: Hallo Thomas, hallo Waldschrat und alle sonstigen Tiefscharfen,
: die Formeln kenne ich, glaube ich, alle. Ich habe vor längerer Zeit mal zum
: Thema recherchiert und dazu die folgende Zusammenfassung geschrieben, die
: vielleicht doch noch einiges klärt: Was macht die Schärfe tief?
: Über die Faktoren, die die Schärfentiefe beeinflussen, werden noch immer
: durchaus gegensätzliche Standpunkte (und vereinzelt abenteuerliche
: Irrlehren) vorgetragen. So meint etwa Fritz Meisner (Kleine Dinge groß im
: Bild, München 1985, S.94), die Schärfentiefe sei „brennweitenunabhängig;
: sie wird allein vom Abbildungsmaßstab und der Blendenöffnung
: bestimmt."
: Die daraus herzuleitende Schlussfolgerung, bei gleichem Abbildungsmaßstab sei
: die Schärfentiefe nur noch von der Blende abhängig, steht in vielen
: Büchern und Zeitschriften. Ausgangspunkt solcher Überlegungen sind
: Näherungsformeln, die bei relativ großen Entfernungen (bezogen auf die
: Brennweite), also bei kleinen Abbildungsmaßstäben, und bei vergleichsweise
: geringer Abblendung funktionieren.
: Elmar Baumann
: (http://www.elmar-baumann.de/fotografie/schaerfentiefe/node19.htm)
: behauptet das glatte Gegenteil. Er will "mit dem Mythos"
: abrechnen, die Schärfentiefe hänge nur vom Abbildungsmaßstab ab. Baumann
: muss allerdings zugeben, dass bis zum Abbildungsmaßstab 1:1 (und das ist
: der Bereich, in dem wir Pilze fotografieren) die Betrachtung des
: Abbildungsmaßstabs zur Ermittlung der Schärfentiefe vollkommen ausreicht.
: Gern verbreitet wird auch die Lehre, Digitalkameras hätten eine gegenüber
: Kleinbildkameras geradezu phänomenale Schärfentiefe - so als ließen sich
: die physikalischen Gesetze der Optik aus den Angeln heben, wenn erst
: einmal auf einen CCD-Chip statt auf Film belichtet wird. Wenn auch ein
: wahrer Kern in dieser Lehre steckt: In der darstellerischen Verkürzung,
: auf die man allenthalben stößt, wird die Behauptung einfach falsch.
: Nun kann man sich ja durchaus fragen, wieso in einem so klassischen
: Kerngebiet der Physik wie der fotografischen Optik heute überhaupt noch
: über derartig grundlegende Fragen gestritten werden muss. Vielleicht hängt
: es damit zusammen, dass die Schärfentiefe (so oder so) immer nur
: näherungsweise anzugeben ist, weil in ihre Berechnung auch so subjektive,
: individuell ganz unterschiedlich besetzte Parameter wie das
: Auflösungsvermögen der Augen einfließen.
: Auch die Intention des Formelgebers wirkt sich aus. Ein Physiker, der eine
: Vorlesung über technische Optik zu halten hat, wird seinen Studenten
: sicherlich eine andere Herleitung und eine andere abschließende Formel
: bieten als ein Praktiker der Makrofotografie, der vor allem eine handliche
: Orientierung braucht, aber auf den letzten Zipfel Wahrheit gut verzichten
: kann.
: Sogar die Ausrüstung spielt für die Interessenlage eine Rolle. Wer mit einem
: Makro-Zoom-Objektiv gesegnet ist und (im SLR-Sucher oder im LCD-Display)
: einen mehr oder weniger genauen Eindruck von der tatsächlichen
: Schärfentiefe schon vor der Aufnahme bekommen kann, sieht das Thema
: anders, vielleicht lockerer und wahrscheinlich leichter nur auf die
: Brennweite bezogen als ein Makroprofi, der mit Zwischenringen,
: Balgengeräten und anderen Auszugshilfen hantiert, dabei womöglich
: keinerlei Automatikunterstützung mehr bekommt und deshalb sehr auf eine
: berechenbare Schärfentiefe angewiesen ist (für die er nun allerdings
: lieber den Vergrößerungsmaßstab einsetzt als die Brennweite des
: verwendeten Objektivs).
: Um es kurz zu machen: Alle Formeln sind fehlerbehaftet und ungenau und führen
: bei vergleichenden Berechnungen dennoch zu erstaunlich ähnlichen (um nicht
: zu sagen: zu den gleichen) Ergebnissen. Mir jedenfalls ist eine Abweichung
: von einem zehntel Millimeter bei Gegenstandsweiten von 100 mm ziemlich
: gleichgültig. Es ist also letzten Endes belanglos, welchen Berechnungsweg
: man wählt.
: Ein paar Formeln für mehr Schärfentiefe
: Ich halte mich bei den folgenden Berechnungen an die Formeln von Allen R.
: Greenleaf (Photographic Optics, New York 1950, S.25-27), die auch Don
: Flemings schöner Website DOFMaster (www.dofmaster.com) zu Grunde liegen,
: auf der man für alle möglichen CCD-Sensoren und Filmformate online
: interaktiv Schärfentiefebereiche errechnen kann !!! Nebenbei bemerkt: Mit
: Elmar Baumanns Formeln kommen Sie zu exakt denselben Ergebnissen.
: Nochmals andere Berechnungsformeln gibt Canon auf seiner Website
: http://de.canon.ch/for_home/product_finder/cameras/filmcam_glossary.asp#S
: preis. Die dort angegebene Berechnungsvariante anhand der
: Hyperfokaldistanz ergibt ähnliche Werte wie der ebenfalls auf der
: Hyperfokaldistanz fußende Rechenweg von Greenleaf. Sushkin
: (http://www.dof.pcraft.com) kommt ohne Hyperfokaldistanz aus und errechnet
: nicht etwa die geringste und größte eben noch scharf gezeichnete Distanz,
: sondern die Schärfentiefe vor und hinter der Gegenstandsebene. Aber auch
: er kommt zu gleichen Ergebnissen.
: Greenleaf benutzt für seine Berechnungen lediglich 3 Größen: die Brennweite F
: des Objektivs, die Blendenzahl N und den maximalen Durchmesser c des
: Zerstreuungskreises (des Unschärfekreises), der vom Film- bzw.
: CCD-Sensor-Format abhängt und der Tatsache Rechnung trägt, dass ein
: winziges Format schärfer sein muss als ein Großformat, um bei einer etwa
: gleich großen Vergrößerung den gleichen Schärfeeindruck zu hinterlassen.
: Als Blendenzahl N kann man den Zahlenwert vom Objektiv benutzen (also z.B.
: 1.4, 2.0, 2.8, ...); zu genaueren Ergebnissen kommt man, wenn man die der
: Blendenskala zugrundeliegende Berechnungsformel N = 2 ^ i/2 benutzt (für i
: = 0,1,2,3,4,...). Auch Zwischenwerte (halbe Blenden: i = 0, 0.5, 1, 1.5,
: 2, 2.5, 3 ... Drittelblenden: i = 0, 0.33, 0.66, 1, 1.33, 1.66, 2, 2.33,
: 2.66, ... oder Mischungen daraus) können natürlich eingesetzt werden.
: Aus diesen drei Werten wird zunächst nach der folgenden Formel die sog.
: Hyperfokaldistanz H errechnet: (1) H = F² / Nc + F
: Auf der Basis der Hyperfokaldistanz können dann der Nahpunkt Dn (Formel 2)
: und der Fernpunkt Df (Formel 3) der Schärfentiefe berechnet werden. Dazu
: wird außer den bereits bekannten Größen nur noch die Schärfedistanz d
: benötigt (korrekterweise die Gegenstandsweite, also die Entfernung
: zwischen vorderer Hauptebene des Objektivs und Motiv; kann nur bei großen
: Motiventfernungen ohne Verfälschungseffekte durch die Entfernung, auf die
: scharf eingestellt worden ist, ersetzt werden).
: (2) Dn = d (H - F) / H + d - 2F
: (3) Df = d (H - F) / H - d
: Noch immer nicht genug? Habe durchaus noch mehr im Köcher (*g*)
: Oder einfach mal hier nachlesen (ohne Formelkram):
: http://www.digitalkamera.de/Tip/04/36-de.htm
: Liebe Grüße
: Hans-Jürgen
Sorry Hans Jürgen,
möglicherweise habe ich unglücklich formuliert. Die konträre Diskussion über das Thema Tiefenschärfe ist mir nicht entgangen. Mir ging es daher nicht um eine absolute Bestimmung (bzw Berechnung) der Schärfentiefe nach selbstdefinierten Promissen, sondern um ihre grundlegende Abhängigkeit von physikalischen Parametern bei idealen Verhältnissen unter Vernachlässigung von Ungenauigkeiten, Unzulänglichkeiten und subjektiven Gesichtspunkten.
Liebe Grüße - Waldschrat