Schwefelkopf-Kompott „Harald-Andres“.
Tönt das genug abschreckend? - Kompott? Aus Pilzen?
Das folgende Rezept würde ich jedoch unter der Rubrik „fast unanständig gut“ verbuchen.
Wer es nicht glaubt, sollte es erst recht ausprobieren!
Eine genauere Ober-Bezeichnung (quasi kulinarische Zugehörigkeit) ist schwierig.
Was ist es genau?
Ein Dessert jedenfalls nicht! ;-)
Ein Kompott? So ähnlich…
Ein Chutney? Fast! Nicht ganz….
Am besten kann ich sagen, wozu es dient:
Als feine, würzig-süssliche Beilage zu Fleisch.
Etwa einem herrlichen Schmorbraten, aber auch zu Roastbeef-Streifen und Ähnlichem.
Diesem Zweck dient es auf die allerköstlichste Art, die man sich nur vorstellen kann.
Und es verhilft dem oft verschmähten Rauchblättrigen Schwefelkopf zur Ehrenrettung, denn er hat etwas an sich, das andere Pilze nicht haben.
Sein Nachgeschmack, der ins messingartig-Metallische geht, ist einerseits sehr, sehr schwer in der Küche einzusetzen (ich habe das ja schon mal in einem anderen Rezept mit Schwefelköpfen erklärt), anderseits kann er faszinierende Geschmacks-Verbindungen eingehen.
Zum Beispiel mit Koriander.
Das Rezept ist einfach, braucht aber etwas (viel) Geduld bei der Zubereitung.
Hauptbestandteil sind Zwiebeln.
Hier dürfen es ruhig mal die grossen, scharfen, ranzig-tränentreibenden, blass-ockerfarbenen Exemplare sein, die ich sonst in der Küche eher verschmähe.
Man schneide die Zwiebeln in ganz feine, scharf stinkende Ringe und schmore sie in viel guter Butter sanft an.
Da sich bei mir im Leben alles immer in grossen bis sehr grossen Mengen (und sehr heftig) abspielt, dauert das seine Zeit, denn der halbe Topf ist im Moment voller Zwiebelringe...
Da wir immer wieder umrühren, fangen die Zwiebeln tüchtig an zu schwitzen und zwieblisch-gasig zu stinken; sie sondern ranzigen Saft ab und treiben uns die Tränen in die Augen.
Dies Prozedere dauert – wie gesagt - seine Zeit, entsprechend haben wir ausgiebig Gelegenheit, die Augen zu reiben und zu schniefen.
Apropos weinen: ein gutes Glas Wein hilft sicher – nicht im Topf, sondern in der Kehle- den scharfen Dampf in der Küche unbeschadet zu überstehen.
Die Zwiebeln nehmen nun langsam Farbe an und fallen immer mehr in sich zusammen.
Sie werden in jeder Beziehung sanfter, von Minute zu Minute.
Man achte darauf, dass die Hitze unter dem Topf nicht zu gross ist, und rühre immer wieder selbstbewusst mit einem grossen Holzspatel.
Im Topf sollte es jetzt nur noch hie und da verlegen „Blubb!“ machen.
Die Zwiebeln sind gezähmt.
Sie dürfen eine hübsche, dunkelblonde Farbe annehmen, keinesfalls jedoch braun werden, notfalls geben wir ganz wenig Wasser zu, damit sie nicht anbrennen - das erreichte gute Verhältnis muss schliesslich ausgebaut werden.
Nun zerstossen wir einen gestrichenen Kaffeelöffel voller Korianderkörner (weniger hochtrabend gesagt: ein paar Korianderkörner) ganz grob.
Wer keinen Mörser hat, behelfe sich halt irgendwie, in der Küche finden sich genug Gegenstände, die man als Zerdrück-Werkzeug zweckentfremden kann.
Die zerdrückten Körner gebe man zu den Zwiebeln und rühre wieder um.
Wenn schliesslich diese Zwiebel-Koriander-Mischung zu einem weichen, schmiegsamen, süsslich duftenden Etwas geworden ist, - das dauert seine Zeit - löschen wir grosszügig mit süssem Portwein ab.
Dies ist der Trick an der ganzen Sache.
Der Portwein gibt eine aromatische Süsse in die Zwiebeln, karamellisiert ganz leicht und bildet zusammen mit den Zwiebeln und dem Koriander die Grundlage für das aussergewöhnliche Aroma der Schwefelköpfe.
Die Hütchen derselben schneiden wir mittlerweile in feine Streifen.
Währenddessen haben wir selbstverständlich dauernd etwas umgerührt und können beobachten, wie die Zwiebeln eine zauberhaft leuchtend-rotbraune Farbe annehmen.
Na, also!
Soll jemand behaupten, Kochen habe nichts mit Alchemie zu tun…
Salzen nicht vergessen. Etwas Pfeffer.
Der Portwein darf ruhig einen Viertel Millimeter über den Zwiebeln stehen, wir brauchen da nicht allzu geizig mit umzugehen, und – rühren, rühren!
Das braucht seine Zeit, wie gesagt. Hitzköpfe, Zappelphilippe und Rotfussesser kommen bei der Zubereitung dieses Gerichtes nicht weit.
Beim regelmässigen Probieren, dass jetzt etwa einsetzen darf, dürfen die zufriedenen Geniess-Laute nämlich mit der Zeit immer länger und lustvoller werden, und solange ich nicht begeistert schmatze und Lukullus preise, gehören die Schwefelkopfstreifen - noch nicht in den Topf.
Je länger wir köcheln lassen, umso besser.
Habe ich gesagt, dass der Deckel offen bleiben sollte? Nein?
Das sollte er! Damit die Flüssigkeit nach und nach verdunsten kann, auf gaaaanz kleinem Feuer…
Wenn es soweit ist – wie könnte man den genauen Zeitpunkt voraussehen? – geben wir die Schwefelkopf-Streifen dazu und rühren um.
Mittlerweile sollte die Flüssigkeit etwas verdampft sein und die Zwiebelmasse eine weich rührbare Konsistenz angenommen haben.
Das lassen wir nun noch etwas köcheln, die guten Schwefelköpfe geben nämlich vor Schreck noch etwas Flüssigkeit ab.
Und noch etwas köcheln.
Und noch etwas.
Umrühren erlaubt. Probieren und Naschen sowieso.
Ist jetzt klar, was das Rezept ausmacht? Diese geniale Verbindung von Koriander- und Schwefelkopfaroma?
Nicht? Dann habt Ihr noch nicht aus dem Topf genascht…
Ähnliches gesellt sich gerne, in diesem Falle zumindest (anders gesagt: wer den Geschmack von Schwefelköpfen nicht mag, wird möglicherweise Koriander auch nicht mögen).
Noch etwas köcheln.
Salz und Pfeffer prüfen.
Vorsichtig vom Feuer nehmen.
Wer jetzt Schärfe – in welcher Form auch immer – zugibt, erhält ein süsslich-scharfes Chutney. Das ist natürlich erlaubt, aber etwas anderes.
Das Kompott wird kalt serviert. Als Beilage. Oder lauwarm.
Ein liebevollst hindrapiertes Häufchen - wie oben schon gesagt - neben einen herrlich-gemütlich-mürben Schmorbraten, neben buttrig zarte, aufregend dünne Streifen von Roastbeef, neben unwiderstehlich kühn genau auf den Punkt rosa gebratene Lammfiletstückchen – was braucht es mehr, um entzückt zu sein?
Reste von Kompott halten sich in Schälchen gut im Kühlschrank (wird aber nicht viel übrig bleiben ;-))).
Zubereitung aus getrockneten, vorher eingeweichten Schwefelköpfen ist auch möglich.
Lieben Gruss, Harald Andres