[ Thread ansehen ] [ Zurück zum Index ] [ Vorheriger Beitrag ] [ Nächster Beitrag ]

Pilze Pilze Forum Archiv 2006

Re: Aktuelles aus Brandenburg und MäcPomm

Geschrieben von: barfusskati
Datum: 29. August 2006, 00:43 Uhr

Antwort auf: Aktuelles aus Brandenburg und MäcPomm (Ingo)

Hallo,
wir waren letztes Wochenende in "unserem" Steinpilz-Pfifferling-Maronen-Wald im südlichen Brandenburg zwischen Berlin und Dresden. Da sah es ähnlich aus. Die Niederschläge der letzten Wochen waren wohl noch nicht ergiebig genug und nicht annähernd vergleichbar mit denen im Rheinland etc. Wir fanden zwei Steinpilze, 3 Maronen, 5 Butterröhrlinge, 1 Ziegenlippe. Davon die Hälfte nichts für Vegetarier ;-) Meine Schwiegereltern gehen schon seit 35 Jahren in den gleichen Wald und sind der Meinung, dass es in der Gegend immer erst später "losgeht" als im restlichen Deutschland.
Mich beschleicht jedoch so eine Vermutung, dass die Pilze in dieser Monokultur-Waldregion mit fast ausschließlich Kiefern mit den Jahren einfach wegbleiben. Ist das möglich?
Liebe Grüße, Kati

: Hallo liebe Forumsteilnehmer,

: das ist ja der Hammer! Da ist man keine zwei Wochen vom weltweiten Netz
: abgeschnitten,
: und im Forum ist die Hölle los. Über 1500 Postings in dieser kurzen Zeit –
: Wahnsinn.
: Von überall im „Sendegebiet“ wird von Rekordfunden berichtet – jedenfalls von
: fast überall!
: Irgendwie fehlt hier eine größere Region - unser Tiefland in den
: nordöstlichen Ländern.

: Da ich mich in den vergangenen Wochen etwas mehr mit den östlichen Ländereien
: beschäftigen
: konnte, bietet sich nun die Möglichkeit für einen ausführlicheren
: Lagebericht.

: Leider ist es so, dass sich die langanhaltende Hitze- und Dürreperiode hier
: länger halten konnte.
: Ungefähr drei Wochen ist es her, dass die ersten ergiebigen Niederschläge
: auch die Region
: zwischen Berlin und der Oder erreichte. Da es im Anschluss zu regelmäßigen
: Niederschlägen
: kam, verbessert sich die Lage nun täglich.

: Die von mir vor drei Wochen vorgestellten, seltenen Schirmlingsarten
: erschienen ja in einem
: eher außergewöhnlichen Biotop.

: So ist es auch kein Wunder, dass zuerst die etwas trockenheitsresistenteren
: Arten auf
: sich aufmerksam machten. Diese hübsch anzusehenden Porlinge hier etwa, die
: vor zwei
: Wochen anzutreffen waren:

: ein noch junges Exemplar vom Schwefelporling (Laetiporus sulphureus)
: Da es noch komplett zart war, habe ich es auch kulinarisch verwertet. In ein
: bis zwei Zentimeter
: dicke Scheiben geschnitten, etwas Salz und Pfeffer von beiden Seiten daran
: und dann ab damit
: in die heiße Butter. Zitrone kann man sich sparen, da der Pilz ohnehin leicht
: säuerlich schmeckt.
: Ich war schon überrascht vom delikaten Aroma, zumal die Stücke sehr zart
: waren.
: Panade spart man sich besser, da der Pilz dann genau so schmecken würde wie
: Schnitzel
: und wie paniertes Seelachsfilet. Eben nach Panade!

: Als Nächstes noch ein riesiges ausgewachsenes Exemplar, was leider schon am
: Verholzen war.
:
: Ach so! Hatte ich eigentlich erwähnt, dass das für mich der Erstfund eines
: Sulphureus war?

: Weiterhin gab es auf einem regelmäßig bewässerten Rasenstück diese
: Anischampignons
: zu ernten. Aufgrund der relativen Zerbrechlichkeit habe ich mich
: entschlossen, die Art als
: Dünnfleischiger Anis-Champignon (Agaricus silvicola) anzusprechen.
: Von weiteren Bestimmungsversuchen habe ich abgesehen, da die Pilze eben
: deutlichen
: Anisgeruch verströmten und ich damit auf die Schnelle ein paar auf einem
: Polenmarkt erworbene
: Rotkappen kulinarisch veredeln konnte. Hier ein Bild:

: Mittlerweile hatte sich auch auf dem „berühmten“ Schirmlingskompost etwas
: getan.
: In ungeahnter Anzahl stieß nun ein weitere Schub vom Leucoagaricus americanus
: nach.
: Insgesamt waren es etwa 30 Exemplare. Sorry. Ins Deutsche übersetzt nennt
: sich die
: Art immer noch Büscheliger Egerlingsschirmpilz. Hier ein Bild von dem
: Gewucher:

: Dann muss ich hier der Gerechtigkeit halber ein Bildchen von einigen
: Knoblauchwindlingen
: herzeigen. Nach jedem besseren Regen erschienen diese in Unmengen. Ich
: glaube, wir haben
: davon mittlerweile an die 50g Trockenpilze. Das will schon was heißen. Ach
: so, hier das Bild:
: Die Exemplare fruktizieren eindeutig auf Holz, hier auf einem Birkenstubben!
: Wir hatten hier vor einigen Wochen hier einen kleinen Disput, ob diese Pilze
: auf
: auch auf Holz wachsen können oder nur auf dem Waldboden. Ich meine, die
: Exemplare
: waren recht fest angewachsen. Man muss es eben selbst gesehen haben, um daran
: zu glauben. Schöne Grüße nach Bayern in diesem Sinne!

: Das war dann aber auch bereits alles, was es über die Regionen in den
: östlichen Brandenburger
: Kiefernwäldern zu diesem Zeitpunkt zu berichten gibt. Ein 2-stundiger
: Kontrollgang am 21. Aug.
: erbrachte einen zerfressenen Täubling, ein paar Baby-Kuhpilze und ein Dutzend
: Gelbe
: Lohblühten – sonst nichts! Und das, während andere Regionen im Land bereits
: in der
: Pilzschwemme „absoffen“. Kann man nichts tun halt. Ich konnte mich ja täglich
: am Wachstum
: der „Büscheligen“ erfreuen. Hier das Bild von jenem Tage:

: Am 22.Aug. begab ich mich dann mit meiner Frau zwecks Muttern’s Geburtstag
: nach
: MäcPomm – genauer nach Potthagen bei Greifswald. Der dortige Wald hat es in
: der Tat
: In sich. Uralte Fichten- und Lärchenbestände. Eingestreute Buchen, Kiefern
: und Birken
: und vor allem eine wesentlich kürzere Trockenperiode im Juli - genial.
: Am 23.Aug. haben wir uns den Forst dann mal alle zusammen vorgenommen.
: Da gab es schon Pfifferlinge, Butterpilze, Maronen und Goldröhrlinge (Suillus
: grevillei).
:
: Die sind eigentlich nicht Besonderes. Jedoch habe ich die mangels Lärchen
: seit mehr
: als 20 Jahren nicht mehr gesehen und schon gar nicht abgelichtet.

: Ferner waren da auch schon reichlich Fichtensteinpilze vorhanden. Anders als
: bei
: uns wachsen die tatsächlich auch bei Fichten. In unserer Region müssen die
: halt mit
: Kiefern vorlieb nehmen. Allerdings – alle haben sie zum fressen gern - nicht
: nur der Hans
: aus dem Südschwarzwald.
:

: Besondere Freude rief bei uns der Fund einer riesigen Krause Glucke
: (Sparassis crispa) hervor.
: Das Exemplar wog gerne drei Pfund und wir haben es am Ende gerecht geteilt.
:
:

: Hier ein Foto von meinem Beutekorb. Ein Steini reicht mir für ein feines
: Mischgericht
: vollkommen aus. Dafür konnte ich zum ersten mal seit 15 Jahren Flockenhexen
: erbeuten. Leider scheinen diese mit Kiefern gar nicht klar zu kommen. Von der
: Qualität
: waren die bedeutend besser als die Steinpilze, da diese leider wieder völlig
: vermadet waren.
:

: Der Abstecher an die Ostseeküste war neben der schönen Geburtstagsparty also
: auch
: aus mykologischer Sicht ein voller Erfolg. Wenn das nur nicht immer so weit
: wäre!

: Nebenbei bemerkt: In unmittelbarer Nähe sind auch die beiden international
: bekannten
: Mykologen Herr Prof. Kreisel und Herr Dr. Amelang wohnhaft. Sie haben da
: sicher ein prima
: Arbeitsumfeld auch für die praktische Betätigung.

: Wer die Gegend nicht kennt - hier ein Foto von der historischen Wiecker
: Brücke mit Blick
: in den Hafen und in die Boddenausfahrt:

: Wie dem auch sei. Am Nachmittag ging es zurück in unser Urlaubsdomizil
: Campingplatz.
: Dort gab es gleich zwei Überraschungen – eine gute und eine nicht so schöne.
: Hier die gute:
: Dutzende junge Parasole haben sich ihren Weg durch den Rasen gebahnt.
: Wie schon vor Wochen beschrieben, wecken diese die Begehrlichkeiten einiger
: Saisongäste.
: So musste ich leider feststellen, dass sämtliche Egerlingsschirmpilze
: abgesammelt waren.
: Wohl bekomm’s, wenn die wirklich giftig sind. Wir haben wenigstens auf der
: Sanitätsstelle
: eine Mitteilung hinterlassen. Für den Fall, dass sich jemand mit akuten
: Vergiftungserscheinungen
: meldete.

: Am 26.Aug. haben wir nochmal im Kiefernwald die große Runde gedreht. Und
: siehe da – es geht
: nun auch hier los. Es waren zwar nur 6 Steinpilze und ca. 1 Pfund Maronen.
: Aber verglichen mit
: den Funden 5 Tage zuvor eine astronomische Steigerung. Das deckt sich auch
: mit meinen
: langjährigen Beobachtungen. So dauert es in etwa drei Wochen nach den ersten
: Niederschlägen,
: bis die Boleten schießen. Oder noch sicherer – eine Woche nach dem ersten
: massenhaften
: Auftreten der Parasole.

: Gestern Vormittag sahen die übrigens so aus:

: ...und am Nachmittag waren sie alle spurlos verschwunden!

: Mein Schlusswort also: jetzt wird auch hier die Maronen- und
: Steinpilzschwemme beginnen.
: Holt sie bitte weg, denn sonst vergammeln sie wieder wie voriges Jahr im
: August.
: Man glaubt gar nicht, welchen Gestank ein 30 cm großer Gammelsteinpilz so
: verströmen
: kann; vor allem wenn die alle 5 m auf dem Waldboden herumliegen.

: Übrigens- Raritäten gab es trotzdem noch. Mal sehen, wann ich wieder Zeit
: dafür finde.

: Viele Grüße – Ingo.

Beiträge in diesem Thread

Aktuelles aus Brandenburg und MäcPomm -- Ingo -- 29. August 2006, 00:09 Uhr
Wie immer - prima Doku!!! *oT* -- Thüringer-Holz -- 29. August 2006, 00:20 Uhr
Re: Aktuelles aus Brandenburg und MäcPomm -- barfusskati -- 29. August 2006, 00:43 Uhr
Re: Aktuelles aus Brandenburg und MäcPomm -- Ingo -- 29. August 2006, 18:13 Uhr
Tolle Bilder - Danke!!! *oT* -- Spessart-Räuber -- 29. August 2006, 16:10 Uhr

[ Thread ansehen ] [ Zurück zum Index ] [ Vorheriger Beitrag ] [ Nächster Beitrag ]

Pilze Pilze Forum Archiv 2006 wird administriert von Georg Müller mit WebBBS 5.12.