: Hallo Christoph,
: die Regel, dass ältere Epitheta auf niederen Rangstufen bei Prioritätsfragen
: außer Betracht bleiben, hat sicher ihre guten praktischen Gründe. Im
: Einzelfall kann sie jedoch, gerade für "vorsichtige" Autoren,
: sehr ungerecht sein.
: (Halb-)Fiktives Beispiel: Castro & Freire haben "ihren"
: Gyroporus ammophilus erst 1995 auf Artrang beschrieben, nachdem sie sich
: über mehrere Jahre hinweg Klarheit über die Einordnung des Taxons
: verschafft hatten. Bekanntlich hatten sie den Pilz schon 1989 unter
: demselben Namen als Varietät von Gyroporus castaneus veröffentlicht - wohl
: auch aus berechtigter Vorsicht, nicht bedenkenlos gleich eine neue Art zu
: schaffen.
: Diese "Vorsicht" hätte ich mir als mykologischer Trittbrettfahrer
: schamlos zunutze machen können, indem ich gleich nach 1989 den von den
: Autoren angegeben Typusfundor (oder die Umgebung) aufgesucht und - falls
: fündig - das Taxon unter anderem Namen als spec. nov. publiziert hätte.
: Dann wäre Castro & Freire jede Chance genommen gewesen,
: "ihre" Art mit "ihrem" Namen noch mal als
: Erstbeschreibung zu bringen.
: Durch die Nomenklaturregeln wird also Vorsicht bestraft, das Kreieren von
: Arten dagegen begünstigt.
: Pech wäre es für Castro & Freire freilich gewesen, wenn zwischen 1989 und
: 1995 unabhängig von ihnen jemand anders die Art entdeckt und unter anderem
: Namen als neue Art beschrieben hätte - aber will das nachweisen?
: Viele Grüße, Jürgen
Hallo Jürgen,
solche und ähnliche Dinge passieren natürlich, aber ich denke mutwillig und absichtlich wird sowas keiner ausnutzen. Das spricht sich sonst bald rum und derjenige hat seinen Ruf weg. Gerade die Mykologenkreise sind doch recht überschaubar.
Mir mag es mit meinen Mollisien auch so gehen. Ich verteile meinen provisorischen Schlüssel an Interessentierte und da stehen auch jede Menge provisorische Arten drin, oder umzubenennende bzw. umzukombinierende. Kann jetzt auch jemand hergehen und das alles unter seinem Namen machen. Über die submersen Mollisien bereite ich seit mehreren Jahren einen Artikel vor, der demnächst fertig sein wird. Immer kam noch was dazu, zuletzt wollte ich vor der Umkombination der Tapesia rivularis zu Mollisia noch, um 100% sicher zu gehen, den Typus von Tapesia rivularis ansehen, um die Typusbeschreibung noch mit einbauen zu können. Nun hat letzthin Lothar in einem Artikel aufgrund eines Fundes diese Art zu Mollisia kombiniert. Pech? zu lange gewartet? Nicht wirklich, denn mein Artikel wird dadurch inhaltlich ja nicht verändert.
Zotto kann sowas sicherlich noch viel eher passieren.
Aber wenn jeder nur im stillen Kämmerlein wurschtelt bis er sich sicher ist, dann ist das viel mühsamer als wenn man den Austausch sucht - auch auf die gefahr hin, dass einem jemand die ach so begehrte taxonomische Konsquenz "wegnimmt".
Beste Grüße,
Andreas