Moin Jürgen,
jetzt muss der „Dudenpolizist“ auch mal seinen Senf dazu geben:
Gelbfiebers Vermutung, dass das „Ansprechen“ eines Pilzes seinen Ursprung in der Jägersprache hat, ist gar nicht so abwegig. Allerdings müsste dann schon wesentlich länger „angesprochen“ werden, weil die Jägersprache schon sehr alt ist. Der Ausdruck selbst ist aber erst seit wenigen Jahren „in“, so dass ich einen anderen Ursprung befürchte: In englischen (wissenschaftlichen) Publikationen wird auch mal des öfteren „angesprochen“ („to respond“, „to ask“, „to bring up“ – wobei einige Begriffe im Sinne von „Wirkung zeigen auf etwas“ benutzt werden). Bei nachlässigen Übersetzungen wird dann „etwas ansprechen“ im Sinne von „identifizieren“ benutzt. Vielleicht, weil etwas viel „identifiziert“ wurde, um Wortwiederholungen zu vermeiden…
„Nachlässig“ deshalb, weil hier der Sinn des englischen Begriffes verdreht wird. Das ist so ähnlich wie die Übersetzung von „it makes sense“ mit „es macht Sinn“. Weder im englischen noch im deutschen Sprachgebrauch kann „etwas Sinn machen“, sondern nur „Sinn haben“ oder „Sinn ergeben“. Ebenso ist die „Bush-Administration“ einfach nur die „Regierung von Präsident Bush“ (administration = Regierung) und sonst nix! Ganz extrem ist das bei Politikern so beliebte „auseinander dividieren“, was so viel wie ein weißer Schimmel ist. Zugegeben: An dem Schludrian sind die Medien nicht ganz unschuldig, und die Eitelkeit so manchen Journalisten.
Deine Vermutung, dass mit dem „Ansprechen“ eines Pilzes eine „persönliche Beziehung“ zu dem Objekt der Begierde hergestellt wird, kann ich nicht teilen. Viel eher will sich der Vortragende – m. o. w. bewusst – mit einer geschwollenen, aufgeblähten Sprachweise von seinem Auditorium abgrenzen, nach dem Motto: „Ich weiß mehr als ihr, ich bin besser als ihr! Belästigt mich nicht mit dummen Fragen!“
Man kann es auch auf die Spitze treiben:
„Der Fungus ist in seiner sozialrelevanten Struktur als ein sozioökonomisches Phänomen mit der Fähigkeit zur Supplementation frustrationshemmender Substanzen anzusprechen (sic!).
Dabei muss auf seine Funktion zur Repression unterpriveligierter Schichten, sogenannter „Pilzsammler“, besonders eingegangen werden.“
Sprich: „Pilze sind essbar, es gibt auch giftige!“
Im Deutschen sollte man nur jemanden ansprechen, von dem man auch wirklich eine Antwort erwarten kann. Wer das bei Pilzen macht, ist wohl recht einsam ;-)
Pilze, Pflanzen und Tiere „identifiziert“ man, sie sind (oder können) die und die Art sein. Nix sonst!
Grüßlis
Thomas