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Pilze Pilze Forum Archiv 2005
stehen lassen oder nicht? .... (etwas länglich)
Geschrieben von: EricS Antwort auf: lass doch wenigstens einen stehen.. (bert)
Datum: 30. Juni 2005, 01:06 Uhr
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Hallo zusammen, da haben wir es mal wieder, in schöner Regelmäßigkeit auftauchend aber immer wieder heiß diskutiert. Der eine findet mehr oder weniger gut erhaltene, mehr oder weniger seltene Pilze und verbindet dies mit einem Hinweis auf seine Pfanne, der andere gibt sein ABER (zu alt, zu jung, zu selten, zu nah an der Autobahn....) ab, was den Finder wiederum veranlaßt, sich als Rupfer, Allesschlucker oderwasweißichwas verunglimpft, im Mindesten aber moralisiert oder oberlehrerhaft behandelt zu sehen. Das war jetzt schön plakativ und polemisch und würde sicher auch Wogen schlagen, wenn ich denn so ernst gemeint hätte. Und dennoch bleibt mir ein fader Beigeschmack bei der Sache und hier folgt meine Meinung, unabhängig vom vorhergehenden Abschnitt: .
Fragt man nach dem Stellenwert, den die Pilze bei uns Menschen einnehmen, so kommen wir in überwiegendem Maße bei kulinarischen Aspekten an. Allenfalls ein paar Pflanzen und die Fische können sich einer ähnlichen Begehrtheit bei den Besuchern unserer Natur rühmen. Wollen wir doch einmal Äpfel mit Birnen vergleichen: Angler, Fischer, Reusensteller etc. gibt es viele - zweifellos. Was unterscheidet also das Mittagessen "Hecht" vom Mittagessen "Steinpilz"? Klar, Pilze sammeln darf jeder und (theoretisch) überall, fischen dürfen nur diejenigen, die dafür geprüft und lizensiert sind. Und das auch nicht immer und überall, denn da gibt es Schonzeiten, Mindestmaße und auch separat zu erwerbende Lizenzen für andere Gewässer. Kontrolliert wird das Ganze doch recht streng, da können die Angler unter uns bestimmt von berichten. Wie steht es da mit den Pilzen? In Deutschland gibt es neckische Paragraphen, die das regeln sollen. Das sieht dann so aus, daß eine Handvoll Arten als "besonders geschützt" deklariert werden, verbunden mit einem Sammel-, Abrupf- oder Verwüstungs(!)-Verbot. "Geringe Mengen" einiger dieser Arten (z.B. Steinpilz, Pfifferling oder auch das Schweinsohr) dürfen aber für den Eigengebrauch entnommen werden. Dazu heißt es in der Regel, daß sich "In der Verwaltungspraxis [...] hierbei etabliert (hat), dass von einem Kilogramm pro Person und Tag ausgegangen wird." Verstöße werden mit Bußgeldern geahndet. Siehe dazu z.B. dieses hier. Die Frage, ob das tatsächlich kontrolliert wird, stellt sich meines Wissens in Deutschland nicht. Soweit zum juristischen Teil, kommen wir zum biologischen... Fische mit Pilzen zu vergleichen mutet im ersten Augenblick abenteuerlich an. Und vorweg, das bleibt es auch. Dennoch ein paar Zeilen dazu: was wir zu uns nehmen ist hier grundverschieden. Einmal ist es ein komplettes Individuum, welches wir somit aus der Natur "entfernt" haben, das andere Mal ist es "bloß" ein Fruchtkörper, eine Art in der Erde steckende Banane - ißt man diese lebt das Individuum weiter, es hat nur seine Ausbreitungsorgane verloren (auch dieser Vergleich hinkt und ist biologisch nicht ganz korrekt, das soll uns aber jetzt nicht weiter belasten). Es wird sogar von Einigen vermutet, daß solcher Streß, dem das Individuum ausgesetzt wird, einen positiven Einfluß auf die Vitalität des Myzels hat. Das, sollte man meinen, gibt den Mycophagen recht. Sicherlich gehört das Absammeln von Pilzfruchtkörpern im normalen Rahmen, nicht zu den ernstesten Bedrohungen unserer Pilze - im Gegensatz zu den Fischen, wo übermäßiger Fang sehr schnell ernste Konsequenzen für ganze Populationen haben kann. Fische reproduzieren sich in kleiner Zahl, während ein Pilz auf einen Schlag Abermillionen potentieller Nachkommen als Sporen in die Luft bläst, die auch noch eine sehr lange Zeit überdauern können, ohne zu keimen. Die Fischeier wären dann schon längst vergammelt. Alles in allem kann man also durchaus behaupten, daß eine Schutzwürdigkeit bei den Fischen viel schneller ins Auge springt als bei den Pilzen. Doch: während man über die Bedürftnisse unserer Fische allgemein schon sehr gut Bescheid weiß und auch effektive Schutzmaßnahmen treffen kann, die durchaus erfolgsversprechend sind (Aufzuchtstationen, Renaturierung von Flußsystemen, Fischtreppen etc.), steht man diesbezüglich bei den Pilzen noch am Anfang. Pilze reagieren auf dermaßen viele Einflüsse, daß ein effektiver Schutz wie bei den Fischen kaum möglich ist. Temperatur, Feuchtigkeit von Luft und Boden, geeignetes Substrat (Art, Alter, Zersetzungsgrad etc.), Konkurrenz durch andere Pilze, Lichtverhältnisse, chemische Einflüsse (Kalk im Boden, Basenversorgung und Boden-pH, Stickstoffmenge, Düngemittel, Schadstoffe in Luft, Boden und Wasser (z.B. Schwefeldioxid aus Abgasen, welches Schweflige Säure mit Wasser bildet und als "Saurer Regen" wieder auf die Erde fällt), Vorhandensein geeigneter Pflanzenpartner bei Mykorrhizapilzen bzw. geeigneter Wirte bei Parasiten und Parasitoiden und so weiter und so fort. Wenn man sich all das vor Augen führt, sollte man schon ein wenig ins Staunen geraten, daß "dieser Pilz jetzt gerade da wächst". Und damit gebe ich Bert, Harald, Piwo, Karlheinz etc. recht. Gegen einen maßvollen Gebrauch unserer Pilze gibt es sicherlich nichts einzuwenden, speziell nicht bei den häufigeren, anspruchslosen Arten. Doch sollte man das ganze nicht als selbstverständlich hinnehmen und Arten, von denen man weiß, das sie bestimmte Ansprüche haben und nicht überall häufig vorkommen bzw. vielerorts zurückgehen auch mal dort lassen wo sie sind. In der Regel gibt es genug für die Pfanne, auch ohne Eichhasen, Märzschnecklinge oder Böhmische Verpeln - der zeitweilige Massenpilz Schopftintling ist jedem der zuvor genannten Pilze bestimmt ebenbürtig bis überlegen. Im Grunde muten wird unserer Pilzflora schon einiges zu, ohne es zu wollen. Da sollten wir - auch wenn das vielleicht idiologisch verbrämt sein mag - nicht auch noch ständig an unser leibliches Wohl denken, sobald wir an Pilze denken. Und schließlich kann ich auch nicht einfach an den Schönberg (bei Freiburg i. Br.) gehen und mir einen Orchideenstrauß pflücken, weil die dort "sowieso so häufig" sind (ja, ich weiß: Polemik!!). Die dort aktiven "Ranger" hätten mir schon längst das Fell über die Ohren gezogen - es wird Zeit, daß sie es mit den unverbesserlichen Sammlern von den dort ebenfalls wachsenden Königsröhrlingen auch tun. Im übrigen finde ich keineswegs, daß hier im Forum viel gemaßregelt wird - von einem rauhen Umgangston ganz zu schweigen. Ein Forum ist zum Diskutieren da, da kann es auch schon mal lauter werden. Auf den Urahnen aller Web-Diskussionsforen, z.B. dem Forum Romanum, wird wahrscheinlich auch die ein oder andere hitzige Debatte geführt worden sein, vielleicht ist auch am Tag eine Tomate geflogen, doch hinterher saß man doch wieder zusammen und hat miteinander ein Gläschen getrunken. Und wirklich unfaire Beiträge muß man hier schon mit dem Mikroskop suchen. :) In diesem Sinne allen viele Grüße und eine gute Nacht, Eric PS: wenn ich bei den Fischen was Falsches geschrieben haben sollte, so verbessert mich bitte. Das ist nicht wirklich mein Metier. ;)
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