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Re: Pilznachmittag, v. Harald-Andres

Geschrieben von: Gerald
Datum: 25. Mai 2004, 22:21 Uhr

Antwort auf: Pilznachmittag, v. Harald-Andres (Notizbrettbildservice)

: Hallo, zusammen,
: Der heutige Sommertag war verlockend.
: Ich bin seinen Verlockungen erlegen.
: Aber immerhin sollte man ja seine Pilzplätzchen regelmässig aufsuchen – na
: also…
: Ich packe am frühen Nachmittag die brave Coolpix, verschiedene Behältnisse,
: Zeckenspray, Windjacke und frohe Erwartung und steige hinan Richtung
: Baldegg.
: Heiss! Die Sonne tut ihr bestes. Ich komme ganz schön ins Schnaufen und biege
: als erstes rechts zu den Riesenschirmlingen ab.
: Die wachsen am anstrengendsten Steilhang versteckt und haben sich mit
: diversen Unterholzbarrieren und Lothar-Baumleichen gut gegen Eindringlinge
: abgeschirmt.
: Wie ich ankomme, bin ich nassgeschwitzt.
: Der Empfang am Pilzplätzchen ist freundlich, aber zurückhaltend.
: Ich sei schon lange nicht mehr dagewesen…
: Ich nicke beschämt. Schliesslich hat man zu seinen Pilzplätzen eine
: Beziehung, und Beziehungen sollte man bekanntlich pflegen.
: Nein, die Damen und Herren Schirmlinge seien noch nicht aufgetaucht, aber man
: sage gerne einen Gruss von mir, wenn es soweit sei.
: Ich empfehle mich und steige die zwanzig Meter zu den Maipilzen auf.
: Hier ist der Empfang einiges herzlicher, der letzte Kontakt ist kaum zehn
: Tage her.
: Die letzten Überlebenden ihrer Art stehen tapfer im Hexenring und zeigen alle
: Anzeichen der Vergänglichkeit. Dunkelbraun und etwas unsansehnlich sind
: sie geworden, halten sich auf den madenschwachen Stielen mühsam, aber
: zuversichtlich aufrecht.
: Ich verzichte aus Pietätsgründen auf das Zücken der Coolpix und wünsche einen
: schönen Nachmittag.
: Ich gelange auf den Weg und sehe im Eingang des verlassenen Fuchsbaus nach
: den grünen Schwefelköpfen. Die sind den Weg alles Vergänglichen gegangen.
: Letzte Woche war noch ein üppiges Büschel da.
: Weiter vorne die stramm-militärisch organisierte Truppe der Faltentintlinge-
: weg…
: Ich gehe ein Stückchen weiter und biege links in den Österliwald ein.
: Wie überschwänglich üppig und krautig alles geworden ist!
: Der Sommer ist voll selbstbewusst im Saft und lebt es demonstrativ und
: ungeniert aus.
: Das Licht ist heller und schärfer geworden seit letzter Woche.
: Es fällt schneidend und klar zwischen den Baumstämmen durch und lässt die
: Spitzen der Gräser gleissen.
: Der Sommer hockt bereits heiss und wohlig und spinnwebig auf den grasigen
: Lichtungen und lässt das Gemück summend darüber tanzen.
: Sogar die Fichtenschonungen sind nur noch zum Scheine düster. Das Licht malt
: scharfe Muster auf den Boden. Ich streife gebückt hindurch, die scharfen
: Zweige pfeifen auf meiner Jacke.
: Keine Spur von Pilz hier.
: Ich schwitze, binde die Jacke um die Hüfte. Es juckt überall. Schwärme von
: Mücken im Gegenlicht.
: Weiter vorne – endlich – die Sommersteinpilzstelle.
: Ich verlangsame den Schritt und strebe gemächlich in Richtung der weit
: auseinander stehenden Baumriesen mit den moosigen Füssen.
: Was soll das? An vielen Stellen ist die alte Laubschicht vom letzten Jahr
: aufgewühlt.
: Kein Pilz weit und breit. Ich bin verstimmt. Was soll das Gewühle? Dies ist
: mein Platz!
: Immerhin – wer kommt hier das ganze Jahr immer wieder vorbei, pflegt den
: Kontakt zur Pilzstelle, redet mit den Bäumen, ist mit jedem vermoderten
: Strunk auf Du und Du?
: Ich streune verstimmt herum. Nichts.
: Nein, die Damen und Herren Steinpilze seien noch nicht dagewesen, höre ich
: endlich.
: Die Schnecken hätten auch schon danach gefragt.
: Beleidigt ziehe ich ab.
: Weiter vorne ist die Stelle mit den vielen Täublingen.
: Ich gehe etwas in die Hocke, summe vor mich hin und schaue.
: Mir wird zusehends wohlig. Der Ärger von vorhin ist vergessen.
: Der Vorteil im Frühling ist, dass man ohne Erfolgsdruck wie im Herbst,
: beschaulich seine Plätzchen aufsuchen und die Gedanken schweifen lassen
: kann.
: Kein Täubling weit und breit.
: Ich gehe die Kehre zum Martinsberg-Känzeli ab und biege dann links zum Teich
: ein.
: Hier stehen die Scheidenstreiflinge. Hier ständen sie. Der Teich spürt den
: Sommer und gluckst mit warm in der Sonne glitzerndem Wasser und summt und
: gebiert und riecht, dass es eine Freude ist.
: Er misst kaum zehn Meter.
: Trotzdem soll in seinen Untiefen ja ein Ungeheuer wohnen.
: Ich habe versucht es zu fotografieren:

: Vielleicht könnt ihr es sehen.
: Ich steige weiter Richtung Baldegg und sehe nach den Weisstäublingen. Nichts.
: Weiter rechts stehen im Herbst die Hexenringe mit den Nebelkappen und den
: Nackten Ritterlingen.
: Ich biege nach links auf meinen Lieblingsweg ein.
: Er ist unglaublich schön.
: Er empfängt mich mit verschwenderischer Gegenlicht-Stimmung, fliegenden
: Spinnwebfäden darin und tanzenden Mücken: Weg.jpg

: Leider sind die Spinnweben und Mücken nicht auf dem Bild. Die müsst ihr euch
: dazudenken.
: Hier stehen immer Milchlinge, Täublinge, und die Böschung links hinunter
: Knollenblätterpilze, rechts hinunter Rotkappen.
: Nichts zu finden heute.
: Der Weg ist vermutlich verwunschen.
: Ich habe in den vielen Jahren hier noch nie einen Menschen getroffen.
: Wer hat aber dann den Weg getreten?
: Vielleicht stammt er aus vorgeschichtlicher Zeit.
: Vielleicht ist er nur für 1.92 m grosse, verrückte Klavierspieler zugänglich.
: Oder nur Nachmittags genau um halb Vier offen.
: Ich weiss es nicht.
: Ich genehmige mir auf der Liegewise der Baldegg ein grosses Bier, stürze es
: in den Durst hinein in den erhitzten Körper hinunter und merke, wie mir
: angenehm schummrig wird.
: Ich strecke die müden Beine und lasse die Wohligkeit strömen.
: Hansi und Dagmar tauchen auf, im Velodress.
: Ich erzähle mit schwerer Zunge etwas von Pilzen, Sommer, Spinnweben und
: Sonnenstrahlen.
: Sie lächeln. Vielleicht haben sie mich verstanden.
: Als ich die Augen öffne, ist es halb sechs.
: Eigentlich wollte ich heute vor allem zu den Bächen mit den Perlpilzen an den
: Ufern.
: Und zu den Flockenstieligen ein Stückchen weiter…
: Nun, es gibt noch mehr schöne Sommertage.
: Gruss Harald-Andres

Hallo Harald-Andres
es ist immer wieder ein Vergnügen deine Beiträge zu lesen auch wenn du mal nichts findest !
Danke und Gruss
Gerald

Beiträge in diesem Thread

Pilznachmittag, v. Harald-Andres -- Notizbrettbildservice -- 25. Mai 2004, 21:48 Uhr
Re: Pilznachmittag, v. Harald-Andres -- elfi -- 25. Mai 2004, 22:09 Uhr
Re: Pilznachmittag, v. Harald-Andres -- Gerald -- 25. Mai 2004, 22:21 Uhr
Re: Pilznachmittag, v. Harald-Andres -- Manfred -- 25. Mai 2004, 23:26 Uhr
Danke euch! :-) *oT* -- harald andres schmid -- 26. Mai 2004, 01:58 Uhr
Harald, du schreibst wie du Klavier spielst ;-) *oT* -- Thomas Pruß -- 26. Mai 2004, 08:56 Uhr
Re: Pilznachmittag, v. Harald-Andres -- Gelbfieber -- 26. Mai 2004, 11:00 Uhr
:-) *oT* -- harald andres schmid -- 26. Mai 2004, 14:16 Uhr

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