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Pilze Pilze Forum Archiv 2006

Re: Andere Laender, andere Sitten

Geschrieben von: Saftling
Datum: 15. Oktober 2006, 16:55 Uhr

Antwort auf: Re: Andere Laender, andere Sitten (Der Juergen)

Hallo Juergen,

: Dein interessanter Erfahrungsbericht bestätigt auch meine Einschätzung dieses
: Themas. Ich plädierte damals in einer Diskussion im DGfM-Forum dafür, dass
: man den Menschen die Natur wieder nahebringen sollte, indem man sie zu
: Kundigen und "Kunden" der Natur macht. Jeder in Deutschland darf
: sich aus staatlichen oder kommunalen Wirtschaftswäldern ernähren, das ist
: per Waldgesetzen geregelt. Für den Eigenbedarf und nonkommerziell ist dies
: möglich (abgesehen von touristischen "Ballungsgebieten", die mit
: Sammelbeschränkungen operieren). Wenn niemand mehr in den Wald geht, weiß
: niemand mehr, was dort passiert.

Exakt! Wenn man sich die vielen Verbote im Zusammenhang mit Aktivitaeten in der freien Landschaft anschaut koennte man Natur definieren als "Natur ist, wo man nicht hin darf". Diese "Anfassen verboten!"-Diktion unseres Artenschutzrechts wird langfristig dazu fuehren, dass kaum noch jemand Kenntnisse ueber Flora, Funga und Fauna hat.
Was das Sammeln von Pilzen oder Fruechten und Kraeutern angeht finde ich, dass enge Mengenbegrenzungen auch unsozial sind. Jedenfalls wirkten die wenigen Menschen, die mir begegnet sind als sie ungewoehnlich grosse Mengen Beeren oder Pilze sammelten (Handkarren) alle wie arme Schlucker, fuer die das Sammeln und der Verkauf von Erzeugnissen des Waldes eine Moeglichkeit ist, ein paar Euro zu verdienen. Reich wird damit niemand. Dank der derzeitigen gesellschaftlichen Veraenderungen wird es aber immer mehr solche Menschen geben. Uebrigens zeigen ja gerade die gewaltigen Mengen Pilze, die in Osteuropa ebenfalls aus existenziellen Gruenden geerntet werden, dass das Sammeln die Pilze nicht ausrottet. Wenn jemand gegenteiliger Meinung ist, bitte Beweise vorlegen!

: So können Kommunen "stillheimlich" Großerntemaschinen auch in
: "Plenter-Wäldern" einsetzen - das machen die auch, wenn keiner
: hinguckt! Bei uns kam es oft vor, dass kleine Reisschlag-Pächter plötzlich
: mit ihren Autos gar nicht mehr zu ihren Parzellen fahren konnten, weil
: einhalb-meter tiefe Spurrillen der Holzernter die Rücke-Schneise
: unpassierbar machten. Wenns in der Stadtkasse dürr aussieht, wird schon
: mal über den Stadtwald Geld reingeholt; da werden "ungefragt"
: alte Edellaubbäume aus den Naturnahen Wäldern geholt, und nicht wie früher
: mit Pferden, sondern mit den Harvestern und Stahlseilen. Überall regiert
: Gewinnmaximierung und Rationalisierung. Wenn man nicht in den Wald geht,
: sieht man sowas nicht, und kann auch nicht handeln (Verstöße dem lokalen
: Naturschutzverein oder der Forstbehörde melden!). Es sollte auch, und da
: hast Du völlig Recht, endlich mal aufhören, dass man dem "kleinen
: Natur-Begeher" immer ein schlechtes Gewissen einpflanzt! Wozu diese
: Beschilderung der Natur (LSG, NSG, ND usw); die völlig überflüssigen
: "Mahnmale" dienen doch nur dazu, dem Naturfreund vor Augen zu
: führen, hier müsse er sich jetzt aber ganz vorsichtig bewegen, um die
: Natur nicht zu zerstören - und zweihundert Meter weiter gibts eine
: Sandgrube, die die nächsten 100 Jahre eine Abbaulizenz besitzt. Warum
: regen sich Förster über Waldgrillplatz-Müll, Wildcamper und
: Scheißhaus-Vandalismus mehr auf, als über den
: "Kahlschlag-Befehl" der Kommune, oder den unsinnigen Wegebau der
: Flurbereinigung, oder den schweren Gerätepark im Waldeinsatz, oder der
: blöden "Verfichtung" von Kahlschlagflächen und und und!

Ich fuerchte, da hast Du leider recht. Was die sog. "ordnungsgemaesse Forstwirtschaft" heute treibt, kann man z.T. nur noch als Vandalismus bezeichnen. Frueher hatte ich die Schaeden durch die ueberschweren Maschinen nur als unerfreulichen Anblick empfunden, der zwar eine aesthetische Beleidigung, sonst aber nicht weiter schlimm ist. Doch neulich ist ein Artikel in "Spektrum der Wissenschaft" erschienen, wo die Auswirkungen des Befahrens von Boeden mit schweren Maschinen beleuchtet wurden, v.a. unter den Aspekten der Bodenerosion und der Wasserspeicherkapazitaet. Kennt "zufaellig" jemand eine Studie ueber die Auswirkungen dieser Belastungen der Boeden auf die Pilze? Man muss wohl annehmen, dass eine gruendliche wissenschaftliche Untersuchung dieses Themas von hoechster Relevanz fuer das Thema Rueckgang von Pilzarten waere.

: Geht in die Wälder, plückt, sammelt und wenn ihr was seht, was euer Auge und
: die Seele beleidigt, macht eine Meldung beim Naturschutzverein oder dem
: Forstamt, oder der Forstbehörde oder sonstwie. German Krieglsteiner
: schrieb schon 1993 in "Einführung in die ökologische Erfassung der
: Großpilze Baden Württembergs" davon, dass der Naturfreund und
: Pilzkartierer jederzeit begründete Eingaben an die Naturschutzbehörde
: machen kann, wenn er ein schutzwürdiges Areal entdeckt. Davon sollte man
: mehr Gebraucht machen, zwar mahlen die behördlichen Mühlen langsam, aber
: man muss sie am Laufen halten.

Dem gibt es nichts hinzuzufuegen! Ausser, dass Engagement im Bereich Natur- und Umweltschutz manchmal erfolgreich ist. War nicht gerade im letzten "Tintling" ein Artikel (von Frank Roeger?), wo ein Waldstueck in der Eifel wegen des Vorkommens seltener Roehrlinge aus der Bewirtschaftung genommen wurde, nachdem Frank sich mit dem zustaendigen Foerster in Verbindung gesetzt hatte? Man darf sich nur nicht von den vielen erfolglosen Bemuehungen entmutigen lassen.

Liebe Gruesse
Dieter

Beiträge in diesem Thread

Andere Laender, andere Sitten -- Saftling -- 14. Oktober 2006, 00:38 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- AK_CCM -- 14. Oktober 2006, 11:48 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- Saftling -- 14. Oktober 2006, 16:50 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- AK_CCM -- 14. Oktober 2006, 17:50 Uhr
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Re: Andere Laender, andere Sitten -- Der Juergen -- 14. Oktober 2006, 13:11 Uhr
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Re: Andere Laender, andere Sitten -- Werner -- 14. Oktober 2006, 17:30 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- Saftling -- 14. Oktober 2006, 22:53 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- Werner -- 16. Oktober 2006, 14:14 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- Der Juergen -- 16. Oktober 2006, 18:20 Uhr
Re: Andere Laender, andere Sitten -- Alpenhans -- 14. Oktober 2006, 16:17 Uhr
Essbarkeit von Saftlingen -- Saftling -- 14. Oktober 2006, 17:27 Uhr

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