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Mal was Grundsätzliches zur Lyme-Borreliose

Geschrieben von: Thomas Pruß
Datum: 8. April 2005, 08:35 Uhr

Antwort auf: Re: impfen (Dedimyk)

Moin Detlef, moin allerseits,
der Thread scheint ja noch immer zu laufen, und deshalb will ich mal versuchen, ein paar Dinge hier klar zu stellen:

Die Lyme-Borreliose wird durch Borrelia burgdorferi ausgelöst, wobei man sagen muss, dass das beileibe nicht die einzige Borrelienart ist, die für Borreliose verantwortlich ist. Sehr viele Infos stehen hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Borelliose

Das Bakterium ist eine Spirochaete und sieht so aus:

http://www.gsf.de/flugs/Zecken_Borreliose.jpg

Die typische Wanderröte (Erythrema migrans) kann man hier sehen:

http://www.landkreis-passau.de/gesundheitsamt/images/borreliose.gif

Zur Gefährdung des Menschen:

Die Bakterien halten sich normalerweise im Darm der Zecke auf und wandern erst in die Speicheldrüsen, wenn die Zecke an einem Wirt angedockt hat. Dass das Zeit braucht ist klar. Man geht davon aus, dass die Wahrscheinlickeit einer Infektion erst ab 12 Stunden nach Beginn des Saugaktes steigt. Das bedeutet: Wenn man sich nach jedem Waldgang ordentlich absucht oder absuchen lässt, so ist die Gefahr einer Infektion verschwindend gering. Man muss also keine Angst vor Zecken haben in Hinblick auf Borreliose, aber sehr wohl im Hinblick auf FSME. Die ist übrigens eine Virusinfektion und keine Bakterienerkrankung.

FSME-gefährdete Gebiete sieht man hier:

http://www.medizinfo.de/waldundwiese/images/fsme_deutschland2002.jpg
Aber das nur als Einschub.

Impfen:

Zitat aus der Ärzte-Zeitung vom 25. 4. 02 zum Thema, warum man Menschen (noch) nicht gegen Borreliose impfen kann. Beachte besonders den Abschnitt über die Epitopmimikry:

Die einzige Borreliose-Vakzine ist in den USA gescheitert - waren unerwünschte Wirkungen die Ursache?

Von Manfred Bergbauer

Das Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) hat den einzigen existierenden Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose vor wenigen Wochen vom US-Markt genommen. Die Vakzine war 1998 in den USA zugelassen worden, nachdem an mehr als 10 000 Personen die Wirksamkeit gegen Borrelia burgdorferi nachgewiesen worden war. Nach Unternehmensangaben erfolgte die Rücknahme, weil die Resonanz in der US-Bevölkerung zu gering war. Nur etwa 10 000 Personen hätten sich vermutlich dieses Jahr gegen die Lyme-Borreliose impfen lassen. Mit mehr als 100 000 hatte man gerechnet.

Die Vakzine schien bei der Einführung für die USA wie maßgeschneidert. Die Lyme-Borreliose, die durch Zecken übertragen wird, ist seit Jahren im Aufwind. Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen stieg von rund 8000 im Jahr 1990 auf 16 273 in 1999.

Bis zu 950 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner

In einigen Gebieten im Osten der USA, besonders in den Staaten Connecticut und New York, liegt die jährliche Inzidenz zwischen 55 und 98 pro 100 000 Einwohner. Den Rekord hält die Insel Nantucket im Staat Massachusetts. Dort gibt es 950 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner.

Da die Lyme-Borreliose nicht immer leicht zu diagnostizieren ist, und trotz lege artis Therapie gravierende Spätfolgen möglich sind, ist ein Impfstoff die sinnvollste Prävention. Mit dem Impfstoff war GSK auch die Entwicklung einer völlig neuen Vakzinekategorie gelungen. Es geht es nämlich darum, die Bildung von Antikörpern anzuregen, die die Keime noch in der Zecke neutralisieren.

Die in einer Symbiose mit ihren Zeckenwirten lebenden Borrelien exprimieren auf ihrer Oberfläche sehr unterschiedliche Proteine, darunter auch das Oberflächenprotein A (OspA = Outer surface protein A). Das Proteinmuster ändert sich jedoch je nachdem, in welchem Teil der Zecken sich die Bakterien gerade aufhalten. Die molekulare Struktur des OspA wurde vor einigen Jahren entschlüsselt. Dabei stellte man fest, daß dieses Antigen - injiziert man es Versuchstieren - die Bildung von Antikörpern anregt, die die Oberfläche von OspA-tragenden Borrelien so verändert, daß die Erreger inaktiviert werden und absterben.

Diese Beobachtung war die Grundlage für die Entwicklung der Lyme-Vakzine: Nach der Impfung zirkuliert im Blut eine große Zahl Anti-OspA-Antikörper. Saugt eine Zecke von einer solchen Person Blut, so nimmt sie damit auch die gegen OspA gerichteten neutralisierenden Antikörper auf. Die im Verdauungstrakt der Zecke vorhandenen Borrelien werden inaktiviert und können nicht mehr in die Speicheldrüse des Insekts wandern. Eine Infektion wird unmöglich.

Der ungewöhnliche Wirkungsmechanismus der OspA-Vakzine erklärt auch, warum Personen nach einer Grundimmunisierung jedes Jahr erneut gegen die Borrelien geimpft werden müssen. Nur so bleibt die Konzentration der Antikörper in den wenigen Mikrolitern Blut, die die Zecke zu Beginn ihrer "Mahlzeit" aufnimmt, hoch genug, um die Keime zu inaktivieren. Das ausgeklügelte Wirkungsprinzip hat allerdings einen Haken. Es gibt offensichtlich mehrere genetische Prädispositionen, die bei einer Lyme-Borreliose zur Induktion von Autoimmunmechanismen führen können. So ist bekannt, daß Träger eines bestimmten Gewebeverträglichkeitsfaktors (HLA-DRB1*0401) häufig eine Antibiotika-resistente Autoimmunarthritis nach durchgemachter Lyme-Borreliose entwickeln.

Über Arthritiden durch Epitopmimikry wird spekuliert

Außerdem scheint das OspA einem körpereigenen Antigen sehr ähnlich zu sein (dem Epitop des "human Leukozyte Function-Associated Antigen 1", hLFA-1). Bei Trägern dieses Epitops könnte es deshalb nach Impfung zu einer Kreuzreaktion gegen körpereigene Antigene und damit zu einer Autoimmunkrankheit kommen. Ein Pathomechanismus, der als Epitopmimikry bezeichnet wird.

Da unter Menschen, die mit der Lyme-Vakzine geimpft werden, natürlich auch immer ein bestimmter Teil Träger dieser genetischen Veranlagung ist, hatten Rheumatologen bereits bei der Entwicklung des Impfstoffs vor den möglichen Komplikationen einer fehlgeleiteten Immunantwort gewarnt.

Mittlerweile wurden den Centers for Disease Control in Atlanta 170 Fälle von Arthritis gemeldet, die angeblich nach Impfung mit der Lyme-Vakzine aufgetreten sein sollen. Es ist allerdings nicht belegt worden, daß die Arthritiden Folge der Impfung sind, und auch die Food and Drug Administration, die US-Zulasssungsbehörde für Arzneimittel, hält den Impfstoff nach wie vor für sicher.

>Analysen zu optimistisch

Gesundheitssystemforscher der Harvard Universität hatten ausgerechnet, daß für je 10 000 geimpfte Personen im Verlauf von zehn Jahren 202 Lyme-Erkrankungen vermieden werden können. Dadurch wären etwa eine Million Dollar an Therapiekosten erspart worden. Man hatte angenommen, daß in den US-Risikogebieten 0,03 Prozent der Bevölkerung jährlich erkranken. Nach neuen Analysen liegt die Krankheitswahrscheinlichkeit aber unter 0,005 Prozent.

Alle Klarheiten beseitigt? ;-)

Grüsslis
Thomas

Beiträge in diesem Thread

Frage an Morchelfinder -- thomasku -- 31. März 2005, 18:29 Uhr
Hallo Thomas,auf gut Glück Morcheln zu finden ist -- hans hurter -- 31. März 2005, 19:08 Uhr
Re: Antwort an Morchelsucher -- elfi -- 31. März 2005, 21:58 Uhr
Sommertag? Wir hatten nur 10 Grad! *oT* -- Karl Keck -- 1. April 2005, 00:35 Uhr
Re: Frage an Morchelfinder -- Parasol-Lover -- 1. April 2005, 00:53 Uhr
Re: Aber Hallo! -- elfi -- 1. April 2005, 01:56 Uhr
aber aber Elfi !! -- hans hurter -- 1. April 2005, 09:50 Uhr
Re: Aber Hallo! -- Parasol-Lover -- 1. April 2005, 21:18 Uhr
Re: Aber Sorry -- elfi -- 1. April 2005, 22:00 Uhr
Morcheln und kein Ende -- thomasku -- 1. April 2005, 22:40 Uhr
Re: Aber Sorry -- Parasol-Lover -- 4. April 2005, 00:28 Uhr
Re: Frage an Morchelfinder -- Gerald -- 1. April 2005, 22:38 Uhr
Re: Frage an Morchelfinder -- Parasol-Lover -- 3. April 2005, 23:56 Uhr
Morchelstress -- thomasku -- 1. April 2005, 22:53 Uhr
Re: Morchelstress -- Parasol-Lover -- 4. April 2005, 00:14 Uhr
Widerspruch -- Birgit -- 6. April 2005, 00:36 Uhr
Re: Widerspruch -- Parasol-Lover -- 6. April 2005, 23:43 Uhr
Re: Widerspruch -- birgit -- 7. April 2005, 00:54 Uhr
Re: Widerspruch -- Dedimyk -- 7. April 2005, 11:53 Uhr
Zecken und so... -- AK_CCM -- 7. April 2005, 12:06 Uhr
impfen -- Birgit -- 7. April 2005, 18:47 Uhr
Re: impfen -- Dedimyk -- 8. April 2005, 07:33 Uhr
Mal was Grundsätzliches zur Lyme-Borreliose -- Thomas Pruß -- 8. April 2005, 08:35 Uhr
Besten Dank für die Infos, Thomas! *oT* -- AK_CCM -- 8. April 2005, 09:27 Uhr
Lyme-Borreliose -- Manfred -- 8. April 2005, 11:46 Uhr
Re: Lyme-Borreliose -- Thomas Pruß -- 8. April 2005, 13:00 Uhr
Re: Lyme-Borreliose -- Birgit -- 9. April 2005, 00:48 Uhr
Quark -- Birgit -- 9. April 2005, 01:01 Uhr
Danke Thomas, jetzt sind wir schlauer, Detlef *oT* -- Dedimyk -- 8. April 2005, 18:32 Uhr
Re: Widerspruch -- Parasol-Lover -- 7. April 2005, 16:09 Uhr
Re: Widerspruch -- Birgit -- 7. April 2005, 18:57 Uhr

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