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Zur Grillsaison: Feine Duxelles (Rezept)

Geschrieben von: harald andres schmid
Datum: 1. Juli 2005, 11:12 Uhr


hallo, zusammen,

Ich möchte zur aktuellen Grillsaison an einen Klassiker der Pilzküche erinnern.
Die gute, alte, unersetzliche Duxelles, eine Köstlichkeit aus Frankreich als Füllung für grilliertes Fleisch, oder, als Duxelles-Butter, als Verfeinerung vor dem Servieren über fertige Grilladen zu geben.
Viele von euch werden sie natürlich mittlerweile schon kennen und sich fragen, wie sie früher ohne Duxelles leben und grillieren konnten.
Wer von Euch ein Filet Wellington zu bereiten weiss, der beherrscht auch die Duxelles, auch wenn er sich vielleicht nicht bewusst ist, dass die köstliche Füllung diesen Namen trägt.
Es handelt sich, salopp und respektlos gesagt, um einen Pilzbrei. Aber um was für einen!
Eigentlich ein schlichtes, einfaches, unverfälschtes, altes Rezept, doch die Vielzahl der Varianten, die man in der Praxis bei den Liebhabern antrifft, lohnt, es wieder einmal in Erinnerung zu rufen.

Und so geht es:
Gute Duxelles besteht aus guten, wildgewachsenen Champignons.
Früher habe ich den katastrophalen Fehler gemacht, sie stur nach Rezept ausschliesslich aus nicht-anisschmeckenden Champignons zuzubereiten, was die Gelegenheiten sehr rar werden liess, denn die Anisvarianten sind in unseren Gegenden in der Überzahl.
Seit ich es dann einmal mit Anichampignons probiert habe, - Puristen werden jetzt aufschreien - bereite ich sie nur noch aus diesen zu, denn der zarte Anisduft ist eine Bereicherung.
Also:
Wenn man so eine schöne Bescherung Anischampis in der zusammengeknoteten Regenjacke nach Hause getragen hat (den Korb hat man, wie üblich auf solchen Spaziergängen, wieder mal nicht dabei), deponiert man die vor Aufregung buttergelb angelaufenen Aniswesen an einem schönen, gemütlichen Plätzchen in der Küche, verspricht ihnen, gleich wieder da zu sein, ja nicht wegzulaufen und rennt aufgeregt ins Feinkostgeschäft oder zum bewährten Metzger, der die ausgefallenen Wünsche des stets nass, dreckig, spinnwebenverhangen und aus dem Häuschen anrückenden Pilzliebhabers ja schon kennt.
Dort kauft man sich ein währschaftes, dickes Stück eines guten, saftigen, aromatischen, gekochten Schinkens.
Den hackt man nun in der Küche (zuerst die dreckigen Schuhe ausziehen!) in klitzekleinste Stückchen. So, erst mal durchatmen. Die Pilze laufen schon nicht davon!
Überhaupt ist solche Aufregung und Hektik ruhigen, besonnenen Kochkünsten nicht zuträglich.
Die dreckige Regenjacke liegt auch noch mitten in der Küche auf dem Boden...
Vielleicht hilft ein schönes Glas Weisswein. Sicher sogar.
Den feingehackten Schinken gibt man in eine Schüssel und wendet sich nun den Pilzen zu.
Das liebevolle Putzen und Schneiden der Pilze tut gut, das Nervenkostüm wird so auch wieder auf eine normale Zitterfrequenz gebracht.
Sehr, sehr klein hacken wir die Pilzchen, die so zu einem golden leuchtenden, zart nach Anis duftenden Häufchen werden.
Ich empfehle die doppelte Menge Pilze wie Schinken, bzw., da erstere ja zuerst zur Hand sind und den Umfang bestimmen, die halbe Menge Schinken.
Die Pilzstückchen kommen nun zum Schinken in die Schüssel und werden gut vermengt.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich um feinst-kleine Schinken- wie Pilzstückchen handeln sollte, wenn die Duxelles gelingen soll.
Wir geben vorsichtig etwas Saft von Limetten darüber und rühren die Mischung nochmals um.
Eine feine Schalotte oder zwei, oder drei, je nach Menge der Pilz-Schinken-Mischung, wird nun feinst gehackt.
Wer zarte Frühlingszwiebeln zur Hand hat, zieht sie den Schalotten vor, nie, nie jedoch verwendet er die grossen, stinkenden, tränentreibenden sog. Metzgerzwiebeln!
Die Schalotten dünstet man nun ausgiebig in viel guter Butter.
Dann gibt man die Pilzmischung dazu und rührt eifrig um.
Abgelöscht wird mit gutem Weisswein.
Nun kommt das Problem:
Der leichte Tomatengeschmack, der traditionell dazu gehört.
Sonnenreife Tomaten. Woher nehmen? Wer sie hat, hackt sie ebenfalls klitztestkleinst und lässt sie mitdünsten. Fein.
Wer sie nicht hat, nimmt eine Dose gehackter Pellati.
Das ist keine schlechte Alternative zu den harten, unreifen, kränklich-blassroten Kugeln, die uns im Supermarkt unter dem Begriff „Tomate“ angeboten werden, denn die Pellatis werden reif gepflückt und wandern darum inklusive des gewünschten Aromas in die Dosen.
Eine Dose ist übertrieben. Eine halbe tut es vielleicht auch.
Etwa gleichviel Tomate wie Pilze, oder weniger, bei den Schalotten noch weniger.
Soviel zum Mischungsverhältnis.
Salz, Pfeffer gehört nun dazu. Was noch?

Jetzt geht es los!
Die Varianten. Wer einen Lieblings-Koch-Alkohol zu Hause hat, wie zum Beispiel einen feinen Noilly Prat, wird ihn statt des Weissweines verwenden.
Kräuterliebhaber (dazu gehöre ich) werden die Duxelles auf jeden Fall mit liebevoll kleingehackten Blättchen von italienischer Petersilie (glattblättrige) zubereiten.
Jetzt geht es erst recht los! Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, was die Kräuter und Gewürze betrifft, nur sollten sie nicht den feinen Grundgeschmack der Duxelles übertönen, d.h. die Grenzen sind doch wieder sehr eng...
Vegetarier bereiten die Duxelles ohne Schinken zu, das gibt es, und nennt sich “magere Duxelles”.
Wer ein sündhaft teures Fläschchen edlen alten Balsamico-Essigs sein eigen nennt, ist der Glücklichste von allen. Er wird nämlich ein paar Tropfen davon vor der Verwendung der Duxelles darunter mischen. Das ist wirklich der höchste der Genüsse.
Ich bin überzeugt, euch fallen noch weitere, naheliegende Varianten ein.

Und wenn sie fertig ist, die Duxelles?
Was nun?
Prinzipiell ist sie fertig, wenn die Flüssigkeit verdampft ist.
Was nun?
Also, ich empfehle als Aufbewahrung, die Duxelles mit guter Butter zu verkneten.
Dazu lässt man die Butter eine Weile ausserhalb des Kühlschranks stehen, verknetet sie mit der Duxelles, formt eine Wurst und gibt sie wieder in den Kühlschrank.
Da hält sie sich zwei Tage.
So einfach ist das. So lässt sie sich übrigens auch tiefgefrieren.
Oder man schneidet die Butter-Wurst, nachdem sie eine halbe Stunde im Kühlschrank sich verfestigt hat, in Rädchen und gefriert sie so portionenweise tief.
Oder man gefriert die Duxelles, so wie sie aus der Pfanne kam, in Plastikbeuteln.
Oder man verwendet sie gleich für ein Filet Wellington. (bei Bedarf kann ich auch dieses Rezept noch nachliefern.)
Oder der Grillabend findet gleich statt, nichts wird tiefgefroren, sondern frisch verwendet. Umso besser.
Die Duxellesbutter gibt man an Grillabenden über feine, grillierte Fleischstückchen oder man rollt Duxelles ohne Butter in kurz auf einer Seite angebratene, feine Rindfleischstücke und gibt sie nochmals mit der rohen Aussenseite kurz auf den Grill, oder man verwendet Duxelles in der Küche als Veredelung von Saucen und Fonds und Suppen und Füllungen, und, und....
Die französische Küche ist ohne Duxelles jedenfalls nicht denkbar....
In gutbürgerlichen Kochbüchern wird emfohlen, die Duxelles mit Brät, so nennt man in der Schweiz Bratwurstfüllung, zu mischen, z.B. bei Verwendung in einem Filet Wellington.
Wer das je versucht hat, wird jetzt grinsen.
Wer das in Kochbüchern empfiehlt, hat es nie selbst versucht zu bewerkstelligen.
Brät ist eine schmierige Masse, die, obwohl sie eigentlich zum Teil aus tierischen Fetten bestehen müsste, sich standhaft weigert, sich mit der fettigen Duxelles zu mischen. Vielleicht ist das Brät sich zu fein dafür.
Wenn man es trotzdem probiert und wild mit den Fingern in einer Schüssel wühlend die Unvereinbaren zu vereinen sucht, kann man verzweifeln.
Am Schluss klebt das Brät an der Schüssel und am Tisch und an Hose und Hemd. Und: an den zum Schluss verzweifelt weggespreizten Fingern - klebt die ganze Duxelles.
Wer das unbedingt mal erleben will, soll es zelebrieren.
Ich lasse das Brät weg.

Soviel zu den Grundlagen.

Doch jetzt geht es erst richtig los!
Koch-Puristen sollten jetzt nicht weiterlesen.
Was ist mit anderen Pilzen als Champignons?
Ich sage nur: ausprobieren! (dass ich schon ausprobiert habe, dürfte klar sein)
Man gehe einfach seine persönliche Speisepilz-Liste durch und lasse Phantasie walten. (hat man ja, oder?). Nicht alles geht, zum Beispiel Röhrlinge passen vom Aroma her nicht.
Aber vieles geht!
Beispiele:
Statt Champignons nehme man eine Handvoll frischer Totentrompeten und bereite damit so eine richtig unverschämte Hardcore-Duxelles zu, ich möchte sie mal Kobold-Duxelles nennen.
Dabei gibt man einige Speckwürfelchen zu den dünstenden Schalotten und entfernt sie anschliessend wieder, abgelöscht wird mit kräftigem Rotwein, Kräuter dürfen reichlich verwendet werden, ganz Mutige scheuen sogar vor einem Hauch Knoblauch nicht zurück.
Kräftig-aromatische Fleischstücke lassen sich gerne damit beglücken, ebenso dunkle Bratensaucen und ähnliches, ein Lammfilet mit Kobold-Duxelles muss man mal versucht haben!
Oder man geht den umgekehrten Weg und bereitet – nennen wir sie mal Waldelfen-Duxelles – aus Schopftintlingen eine Duxelles für Geflügel.
Dabei hantiert man zurückhaltend mit Kräutern und Gewürzen, bleibt vielleicht ganz bei der „mageren“ Variante und lässt den Schopftintlings-Geschmack dominieren.
Feinste Poularden, Perlhühner oder Täubchen oder gar Wachteln damit zu füllen ist kein Vergehen, sondern zeugt von Sachverstand im Umgang mit einem unentbehrlichen Klassiker der französischen Küche: der Duxelles.

Lieben Gruss, Harald Andres

Beiträge in diesem Thread

Zur Grillsaison: Feine Duxelles (Rezept) -- harald andres schmid -- 1. Juli 2005, 11:12 Uhr
Re: Zur Grillsaison: Feine Duxelles (Rezept) -- pfifferling -- 1. Juli 2005, 12:17 Uhr
Re: Zur Grillsaison: Feine Duxelles (Rezept) -- harald andres schmid -- 1. Juli 2005, 13:26 Uhr
Re: Zur Grillsaison: Feine Duxelles (Rezept) -- Andreas -- 1. Juli 2005, 14:12 Uhr
:-) *oT* -- harald andres schmid -- 1. Juli 2005, 15:18 Uhr
RE: Totentrompeten versus Schopftintlinge -- harald andres schmid -- 1. Juli 2005, 16:05 Uhr

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