Hallo Andreas,
danke für diese umfassende Erläuterung. Ich bin froh, daß mein Erinnerungsvermögen nicht ganz falsch iwar mit der Aussage bezüglich des Typus.Aber die geplanten bzw. angestoßenen Trennungen bringen m.E. nur Verwirrungen, die ich mir auf keinen Fall antun möchte, wenn ich dann nomenklatorisch auch nicht mehr auf dem neuesten Stand sein sollte.
Da sollen sich Fachmykologen und Taxonomen auseinanderdividieren, ich bleibe bei meinen derzeitigen Literaturquellen und Kartierungsunterlagen und benenne dementsprechend ( geht ja auch zum Teil gar nicht anders ).
Allerdings ist eines für mich klar,in einer solchen Grundsatzfragendebatte werde ich zukünftig nur noch sehr zurückhaltend argumentieren.
Herzlichen Gruß Detlef
, : Hallo Detlef,
: Ich kann nicht oft genug betonen, dass dieses Buch ein Gemeinschaftswerrk von
: drei Leuten ist und dass wir alles gemeinsam besprochen und diskutiert
: haben. Logischerweise setzt sich dann nicht immer einer durch, sondern
: manches wird schlicht per Mehrheitsbeschluss entschieden. Wie hier, aber
: auch wie in manch anderen Fällen. Sicherlich ist aber auch manches
: enthalten, was Peter Reil für sich alleine anders sehen würde und Achim
: Bollmann geht's bestimmt genauso.
: Die Typuswahl von Clitocybe ist schwierig zu entscheiden, da es in jedem Fall
: ein Lektotypus ist. Es stimmt, dass die erste Typuswahl (Earle 1909)
: Agaricus nebularis betrifft, was auch Donk aufgenommen hat. Andere sehen
: das aber anders. Wie so oft hängt das in dieser problematischen Gruppen
: damit zusammen, was der einzelnen nun als Trennmerkmal zwischen Clitocybe
: und Lepista ansieht. Je nach dem, ist es eben möglich dass nebularis Typus
: von Clitocybe sein kann, oder eben auch nicht.
: Harmaja geht noch einen anderen Weg, wie er in seiner jüngsten Publikation
: zeigt, die er mir als pdf geschickt hat. Früher war er auch der Meinung,
: Agaricus gibbus müßte der Typus sein, doch hat er sich neuerdings
: umentschieden. Dafür wartet er nun mit einem ganz anderen Konzept auf und
: führt die Cyanophilie der Sporen (und der Basidien eventuell) als
: Haupttrennmerkmal an, gefolgt von dem Merkmal, ob in Exsikkaten die Sporen
: mehrheitlich zu Tetraden verkleben oder nicht und weiteren Merkmalen.
: Damit kommt er zu dem Schluss, dass die cyanophilen Clitocyben mit Lepista
: vereint werden müssen (unter Lepista!), dass aber die Gruppe der
: nicht-cyanophilen Clitocyben (im wesentlichen die gibba-Gruppe s.l.) eines
: neuen Gattungsnamens bedarf. Diesen benennt er Infundibulicybe gen. nov..
: Also zukünftig nach seiner Darstellung Infudibulicybe gibba,
: Infundibulicybe costata etc. etc.
: Bei der Gelegenheit stellt er übrigens auch klar, welche der beiden nahezu
: zeitgleich publizierten neuen Gattungen für den Keulenfuß-Trichterling
: Priorität hat: Ampulloclitocybe Redhead,Lutzoni, Moncalvo & Vilgalys
: (publ. 5. Nov. 2002) gegenüber Clavicybe Harmaja (publ. 31.12.2002)
: Zu Ampullocybe sewi übrigens auch die Clitocybe squamulosoides zu ziehen, die
: also nicht wie C. squamulosa zu Infundibulicybe gehört - beide sind nun in
: verschiedenen Gattungen untergebracht. Ob das sinnvoll ist?
: So, das kann man nun natürlich akzepieren oder auch nicht. Zum einen muss man
: zwar nicht alles glauben bzw. übernehmen was gedruckt wird, zum anderen
: ist Harmaja aber natürlich ein ernstzunehmender Mykologe den man nicht
: übergehen darf. Das gilt aber für andere Konzepte im allgemeinen auch.
: Selbst Raithelhuber hat taxonomische Gliederungsvorschläge von Clitocybe
: publiziert, die man nicht einfach übergehen kann. Leider sind diese kaum
: jemandem zugänglich und selbst hochrangigen Blätterpilzspezialisten oft
: nicht bekannt, da nur im Eigenverlag in geringer Auflage publiziert und
: kaum erreichbar. Was Clitocybe betrifft, so hat Raithelhuber schon 1981
: einige Gruppen in eigenständige Gattungen abgetrennt, so auch C. odora
: (als Rubeolarius gen. nov.) und die flaccida-Gruppe (in Paralepista gen.
: nov.). ferner hat er das Subgenus Pseudolyphollum zur Gattung erhoben und
: in einen eigenen Tribus Pseudolyophylleae gestellt. Wurde von Bon auch
: aufgegriffen, soweit ich weiß.
: Weitere Splittergattungen sind u.a. Ossicaulis (für Clitocybe lignatilis),
: Singerocybe (für Clitocybe phaeophthalma) und Neoclitocybe (für Clitocybe
: alnetorum und dryadicola).
: Was nun die Typuswahl nochmals anbelangt, so wurde meines Wissens früher mal
: der Antrag gestellt, Agaricus gibbus zum typus conservandus von Clitocybe
: zu machen, was soweit ich weiß abgelehnt wurde. Weitere taxonomische
: Entscheidungen kenne ich nicht und hängen soweit ich dies überblicken kann
: auch von der Gattungsabgrenzung ab.
: Ich denke, hier ist noch längst nicht das letzte Wort gesprochen und ich
: könnte mir gut vorstellen, dass eine weitere Zersplitterung der Gattung
: Clitocybe in Zukunft vorgenommen wird. Ob dies allerdings die
: angesprochenen Probleme löst, darf bezweifelt werden.
: Wer sich für die beiden angesprochenen Artikel interessiert, kann sie von mir
: als pdf haben: HARMAJA, H. (2003) - Notes on Clitocybe s.lato
: (Agaricales). Ann. Bot. Fennici 40:213-218.
: RAITHELHUBER, J. (1981) - Gattung Clitocybe. 1. Teil. S. 13-24, Tf. 1+3 (=
: alles publizierte). Eigenverlag, Stuttgart.
: Das alles wird dem Einzelnen von uns nicht unbedingt die Lösung der Gattungen
: Clitocybe s.l. und Lepista vor Augen führen, aber es zeigt vielleicht
: etwas die Problematik auf und auch dass es "die" Lösung einfach
: nicht gibt - wie so oft in der Mykologie kann man halt nur Argumente
: lesen, verstehen versuchen und sich dann eine eigene Meinung zu bilden
: versuchen. Im übrigen gibt es ja auch noch die Konzepte von BIGELOW, BON,
: KUYPER, um nur die wichtigsten die mir grad einfallen zu nennen, die
: ebenfalls berücksichtigt werden müssen ....
: Ich für mich hatte mich eben in der Ba.-Wü.-Flora "irgendwie"
: entscheiden müssen und habe die mir derzeit (und auch jetzt noch) am
: plausibelsten erscheinende Lösung gewählt, wohl wissend, dass auch das nur
: eine von vielen Möglichkeiten ist und (mindestens) genauso kritisiert
: werden kann wie andere auch.
: beste Grüße,
: Andreas