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Pilze Pilze Forum Archiv 2004

Gedanken.....

Geschrieben von: hans hurter
Datum: 2. Juli 2004, 17:40 Uhr

Antwort auf: off topic: Lyrisches zum Monat Juli (harald andres schmid)

hallo Harald Andres,natürlich ist es dem Einen oder Andern in die Wiege gelegt,ist es aber nicht so,dass wir allgemein trotzdem wir uns in der Regel mehr leisten können als früher, an Lebensqualität verloren haben?
Wer hat Zeit,wer kann zuhören ,wann erzählt man sich eine Geschichte wer kann lachen auch über sich selbst,wer will überhaupt über solche Dinge reden nachdenken lernen?Ich musste und wollte das vor Jahren nach meiner Frühpensionierung tun !Ein Grundcharaktermuster zu ändern ist schwer gelingt nicht ganz aber es ist nicht unmöglich!Daher denke ich heute ,nur wenige Dinge sind unmöglich zu erreichen.Gestern habe ich auf dem Waldweg zum Pilzplatz einen Feldhasen getroffen der genüsslich Gräser oder Kräuter gefressen hat ,ich stand gegen den Wind und konnte bocksteif fast 5 Minuten zusehen und das hat mich glücklich gemacht!Früher wäre ich an so einem Tag trotzdem frustriert gewesen ,weil es sehr wenig Pilze hat!Warum ich diese Zeilen schreibe?
Du hast mich mit Deinen Kästnerausführungen dazu angeregt.Warum im Pilzforum ?Weil ich mich freue ,in dieses Forum geraten zu sein !Es bringt Lebensqualität??? Herzliche Grüsse, Hans der Yukonplauderer und Waldläufer

: Hallo, zusammen

: Ich war in letzter Zeit so mit Klavierüben beschäftigt, dass alles andere zu
: kurz kam.
: Ich war nicht im Wald, nicht im Forum, nicht im Chat - seit bald einem Monat.
: Schade.
: Ich habe aber noch einen Termin einzulösen: Ich habe versprochen, jeden 1.
: des Monats das entsprechende Gedicht von Erich Kästner hier vorzustellen.
: Da ich bei meinem Juni-Posting:
: http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=63279

: nur positive Reaktionen bekommen habe, und auch niemand dagegen ist, werde
: ich also jeden 1. des Monats - nun, es ist eine kleine Verspätung
: eingetreten, für die ich mich entschuldigen möchte....
: Hier also das kleine Meisterwerk zum Thema Juli: Der Juli

: Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur.
: Die Menschheit geht auf Reisen
: oder wandert sehr oder wandelt nur.
: Und die Bauern vermieten die Natur
: zu sehenswerten Preisen.

: Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer,
: die Platzmusik der Ortsfeuerwehr
: und den Blick auf die Kuh auf der Wiese.
: Limousinen rasen hin und her
: und finden und finden den Weg nicht mehr
: zum verlorenen Paradiese.

: Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort
: auch die künftigen Brötchen und Bretzeln.
: Eidechsen zucken von Ort zu Ort.
: Und die Wolken führen Regen an Bord
: und den spitzen Blitz und das Donnerwort.
: Der Mensch treibt Berg- und Wassersport
: und hält nicht viel von Rätseln.

: Er hält die Welt für ein Bilderbuch
: mit Ansichtskartenserien.
: Die Landschaft belächelt den lauten Besuch.
: Sie weiss Bescheid.
: Sie weiss, die Zeit
: überdauert sogar diese Ferien.

: Sie weiss auch: einen Steinwurf schon
: von hier beginnt das Märchen.
: Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn,
: ruht ein zerzaustes Pärchen.
: Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn.
: Hier steigen und sinken die Lerchen.

: Das Mädchen schläft entrückten Gesichts.
: Die Bienen summen zufrieden.
: Der Jüngling heisst, immer noch, Taugenichts.
: Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts
: in den Wald und zieht, durch den Schluss des Gedichts,
: wie in alten Zeiten gen Süden.

: Erich Kästner

: Für die an Lyrik interessierten: (die anderen brauchen hier nicht
: weiterzulesen)
: Das Gedicht ist raffiniert gemacht. Ich habe es lange Zeit versucht zu
: analysieren, bin aber über die Jahre nicht an ein Ende gekommen.
: Ich möchte das Gedicht nicht zerreden, aber vielleicht interessiert sich
: jemand für meine jahrelangen Gedankengänge dazu: Kästner führt uns erst
: tüchtig aufs Glatteis mit seinem scheinbar leicht hingeworfenen,
: beiläufig-trockenen Moralisieren und dem Humor der ersten Strophen.
: Nur hin und wieder zupft er uns emotional am Ärmel, etwa bei der Schilderung
: der Eidechsen und ähnlicher Stellen.
: Wenn wir ihm dann gemütlich auf den Leim gekrochen sind und ebenso
: beiläufig-zufrieden weiterlesen, packt er uns in den letzten zwei
: Abschnitten unversehens statt am Ärmel - am Kragen und reisst uns kopfüber
: mit in seinen Lyrik-Suppen-Topf.
: Natürlich nicht in eine Suppe, sondern in ein so unerhörtes Licht, dass es
: das Licht über dem Getreidefeld bei weitem überstrahlt.
: Nach dem geschilderten Beginn kommt dies fast wie ein Schock.
: Warum macht Kästner das so?
: Goethe sagte einmal, (der genaue Wortlaut ist mir nicht gegenwärtig), man
: solle vom Geheimnis nicht geheimnisvoll reden.
: Kästner hat sich daran gehalten, stets. Er ist nie kitschig oder auf
: unangenehme Art emotional geworden.
: Normalerweise lockert er die intensivsten Stellen seiner Gedichte auf, in dem
: er schockartig mit trockenem Humor oder Zynismus dazwischenfährt.
: Er legt einem quasi mahnend die Hand auf die Schulter, mit der Aufforderung,
: ja nicht Gefühlsduselig zu werden.
: Hier geht er ausnahmsweise den umkehrten Weg, indem er uns mit einem
: distanzierten Vexierspiel der ersten Strophen derart durcheinander bringt,
: dass die letzten Stophen eine ungeheure Wirkung entfalten, da man auf sie
: nicht vorbereitet ist.
: Das scheinbar leicht Hingeworfene ist sorgfältig und hochintelligent
: durchkonstruiert.
: Ich kann mich noch an meinen ersten Kontakt mit diesem Gedicht erinnern.
: Ich las es und anschliessend nur noch die ersten zwei Zeilen des völlig
: gegensätzlichen, schwül-heissen August-Gedichts (folgt nächsten Monat):
: Nun hebt das Jahr die Sense hoch
: und mäht die Sommertage wie ein Bauer....

: Ich war derart erschlagen, dass ich für Wochen und Monate nichts eigenes mehr
: zu schreiben wagte.
: Mittlerweile glaube ich, der Technik Kästners ein wenige auf die Schliche
: gekommen zu sein, aber das mindert die unmittelbare Wirkung seiner Lyrik
: keineswegs.
: Ich freue mich, euch die restlichen Gedichte vorstellen zu dürfen.
: Übrigens: Wann soll ich das Gedicht "Der Dreizehnte Monat"
: platzieren?
: Nach dem Dezember?
: Kästner hat den Versuch gewagt, einen dreizehnten Monat zu erfinden, zu
: erträumen, wie er sagte, unter dem Motto: Wem zwölf genügen, dem ist nicht
: zu helfen....
: Lieben Gruss, Harald Andres

Beiträge in diesem Thread

off topic: Lyrisches zum Monat Juli -- harald andres schmid -- 2. Juli 2004, 15:59 Uhr
Gedanken..... -- hans hurter -- 2. Juli 2004, 17:40 Uhr
Super! Freu mich schon auf den August!! *oT* -- Malou Vogt -- 3. Juli 2004, 01:38 Uhr
Super! Schön dass Du...... -- Boletus -- 3. Juli 2004, 09:30 Uhr
Willkommen im Forum, Malou!!! *freu* -- harald andres schmid -- 3. Juli 2004, 10:41 Uhr
Re: off topic: Lyrisches zum Monat Juli -- Detlef -- 3. Juli 2004, 11:56 Uhr

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