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Pilze Pilze Forum Archiv 2006

Montagskino mit Fragezeichen

Geschrieben von: Ingo
Datum: 9. Oktober 2006, 23:24 Uhr


Hallo Forum !

In dieser Woche kann ich endlich mal wieder Bilder von freilebenden Pilzen präsentieren.
Nicht dass hier in unseren Kiefernwäldern irgendwas zu holen wäre. Bis auf wenige Ausnahmen
sind noch keine Großpilze erschienen. Vielleicht reichen ja die ca. 10 Liter pro qm aus der
Vorwoche, um noch irgendwas zu richten. Allerdings ist nun ja wieder warmes, trockenes
und vor allem auch wieder ostwindiges Wetter angesagt.

Glücklicherweise haben wir nördlich von Berlin auch Waldgebiete mit Buchenbeständen.
Bei Wandlitz zum Beispiel gibt es einen Rotbuchenbestand, der im Sommer 2002 von einem
Sommerorkan heimgesucht wurde. Der Sturm hatte seinerzeit sogar Menschenleben gefordert und
so nebenbei die Hälfte der gigantischen, alten Buchen entwurzelt. Ich meine sogar, dass es diese
Gewitterfront war, die damals nur von Meister Kachelmann richtig vorhergesagt wurde. Seitdem
werden alle größeren Niederschlagsgebiete in den lokalen Vorhersagen von Unwetterwarnungen
begleitet. Vielleicht kann sich einer von den Wetterexperten hier noch genauer erinnern.

Jedenfalls herrschen in diesem Waldstück mittlerweile, aus mykologischer Sicht, paradiesische Zustände.
Zwar wurden die dicken Buchenstämme weggeholt, aber es liegen immer noch Unmengen Bruchholz
herum. Ein Eldorado für die Freunde der Baumpilze. Ich kenne mich in diesem Metier nicht allzu gut
aus, möchte hier aber dennoch ein paar winzige Auszüge vom Artenreichtum präsentieren. Es ist
quasi wie in einer Pilzausstellung, wo jemand die Typenschilder eingesammelt hat.

Die ersten drei Arten habe ich allerdings bereits am Samstag im Kiefernbestand angetroffen.
Als erstes diese Körnchenschirmlinge hier:

Es spricht eigentlich viel für den Amiant Körnchenschirmling (Cystoderma amianthinum)
Da gibt es aber noch einige ähnliche Arten und Varianten, so dass ich dazu gerne Eure Meinung
wissen würde.

Das nächste Bild zeigt eindeutig Tintlinge (Coprinus spez.). Nicht mehr und auch nicht weniger!

Nach meinen Erfahrungen hier vom Bild her sicher nicht bestimmbar. Vielleicht immer noch Haustintlinge?

Des weiteren einen wunderschönen Porling auf einem Kiefernstumpen. Er hatte auf der Hutoberfläche
eine Art Pelz und sah so aus, als hätte jemand meine Plüschflunder an den Stamm genagelt.

In den 1200 Pilzen von RMD gibt es da auf Seite 331 einen Porling, der von der Beschreibung her
hinkommen könnte, den Kiefernporling (Phaeolus spadiceus). Ich hoffe, hier können die Trametenexperten
weiterhelfen.

Die nachfolgenden Bilder sind allesamt im besagten Buchenforst entstanden. Trameten und Porlinge
hätte ich dort massenhaft knipsen können. Ich habe mich aber mit diesem einen, hübschen Porling
begnügt. Die anderen laufen nicht weg und sind auch noch im Winter dort. Die richtige Zeit, um sich
mit so etwas auseinander zu setzen.

Der Pilz sieht aus wie frisch lackiert. Vielleicht ist es der Rotrandige Baumschwamm. Aber das ist
eher geraten. Ich komme auch mit meiner Literatur nicht allzu weit und für die BW Pilze Band 1 fehlte
mir heute die Geduld.

Der nächste Vertreter ist allerdings kein Baumpilz. Ich hätte den niemals gesehen, wenn ich nicht
gerade zwecks Fotos auf dem Boden herumgerobbt wäre. Meiner Meinung nach sollte er auf jeden
Fall in die Pfifferlingsverwandtschaft gehören.

Er schaut eigentlich nach einem Trompetenpfifferling (Cantharellus tubaeformis) aus. Mit diesem
schönen, gelblichen Stiel. Bei uns ist der Mangelware und für mich wäre es ein Erstfund.

Das nächste Bild zeigt keinen Habichtspilz, wie man auf den ersten Blick meinen könnte,

sondern wiederum einen Porling. Der stand wohl auf einem unterirdischen Holzrest und schaut von
unten so aus:

Mit meinen zaghaften Bestimmungsversuchen lande ich bei einem Porling namens
Sklerotienporling (Polyporus tuberaster). Wenn ich so was nochmal finde, werde ich mal schauen,
ob da auch ein Sklerotium ist.

Im weiteren Verlauf gab es auch ein paar Vertreter aus der Seitlingsfamilie zu beobachten.
Hier ein Foto von ein paar völlig überständigen Exemplaren, auf dem ich aber einen entscheidenden
Hinweis zur Artfindung zu erkennen glaube – am Stiel:

Nach meiner Ansicht sind das Rillstielige Seitlinge (Pleurotus cornucopiae). Allerdings ohne Gewähr!!!

Einen weiteren, rätselhaften Fund stellen für mich die nachfolgenden Schüpplinge dar.
Normalerweise gab es dort an den Buchen in anderen Jahren immer büschelweise von den
klebrigen, goldfarbenen Pholiatas zu bewundern. Diesmal nichts davon. Dafür aber diese hier:

Eigentlich führen alle Hinweise zum Tonfalben Schüppling (Pholiota lenta). Die Pilze wuchsen auch
nicht direkt an den Stämmen, sonder eher irgendwo daneben. Vielleicht handelt es sich auch um
ausgeblasste Vertreter einer farbenfroheren Art. Aber es waren insgesamt drei Exemplare, die
ziemlich verstreut standen. Eine Geschmacksprobe erbrachte beim Hutfleisch einen angenehm,
pilzigen Geschmack. Ein Siel war allerdings etwas bitter. Ich kann schon jetzt einen gewissen
Spruch erahnen, der da ungefähr so anfängt: Ohne Mikroskop......! ;-)

Bei den nächsten Pilzen ist dann aber (hoffentlich) Schluss mit Rätselraten.

Mit Vorliebe an Buchen fruktizieren die Wässrigen Faserlinge (Psathyrella hydrophilia)

Die Art nennt sich im Volksmund auch Weißstieliges Stockschwämmchen und ist essbar.

Ebenfalls an Holz konnte ich diese Speisepilze bewundern:

Das sind die berühmten Judasohren (Auricularia auricula-judae), auch Chinamorcheln
oder Holunderpilz genannt. Vielleicht erkennt ja jemand die Holzsorte.

Des Weiteren hatte ich das Glück, diesen Stachelbart vor die Linse zu bekommen.

Das sollte der Dornige Stachelbart (Creolophus cirrhatus) sein. Der Fruchtkörperumfang
lag so bei 25 cm. Ganz schön überständig schon, aber immerhin!

Nicht fehlen dürfen natürlich die Krausen Glucken. Dass die auch im Buchenwald wuchern;
mich hat es nicht gestört.

Sie wachsen nicht nur an den alten Kiefernstümpfen. Ich konnte auch wenigstens zwei Exemplare
ausmachen, die es mit Buche hielten. Insgesamt konnte ich acht Fruchtkörper ausmachen. Die
Hälfte davon war noch gut und kam in das Dörrgerät.

Die letzte Art, die ich in diesem Bericht zeigen möchte, hatte bereits gestern Abend als Rätsel
ihren Auftritt hier im Forum – diese hübschen “Elefantenohren“:

Es ist tatsächlich schon die Winterform vom Austernseitling. Die Theorie vom Frostschock, den
diese Art angeblich zum fruktizieren benötigt, kann man getrost ad Akta legen. Diese Fruchtkörper
hatten wohl schon zum Monatswechsel ihren Start gehabt. Da hatten wir noch trockene 27°C!
Ich glaube, der letzte Nachtfrost war irgendwann im April gewesen.

Ich bin heilfroh, dass ich gestern diesen Abstecher gemacht habe. Hier das Ergebnis meiner
zweistündigen Pilzwanderung:

Wie es in den Kiefernwäldern momentan aussieht, habe ich ja schon zur Genüge geschildert.
Ich freue mich, dass ich doch noch so viele verschiedene Arten angetroffen habe und hoffe, dass
Für viele Forumuser etwas Interessantes dabei ist.

Beste Grüße aus den spätsommerlichen Berlin!
Ingo

Beiträge in diesem Thread

Montagskino mit Fragezeichen -- Ingo -- 9. Oktober 2006, 23:24 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Steininger -- 10. Oktober 2006, 01:19 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Ingo -- 10. Oktober 2006, 13:08 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- zuehli -- 10. Oktober 2006, 08:22 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Rudi -- 10. Oktober 2006, 13:05 Uhr
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Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Werner -- 10. Oktober 2006, 20:21 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Ingo -- 10. Oktober 2006, 23:35 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Werner -- 11. Oktober 2006, 01:07 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Ingo -- 12. Oktober 2006, 00:04 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Stephan Weißer -- 10. Oktober 2006, 20:28 Uhr
Re: Montagskino mit Fragezeichen -- Ingo -- 11. Oktober 2006, 00:01 Uhr
Dienstagsantworten -- Thüringer-Holz -- 10. Oktober 2006, 23:52 Uhr
Re: Donnerstagsreaktionen -- Ingo -- 12. Oktober 2006, 00:10 Uhr
schneebedeckte Wiesen -- Thüringer-Holz -- 12. Oktober 2006, 02:26 Uhr

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