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Pilze Pilze Forum Archiv 2006

"Geht es nicht auch um Menschenleben?"

Geschrieben von: Heinz Ebert
Datum: 15. September 2006, 00:25 Uhr

Antwort auf: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen (Ingo)

Ich weiß nicht wie oft diese Problematik an das Bundesgesundheitsministerium herangetragen worden ist. Dies ist jedoch die zuständige Stelle für diese Aufklärung.
Ein entsprechendes Aufklärungs-Faltblatt gab es schon Anfang der 30-er Jahre.
Im Übrigen denke ich nicht, dass es Amanita citrina ist, die für Verwechslungen verantwortlich ist, und auch nicht Tricholoma flavovirens (=equestre), und auch nicht T. sejunctum, sondern ein grüner (Hutoberfläche) Scheidenstreifling, der in Russland häufig zu sein scheint und oft gegessen wird.
WIR WISSEN DOCH: Unkundige "Pilzexperten" schauen sich die Fruchtkörper nur von oben an! Anatomische Merkmale wie Lamellenfarbe, Manschette (+-) und "Knolle" (+-) werden gar nicht beachtet, und sie sind durch unsachgemäßes Sammeln (z.B. Abschneiden) oft auch gar nicht mehr vorhanden.
Die notwendige Aufklärungsarbeit könnte sicher die DGfM leisten, wenn sie "es sich leisten" könnte, denn so etwas ist doch immer mit Kosten verbunden.
Die entsprechende Frage ist also an das Bundesgesundheitsministerium, oder noch viel besser an den Verband der Krankenversicherungen zu richten, denn das erstere hat eine bestimmte Verantwortlichkeit, und der letztere würde im Hinblick auf die enormen Behandlungskosten ganz sicher durch Ausgabenminimierung profitieren.
Aber wenn nix passiert, und man hat aber vorgebeugt, dann sind ja die Profite minimiert, und verhütete Kosten sind bekannterweise nicht nachweisbar. So wird jedenfalls heute gerechnet.
Und so gesehen wird es lustig so weitergehen wie bisher. Die paar Pilztoten gehen statistisch gesehen unter!
Man höre auf, sich darüber Gedanken zu machen (ich habe diesbezüglich längst resigniert).
Beste Grüße, Heinz Ebert

: Hallo Pilzfreunde,

: in letzter Zeit häufen sich hier die Fragen nach dem Speisewert einiger
: Pilzarten.
: Weiterhin kam das Thema Pilzvergiftungen im Zusammenhang mit guten Arten
: zur Sprache. Ungekrönter Spitzenreiter ist wie so oft der Hallimasch. Das ist
: kein Wunder,
: da die Hallimaschbüschel in einigen Regionen momentan massenhaft erscheinen.

: Was mir aber momentan unter den Nägeln brennt, ist ein anderes Thema.
: Leider fand gestern im Rahmen des Beitrages zu einem tollen Fund eines
: Ochsenröhrlings
: einer kleiner Nebendisput statt, dem meiner Meinung nach wesentlich mehr
: Aufmerksamkeit
: gebühren muss. Daher möchte ich dem Thema hier nochmal die ihm gebührende
: Aufmerk-
: samkeit verschaffen.

: Es geht mir um die 12 Vergiftungen mit dem Phalloides Syndrom in
: Westdeutschland.
: Verglichen mit diesen Vergiftungen sind die Hallimaschallergien etwa so
: einzuordnen
: wie ein gebrochener Zeh. Tut weh - wird aber wieder!

: Leider konnte bisher niemand einen der betreffenden Beitrage der Tagespresse
: hierher
: verlinken. Daher hier nochmal kurz der Grundtenor der Beiträge: Es handelte
: sich bei den Vergiftungsopfern angeblich um Spätaussiedler aus dem Bereich
: der
: ehemaligen SU, die bei der Suche nach Grünlingen Grüne Knollenblätterpilze
: als solche
: erkannt und verwertet haben wollen. Vorneweg – es geht mir hier nicht um den
: Grünling.
: Der von dieser Art möglicherweise verursachte Muskelschwund scheint nach den
: letzten
: Berichten, rechtzeitig erkannt, auch erfolgreich zu kurieren sein.

: In meiner ersten Reaktion auf den gestrigen Bericht befand ich, dass eine
: Verwechslung
: von Amanita phalloides mit Tricholoma equestre eigentlich unmöglich sein
: sollte.
: Daher verwies ich auf einen mir bekannten Artikel, nachdem es eher
: wahrscheinlich ist,
: dass die Neubürger es auf den Gelben Knollenblätterpilz abgesehen hatten.

: Ich habe mich gestern mal in meiner Literatursammlung umgesehen und den
: fraglichen
: Beitrag auch gefunden. Erschienen ist er im “Tintling“ Nr. 28 vom 27.Oktober
: 2001.

: Der Beitrag stammt von dem bekannten Sachverständigen für Pilzvergiftungen,
: Herrn Harry Andersson aus Braunschweig, der unter anderem auch für das
: Giftinformations-
: zentrum Nord in Göttingen tätig ist. Herr Andersson veröffentlichte in jenem
: Beitrag seine
: Erkenntnisse, die er in einem, seinerzeit, aktuellen Vergiftungsfall mit
: ebenfalls zwei
: vergifteten Spätaussiedlern machte. So kam Herr Andersson zu dem Schluss,
: dass sich die
: betreffenden Personen eben nicht mit Knollenblätterpilzen vergifteten, weil
: sie diese mit allseits
: bekannten Speisepilzen verwechselt hatten. Wozu denn auch. Diese Speisepilze
: kommen auch in
: Osteuropa zum Teil häufig vor, sind dort gut bekannt und in der Regel auch
: gängige
: Marktpilze. Als Verursacher wurde vielmehr eine Art ermittelt, die
: hierzulande keinerlei
: Speisewert hat und in der Literatur häufig auch als Giftpilz eingestuft wurde
: – grundlos
: übrigens, wie aktuelle Untersuchungen ans Licht brachten, nämlich Amanita
: citrina.

: Der gelbe Knollenblätterpilz scheint zumindest nach aktuellen Erkenntnissen
: In Osteuropa ein
: häufiger Pilz zu sein. Wogegen die Verbreitung des Grünen
: Knollenblätterpilzes gen Osten abzunehmen
: scheint.
: Das halte ich ebenfalls für eine logische, wenn auch für die umgesiedelten
: Gewohnheitssammler
: bedrohliche Erklärung. Ich möchte auch davor warnen (wenn ich das darf?), die
: neuen Mitbürger
: in dieser Hinsicht zu unterschätzen.
: So veröffentlichte Herr Dr. Amalang von der UNI Greifswald vor einiger Zeit,
: ebenfalls im “Tintling“,
: einen umfangreichen Bericht, nachdem er verschiedene Gebiete in Russland
: bereist hatte.
: Im Wesentlichen kommt er zu dem Ergebnis, dass die Leute dort auf Pilze als
: Nahrungsergänzung
: angewiesen sind und auch Arten verwerten, die hierzulande maximal noch als
: Foto im Forum herhalten
: dürfen. Allerdings sollen sich die Menschen dort sehr wohl bewusst sein, was
: sie sammeln und wie
: sie es am besten verwerten können. Selbst in armen Regionen möchte sich
: sicher niemand
: seine Gesundheit zerstören. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das
: Gesundheitssystem dort
: mit unserem nicht vergleichbar ist.

: Soweit zu den Zitaten aus der mir vorliegenden Literatur.

: Mein Problem ist nun folgendes: Scheinbar werden die Grünen
: Knollenblätterpilze hierzulande von einigen Spätaussiedlern mit
: anderen, essbaren Wulstlingen verwechselt. Allein aus dem Grund, dass der
: Giftpilz dort nicht
: vorkommt und diese Leute keinerlei Kenntnis von der Gefahr für Leib und Leben
: haben.

: Ich weiß nicht, ob nach den seinerzeitigen Vergiftungsfällen irgendwelche
: vorbeugende
: Maßnahmen erfolgten. Wenn welche erfolgten, dann ohne Wirkung, wie die
: aktuellen
: Vergiftungsfälle zeigen.

: Wäre es nicht möglich, bei dem ganzen Wust an Billigveröffentlichungen, die
: zur Zeit
: im Buchhandel kursieren, wenigstens von verantwortlicher Stelle aus ein
: bebildertes
: Informationsblatt für die Mitbürger, nach Möglichkeit in russischer Sprache,
: zu erstellen
: und an diese zu verteilen?
: Was würde so was kosten? Sicher doch keine 500.000,-€ - oder?

: In einem aktuellen Artikel habe ich gelesen, dass eine Vergiftungsbehandlung
: mit dem
: Phalloides - Syndrom im Schnitt ca. 10.000,-€ kosten soll. Allein aus
: finanzieller Sicht
: sollte es doch im Interesse der Krankenkassen liegen, solche Kosten zu
: vermeiden.

: Wäre das eigentlich nicht auch einmal ein praxisbezogenes Thema, wo die DGfM
: überregional
: Profil zeigen und auf ihre Kompetenzen in Sachen Pilze verweisen könnte?
: Und nebenbei – geht es nicht auch um Menschenleben?!

: Ingo

Beiträge in diesem Thread

aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- Ingo -- 14. September 2006, 23:44 Uhr
"Geht es nicht auch um Menschenleben?" -- Heinz Ebert -- 15. September 2006, 00:25 Uhr
Re: "Geht es nicht auch um Menschenleben?" -- Pilzmichel -- 15. September 2006, 01:16 Uhr
ihr habt leider beide recht *oT* -- manu2 -- 15. September 2006, 01:07 Uhr
Re: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- proletus -- 15. September 2006, 03:00 Uhr
Re: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- Jochen Girwert -- 15. September 2006, 08:37 Uhr
Re: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- Steininger -- 15. September 2006, 09:04 Uhr
Re: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- Piwo -- 15. September 2006, 09:58 Uhr
Re: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- Waldschrat -- 15. September 2006, 09:47 Uhr
Re: aktuelle Knollenblätterpilzvergiftungen -- florian31 -- 15. September 2006, 10:05 Uhr
kein angenehmes Thema, ... -- Ingo -- 15. September 2006, 12:38 Uhr
Re: kein angenehmes Thema, ... -- Hirschling -- 16. September 2006, 00:41 Uhr
Re: kein angenehmes Thema, ... -- manu2 -- 16. September 2006, 10:14 Uhr
Re: kein angenehmes Thema, ... -- Ingo -- 17. September 2006, 21:35 Uhr
Re: kein angenehmes Thema, ... -- florian31 -- 18. September 2006, 10:04 Uhr

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