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Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen

Geschrieben von: Ingo
Datum: 22. September 2006, 00:11 Uhr


Hallo Pilzfreunde!

Eigentlich ist die Überschrift nicht ganz zutreffend . Möglicherweise handelt es sich ja nur um ein
taxonomisches Problem. Die Bestimmung der aufgefundenen Art erschien mir eigentlich einfach.
Nach der Konsultation verschiedener Bestimmungsliteratur beschleichen mich nun aber doch Zweifel.

An dieser Stelle erst einmal ein paar Sätze zu meinen Funden und dann zur Artfindung, nach meiner
Auslegung.

Im Herbst 2000 fielen mir an einem Wegrand, mitten auf unserem Campinggelände, einige ziemlich große,
fast reinweiße Fruchtkörper auf, die sich dort in zwei kleineren Hexenringen durch das Moos und durch
recht dichtes Gras kämpften. An Bäumen gibt es dort lediglich Kiefern und am Wegesrand Birken.

Die Pilze hatten trichterförmige Hüte und erreichten teilweise Durchmesser von über 40 Zentimetern.
In den darauf folgenden Jahren erschienen die Pilze regelmäßig im Spätsommer wieder an dieser Stelle.
So auch in diesem Jahr am ersten Septemberwochenende.

Um einen Eindruck davon zu bekommen, hier erst mal ein paar Bilder von diesem Getümmel:

In den Jahren von 2000 bis jetzt konnte ich die Entwicklung, die Verbreitung und die Erscheinungszeit
dieser Pilze recht gut mitverfolgen und auch dokumentieren.
Die Fruktuation erfolgte immer im Spätsommer. Der früheste Erscheinungstermin war am 25.08.2005.
Als spätesten Termin habe ich den 18. September 2003 notiert. Das war hier ein trockener und heißer
Sommer bis Ende September.
Niemals konnte ich mehrere Wachstumsschübe beobachten. Innerhalb von 10 Tagen nach dem
Erscheinen der ersten Fruchtkörper war das Spektakel dann in schöner Regelmäßigkeit vorbei.
Erstaunlich ist der Umstand, dass in jedem Jahr neue Nester hinzukamen und begannen, kleine
Hexenringe auszubilden. Mittlerweile haben sich die Pilze auch in angrenzenden Waldflächen,
auch über den Waldweg hinweg ausgebreitet und fruktizieren nun auf einem etwa 5 mal so großen Areal
wie noch im Jahr 2000. Mindestens 6 Nester bzw. Hexenringe konnte ich zuletzt ausmachen. Am
vergangenen Wochenende war es dann für dieses Jahr mit der weißen Pracht vorbei. Allerdings, überall
wo die verrotteten Fruchtkörper auszumachen waren, konnte man im Umkreis von einem halben Meter
deutlich den reinweißen Sporenstaub erkennen. Es sah teilweise aus, als hätte dort jemand kiloweise
Mehl ausgeschüttet. Wenn man bedenkt, wie trocken und wie windig es in der vergangenen Woche war,
kann man sich leicht ausmalen, was in der näheren Umgebung in den kommenden Jahren los sein wird.

Nun zu meinem Anliegen. Ich hatte seinerzeit zur Bestimmung einen Kosmos-Naturführer benutzt,
der mir im Moment leider nicht zur Verfügung steht. Vielleicht erkennt ja jemand das Werk anhand der
Beschreibung. Es ist handelt sich dabei um ein Bestimmungsbuch mit Schlüsseln, welches von
englischsprachiger Autoren zu stammen scheint. Es ist ziemlich großes Buch, so etwas über A4, und
hat einen weinroten Umschlag.

In diesem Werk werden auch einige hier selten vorkommende Arten mit vor allem sehr schönen Bildern
abgebildet, weswegen ich es auch immer noch gerne benutze. Es ist übrigens erstaunlich, wie dort die
Bewertung der Essbarkeit für einige Arten ausfällt. So wird dort der Wollige Scheidling zwar als
extrem selten, gleichwohl aber als sehr guter Speisepilz beschrieben.

In jenem Werk habe ich auch sehr schnell meinen Trichterling auffinden können - formatfüllend mit
einem perfekten Foto. Verwechslungsgefahr so gut wie ausgeschlossen! Das Bild sah aus, als hätte
gerade irgendwer einen Schnappschuss bei mir im Wald gemacht.

Nach diesem Bestimmungsbuch konnte kein Zweifel bestehen, dass es dich bei der von mir aufgesammelten Kollektion
um Riesen - Krempentrichterlinge (Aspropaxillus giganteus) handelt.

Ehe ich nun weiter texte, hier noch einige Detailaufnahmen von einem jüngeren Exemplar:

Wie man erkennen kann, handelt es sich um einen dickfleischigen, stämmigen Vertreter seiner
Art, der auch noch in voller Größe aufgeschirmt, eine gewisse Festigkeit aufwies

hier noch ein paar Eigenschaften, die von den Bildern (noch?) nicht übermittelt werden können:
Der Geruch ist leicht süßlich, parfümartig – fruchtig. Am Ehesten erinnert der Geruch an den von
Erfrischungstüchern, wie man sie gelegentlich bei besseren Fluggesellschaften vor der Landung
gereicht bekommt. Zu einer Kostprobe am rohen Fruchtkörper habe ich mich bis heute nicht hinreißen
lassen.
Aufgrund meiner Bestimmung hatte ich damals einen Teil der Pilze gesammelt, zubereitet und probiert.
Der Geschmack der zubereiteten Pilze war ganz leicht süßlich aromatisch, was mir eher nicht so gefiel.
Am besten schmeckten sie noch mit Speck und Knoblauch gedünstet und eher rustikal gewürzt.

An dieser Stelle möchte ich nun aber zu meinem eigentlichen Anliegen kommen.
In vielen einfachen Bilderbüchern ist diese Art nicht aufgeführt. Daher wird sie wohl eher nicht so
oft vorkommen. Häufig findet sich beim Mönchskopf ein Hinweis auf diesen Krempentrichterling.

Nachdem ich dann die etwas hochwertigere Bestimmungsliteratur durchforstet hatte, musste ich
feststellen, dass die Einordnung meines Fundes eher noch komplizierter wurde.

Hier ein paar Literaturverweise:

Pilze der Schweiz – Band 3:
Hier ist ein Weißer Krempentrichterling (Leucopaxillus candidus) aufgeführt, der rein optisch
passen würde. Unter dieser Art geht man auch auf den Riesen- Krempentrichterling als eigenständige
Art ein, allerdings ohne diese weiter zu behandeln. Nach der Beschreibung im PdS hat L. candidus
einen mehlartigen und eher unangenehmen Geruch sowie einen unangenehm bitterlichen Geschmack.
(Das würde nicht zu meinen Funden passen)

Großpilze BW – Band 3
Hier bin ich auf Seite 132 fündig geworden. Allerdings unter Aspropaxillus giganteus.
Als Synonyme sind dort sowohl Leucopaxillus giganteus als auch L. candidus aufgeführt.
Wenn ich richtig informiert bin, sollte Aspropaxillus doch eher die veraltete Bezeichnung sein.
Erstaunlich aber, dass hier beide Arten in einen Topf getan wurden.

R.M. Dähncke – 1200 Pilze:
Seite 292: Riesenkrempen- Trichterling (Leucopaxillus giganteus), neu Aspropaxillus
Hut bis 40 cm. Hut und Lamellen weißlich, später cremefarben. Geruch nach Autorenangabe
nicht mehlartig sondern eher erfrischend und arteigen.

Seite 293: Weißer Krempen- Trichterling (Leucopaxillus candidus), neu Aspropaxillus
Hut bis 8 cm. Hut und Lamellen weiß, später weißlich bleibend bis leicht cremefarben.
Geruch nach Autorenangabe mehlig, im Schnitt nach Nebelkappe
Vorkommen: Gebirgswiesen, Nadelwälder, etc.

Autorenzitat am Schluss: Die Art wird neuerdings mit A. giganteus gleichgestellt.

Ende der Schmökerei.

Was nun?
Ich gebe zu, ich komme an dieser Stelle nicht weiter. Die übergeordnete Taxonomie ist
mir hierbei recht egal. Leuco- oder Aspropaxillus. Was ich allerdings interessant finde, ist der
Umstand, dass hier zwei Arten anscheinend in einen Topf geworfen wurden, die sich allein
aufgrund von mehr als einem makroskopischen Merkmal unterscheiden. Vor allem hinsichtlich
der Größe, der Farbe und auch vom Geruch her. Die ökologischen Ansprüche indes scheinen
die selben zu sein. Möglicherweise gibt es aber mittlerweile Erkenntnisse aus genetischen
Untersuchungen, die eine Zusammenlegung dieser beiden Arten erforderlich machten. Nach allen
Erkenntnissen würde ich meine Funde aber immer noch als Riesen – Krempentrichterling ansprechen.

Ich fände es wirklich sehr aufschlussreich, wenn hier mal jemand Licht ins Dunkel bringen könnte.
Vielleicht gibt es ja mittlerweile auch eine aktuelle Monographie zum Thema. Die von mir aufgeführte
Literatur ist ja zum Teil nicht die aktuellste.

Beste Grüße! Ingo

Beiträge in diesem Thread

Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- Ingo -- 22. September 2006, 00:11 Uhr
Re: Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- Thüringer-Holz -- 22. September 2006, 01:33 Uhr
Re: Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- zuehli -- 22. September 2006, 08:50 Uhr
Re: Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- Piwo -- 22. September 2006, 13:01 Uhr
Re: Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- Der Juergen -- 22. September 2006, 13:36 Uhr
Re: Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- Ingo -- 22. September 2006, 19:23 Uhr
Re: Bestimmungsprobleme mit Weißen Riesen -- Der Juergen -- 23. September 2006, 01:47 Uhr
korrekt! Den habe ich gemeint. :-) *oT* -- Ingo -- 24. September 2006, 21:15 Uhr

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