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Pilze Pilze Forum Archiv 2004

esskastanien-rindenkrebs (1 bild, 80 kb)

Geschrieben von: coco
Datum: 7. August 2004, 18:12 Uhr


Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberger Nachrichten, Nr. 180; Freitag, 6. August 2004, Seite 5:

Rindenkrebs ruiniert junge Esskastanien


Im Stadtwald werden rund 170 Bäume wegen einer gefährlichen Pilzerkrankung gefällt – Strenge Quarantänebestimmungen



Von Rindenkrebs befallen sind jetzt viele junge Esskastanien im Stadtwald; auch Eichen können infiziert werden. Zu erkennen ist der Befall an brandartigen Veränderungen an der Rinde. Foto: Dagmar Welker


Von Karin Katzenberger-Ruf

Alarmstufe eins im Stadtwald: Auf ei­nem circa 200 mal 800 Meter großen Areal am Schlossvereinsweg werden derzeit an die 170 Bäume gefällt, vor Ort in den mobilen Häcksler geworfen und im verschlossenen Container zur Müll­verbrennungsanlage in Mannheim transportiert. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um junge Esskastanien, die von Rindenkrebs befallen sind.

Die Pilzerkrankung ist so gefährlich, dass bei ihrem Auftreten strenge Quarantänevor­schriften gelten. Betroffene Bäume, bezie­hungsweise infektiöses Material sind restlos zu beseitigen. Außerdem darf befallenes Holz nicht in den Handel gelangen und noch nicht einmal die Region verlassen. Laut Fried­rich Kilian vom Staatlichen Forstamt entdeck­te der Revierförster von Schlierbach, Wolf­gang Ernst, den befallenen Bestand bereits im Frühjahr. Seither seien weitere Bestände im Wald kontrolliert worden. Es habe jedoch keine neuen Befunde gegeben. Nun sei zu hoffen, dass der Infektionsherd mit der noch gut anderthalb Wochen dauernden Radikal­kur beseitigt werden könne.

Heidelberg steht mit der Plage übrigens nicht allein da. Auch entlang der Weinstraße sollen mehrere Orte betroffen sein. Zum Bei­spiel Neustadt, Edenkoben und Deidesheim. Dennoch sollten leidenschaftliche „Keschde-Sammler" die Hoffnung auf reichlich Ausbeu­te im Herbst noch nicht aufgeben. In einer In­formationsbroschüre der Forstlichen Ver­suchs- und Forschungsanstalt Baden-Würt­temberg ist einiges über die Baumkrankheit nachzulesen.

Demnach kam der Esskastanienrinden-krebs (Cryphonectria parasitica) ursprüng­lich nur in Asien vor, wurde aber bereits im Jahr 1904 durch Pflanzmaterial in die USA eingeschleppt. Dort führte er im gesamten Osten zum Absterben der natürlichen Kasta­nienwälder. Im Jahr 1938 tauchte die Pilzer­krankung dann erstmals in der italienischen Hafenstadt Genua auf. Vor hier aus breitete sich die Seuche bis Anfang der 60er Jahre im Tessin aus und gelangte schließlich über die Alpen.

In Luzern und im Oberen Rheintal tauchte der Rindenkrebs der Esskastanie erstmals im Jahr 1989 auf. Drei Jahre später erreichte er die Ortenau. Dies war zugleich das erste re­gistrierte Auftreten in Deutschland. Es folgte ein Befall 1993 in Rheinland-Pfalz. Damals soll die Baumkrankheit allerdings durch „konsequente Sanierungsmaßnahmen" na­hezu ausgerottet worden sein. Warum sie nun wieder auftrat und warum ausgerechnet an den genannten Orten, ist laut Friedrich Ki­lian nicht zu erklären. Allerdings habe die Trockenheit des letzten Sommers ohnehin vielen Bäumen geschadet und deren Abwehr­kräfte geschwächt. Der Parasit kann im Übri­gen durch Wachstumsrisse, Insektenfraß und Spechteinschläge in die Rinde eindringen. Überträger sind neben Vögeln und Insekten der Wind, aber auch Regenwasser.

Wie kann nun der Laie die Krankheit erken­nen? Etwa an der lichter werdenden Baum­krone sowie brandarügen Veränderungen an der Baumrinde. Ein Sjfrnptom sind auch wel­kende „Wasserreiser", wie die jungen Triebe am Stamm heißen. Wenn sie welken, kann dies allerdings auch durch Trockenheit be­dingt sein. Deshalb ist die Diagnose nicht im­mer eindeutig. Sehr typisch sind dagegen Pilzfäden an den Leitungssystemen der Stäm­me beziehungsweise orangefarbene Fruchtkörper, die bei feuchtwarmer Witterung Spo­renranken freisetzen. Auch Eichen können mit der Krankheit infiziert werden. Wer also Esskastanien oder Eichen im eigenen Garten stehen hat, sollte sie in nächster Zeit aufmerk­sam beobachten. Waldspaziergänger sind ebenfalls zur Wachsamkeit aufgefordert. Wer etwas Auffälliges bemerkt, wird gebeten, sich unter der Telefonnummer 06221/649 230 mit dem Staatlichen Forstamt in Verbindung zu setzen. Laut Friedrich Kilian gibt es mo­mentan allerdings kein Mittel, um die Pilzer­krankung zu heilen, so ist das Fällen die einzi­ge Vorsorgemaßnahme.

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