bei Sporenreife in eine tintenähnliche Masse zu zerfließen, sind sie unverwechselbar. Doch nicht alle besitzen ein solch kennzeichnendes Merkmal. Arten wie der Gesäte Tintling (Coprinus disseminatus) oder Arten aus der Gruppe der Scheibchentintlinge (Coprinus plicatilis u.ä.) zerfließen überhaupt nicht. Ein typischer Tintling kennzeichnet sich auch durch seine Dünnfleischigkeit. Die Fruchtkörper sind recht zart und zerbrechlich, wodurch sie in Verwandtschaft mit den Zärtlingen (Psathyrella) stehen. Auf Grund neuerer Forschungen sollen bestimmte Tintlingsarten jedoch mit den Champignons verwandt sein, weshalb sie in naher Zukunft irgendwann dort wiederzufinden sind, dann in einer neuen Gattung. Dies alles hängt mit der DNA-Forschung der Pilze zusammen. Die DNA des Schopftintlings (Coprinus comatus) und einiger anderer Arten (darunter auch Ringtlintling [C. sterquilinus]) soll sich von der anderer Tintlinge deutlich unterscheiden und somit besser zu den Champignonsähnlichen (Agaricaceae) passen. Wie sich das in Zukunft zusammensetzen wird, ist noch nicht ganz abgeklärt. Es sind auch neue Gattungen wie Pselliophora, Parasola oder Coprinopsis ins Gespräch gekommen, wobei die meisten Tintlinge fortan unter den Zärtlingsähnlichen (Psathyrellaceae) geführt werden sollen. Die Systematik ist und bleibt ein Durcheinander, und durch die Entwicklung der DNA-Forschung kann und wird es für einen „normalen“ Pilzexperten nicht mehr nachvollziehbar sein.

Aber ist das nicht der Fortschritt? Hat das Mikroskop die Pilzwelt nicht auch revolutioniert? Vor der Erfindung des Mikroskops (=> Siehe Worterläuterung) hatte man nur nach makroskopischen Merkmalen bestimmen können. Danach tauchte man in eine Welt ein, die für die meisten Pilzinteressierten nicht mehr verfügbar war. Nun trennte man viele Arten nach mikroskopischen Merkmalen, die wiederum relativ einfach zu trennen waren. Mit der Zeit wurde eine mikroskopische Unterscheidung kompliziert, und nun hat man neue Methoden gefunden, Familienzusammenhänge und Verwandtschaften innerhalb der Pilzflora zu erklären und in ein System zu ordnen, dass die Pilzwelt erneut revolutionieren wird. Die Gattung Coprinus ist nur der Anfang davon...

Doch bleiben wir beim eigentlichen Thema. Der Hut eines Tintlings kann ziemlich unterschiedlich geformt sein, meistens abhängig vom jeweiligen Alter des Fruchtkörpers. Im jungen Zustand bilden viele Arten walzenförmige (siehe Schopftintling [C. comatus]) oder kegelige bis glockige Hüte. Diese können oftmals höher als breit sein. Die Hutbreite befindet sich meist zwischen 2 – 5 mm und 30 – 60 mm. Die meisten der winzigen Tintlinge finden sich auf Erde oder Kot diverser Tiere wieder (z.B. Dungtintling [C. stercorarius]). Einige mittelgroße bis große Arten lassen sich auch an totem Holz feststellen. Die Hutoberfläche kann verschiedene Merkmale aufweisen, die nicht selten ausschlaggebend für die Bestimmung sind. So kann der Hut glatt, gerieft, streifig gerieft oder glimmerig sein oder eine „Scheibe“ aufweisen. Relativ stark und bis zur Mitte streifig gerieft sind die Arten um den Gemeinen Scheibchentintling (C. plicatilis u.a.). Hier scheinen auf Grund der Dünnfleischigkeit des Hutes die Lamellen durch. Die Lamellen selbst sind anfangs meist weißlich bis creme, grauweißlich oder auch mit leichtem Rosahauch. Später erscheinen vom Rand her zunehmend schwarze Töne, die sich rasch ausbreiten (=> Sporenreife). Im Alter zerfließen die Lamellen und oft der ganze Hut zu einem schwarzen, tintenähnlichen Brei, der früher als Tintenersatz benutzt wurde. Einige wenige, bereits oben erwähnte Arten zerfließen nicht, sondern färben sich lediglich dunkelgrau bis schwarzgrau, wobei dies nur die Lamellen oder evtl. auch den Hut betrifft. Der Lamellenansatz kann fast frei bis aufsteigend angewachsen sein. Der meist zylindrische, basal bisweilen etwas knollige Stiel ist meist unberingt, kann aber auch einen vergänglichen Ring (siehe Ringtintlinge [C. comatus u.a.]) aufweisen. Dies muss als Bestimmungsmerkmal unbedingt festgehalten werden. Im Übrigen sind die meisten Stiele weißlich bis grauweißlich und glatt sowie zerbrechlich und röhrig hohl.

Der Speisewert vieler Tintlinge ist ziemlich gering. Generell sind alle Tintlinge mit Ausnahme des wohlschmeckenden Schopftintlings ungenießbar. Wer sich aber etwas besonders ausgefallenes zubreiten möchte, der kann auch Graue Faltentintlinge (C. atramentarius) und Glimmertintlinge (C. micaceus) mit in den Korb nehmen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese beiden Arten in Verbindung mit alkoholischen Getränken giftig wirken (=> Antabuswirkung). Das gilt 24 Stunden vor und nach der Mahlzeit. Die Fruchtkörper verhindern bei Genuss den Abbau von Alkohol, weshalb es zu einer Alkoholvergiftung kommen kann (anhängig von der Menge des konsumierten Alkohols). Das in den Fruchtkörpern enthaltene „Gift“ nennt sich Coprin. Ob dieser Giftstoff auch im Schopftintling vorkommt, ist fraglich und nicht ganz auszuschließen. Bei den drei genannten, essbaren Tintlingen sollte man immer junge, noch unreife Fruchtkörper nehmen, die noch keinen Schwarz- oder Rosaton in den Lamellen haben. Die meisten anderen Tintlinge schmecken entwerde fad oder sind zu klein für den Kochtopf.

2) Die Arten

Ein Brandstellenbewohner unter den Tintlingen ist der Kohlentintling (Coprinus angulatus). Der anfangs glockige bis fast walzenförmige Hut wird bis ca. 20 mm breit und 30 (35) mm hoch. Später breitet sich der Hut aus und zerfließt zu einer schwarzen, tintenähnlichen Masse. Oberflächlich ist der Hut anfangs rotbraun, später mehr grau- bis schwarzbraun gefärbt und fast bis zur etwas dunkleren Mitte streifig gerieft. Jung ist die Oberfläche fein flaumig bis kleiig überzogen, später aber verkahlend. Die Lamellen sind anfangs grauweißlich und später zunehmend schwarzgrau bis schwarz und fast frei. Der zylindrische Stiel ist oft recht kurz und auf ganzer Länge weißlich. Die Oberfläche des zerbrechlichen Stieles ist fein körnig bis faserig. Der Kohlentintling erscheint seinem Namen entsprechend auf verkohltem Holz und auf Brandstellen. Der rotbraune Hut, die recht kleinen Fruchtkörper und der typische Standort sind ausschlaggebende Merkmale, die eine Bestimmung bereits im Felde erlauben.
Kohlentintling – COPRINUS ANGULATUS Peck

Eine sehr bekannte Art ist der Faltentintling (Coprinus atramentarius). Sein Hut ist anfangs walzen- bis eiförmig und breitet sich mit zunehmender Reife der Fruchtkörper glockig bis kegelig aus. Er wird bis 60 mm breit und bis ca. 50 (65) mm hoch. Oberflächlich ist der Hut maus- bis bleigrau und von der Mitte her schwach braunschuppig. Typisch ist die furchige Riefung, die fast bis zur Mitte reicht. Der Rand ist anfangs fein weißlich behangen, später stellenweise radialrissig und aufgebogen. Die Lamellen sind jung weißlich bis grauweißlich, dann vom Rand her zunehmend rosa- bis schwarzgrau und schmal am Stiel angeheftet. Der zylindrische, mit einer knotigen Ringzone versehene Stiel ist weißlich und fein faserig bis feinschuppig. Der Faltentintling kommt vor allem an feuchten Stellen inner- und außerhalb von Wäldern vor. Häufig findet man ihn an grasigen Stellen auf Radenflächen und an Wegrändern. Die Art soll mit vergrabenem Holz in Verbindung stehen. Eine dem Faltentintling sehr ähnliche Art ist der Große Rausportintling (C. alopecia). Diese Art erreicht vergleichbare Hutmaße, wobei der Hut schneller ausgebreitet glockig wird als bei C. atramentarius. Dieser weist zudem von der kahlen Mitte her mehr Brauntöne auf (vgl. schuppige Mitte bei C. atramentarius). Die Oberfläche ist stärker furchig und etwas glimmerig. Der Stiel ist etwas länger und oberflächlich fein faserig genattert (siehe Bild). C. alopecia erscheint oftmals zu wenigen oder gar einzeln, während der Faltentintling meist rasig oder sogar büschelig wächst. Der Große Rausportintling ist ein Bewohner feuchter Laubwälder und wächst besonders gerne an der Stammbasis älterer Eichen. Mikroskopisch wären die warzigen Sporen ausschlaggebend für eine korrekte Bestimmung.
Faltentintling – COPRINUS ATRAMENTARIUS (Bull.: Fr.) Fr.

Großer Rausportintling – COPRINUS (CF.) ALOPECIA Lasch

3) Worterläuterung

disseminatus = wie gesät erscheinend, rasig wachsend

DNA = Desoxyribonukleinsäure, Träger der genetischen Information

Mikroskop = Die Erfindung des Mikroskops basiert auf die Entdeckung der Vergrößerung zweier, hintereinanderliegenden Linsen. 1609 hatte ein Niederländer (ich weiß jetzt den Namen nicht mehr so genau J) durch zwei gewölbte Linsen geschaut und festgestellt, dass der von ihm entfernt stehende Leuchtturm plötzlich vergrößert sichtbar war. Das führte zur Erfindung der Brille, des Mikroskops und auch des Teleskops, was einen gewaltigen Fortschritt mit sich brachte, sowohl in der Astronomie (durch Galilei Entdeckung von Callisto, Europa, Ganymed und Io= die vier größten Jupitermonde) als auch in der Biologie (=> Zelltheorie!).

Scheibe= oft andersfarbige, glatte Hutmitte. Besonders deutlich sieht man die Scheibe bei den Scheibchentintlingen (C. plicatilis u.a.).

4) Statistiken

Artenzahl = ca. 100
Davon essbar = 1 (3)
Davon giftig = 0 (einige jedoch mit Alkohol giftig)
Typusart = Schopftintling (Coprinus comatus) Muell.: Fr
Verbreitete Arten = C. atramentarius, C. cinereus, C. comatus, C. disseminatus, C. lagopus, C. micaceus, C. picaceus, C. plicatilis
Kennzeichen = typisch zarte, mittelgroße bis winzige Fruchtkörper, deren Lamellen nach kurzer Lagerung (oder im Alter) zu einer tintenartigen Masse zerfließen. Die Arten mit nicht zerfließenden Lamellen weisen eine meist stark radialstreifige Hutoberfläche auf. Tintlinge sind vor allem an grasigen Stellen, an Holz oder auf Misthaufen bzw. dunggetränkten Stellen zu finden. Mit Ausnahme einiger teils größerer Arten sind die Stiele unberingt.
Systematik = Basidiomycetes (Ständerpilze) – Agaricales (Lamellenpilze) – Coprinaceae (Tintlingsartige)

Die Angaben über die „Verbreiteten Arten“ beziehen sich auf die Verbreitung der Arten in meiner Umgebung, d.h. in der Nordeifel. Die Verbreitungsangaben sind in der Lit. z.T. widersprüchlich, weshalb ich mich auf eigene Erfahrungen stütze. Erwähnt werden IMMER nur die Arten, die ich mindestens einmal in den drei vergangenen Jahren gefunden habe.
Beispiel: C. picaceus (2001 [1]; 2002 [2]; 2003 [2]), aufgeführt
Beispiel: C. angulatus (2001 [0]; 2002 [0]; 2003 [1]), deshalb nicht aufgeführt

6) Fortsetzung folgt...

Beste Grüße,
Kazuya

Beiträge in diesem Thread

Die Gattung Tintling (Coprinus) -- Kazuya -- 13. November 2003, 19:09 Uhr
Re: Die Gattung Tintling (Coprinus) -- Pilztom -- 13. November 2003, 23:54 Uhr
Wie immer sehr gut und detailliert -- Thomas Pruß -- 14. November 2003, 09:25 Uhr
Dacht ichs doch: Leeuwenhoek -- Kazuya -- 15. November 2003, 11:33 Uhr
Vorsicht, Thomas :-) -- Kazuya -- 15. November 2003, 11:38 Uhr
Mikroskop -- Pilztom -- 15. November 2003, 13:41 Uhr
Re: Mikroskop/ Nachtrag -- Pilztom -- 15. November 2003, 14:15 Uhr

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