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Pilze Pilze Forum Archiv 2006

Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern

Geschrieben von: Andreas
Datum: 24. Oktober 2006, 13:52 Uhr

Antwort auf: Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern (Ingo)

Hallo Ingo,

: Was ist denn das ??? Nie gehört oder gesehen! Nicht mal googeln bringt da
: was.

Sarcodon squamosus ist ein Doppelgänger zum "normalen" Habichtspilz, der sich ökologisch eben durch das Vorkommen in nährstoffarmen Flechten-Kiefernwäldern unterschiedet, während der Habichtspilz eher in Bergnadelwäldern auf Kalk unter Fichte wächst.
Festgestellt haben das schon lange die Wollefärber in Skandinavien. Die kannten nämlich Plätze, an denen Habichtspilze wuchsen, die ein schönes Graublau ergaben und dann wiederum Plätzen, an denen die Habichtspilze "nix taugten". Seit einiger Zeit erkennt "man" da ein Artenpaar an, ähnlich wie dies z.B. bei Boletopsis leucomelaena und B. grisea ist. Für den Kiefern-Begleiter hat man den alten Namen von J. Chr. SCHAEFFER wieder aufgenommen: Sarcodon squamosus (Schaeffer) Quélet.
Einzige mir bekannte Abbildung ist in der empfehlenswerten zeitschrift BOLETUS 24(1) von 2001.

: Natürlich sind die RL regional bestimmt.

Eher nicht. Zu kleine Bearbeitungsgebiete machen keinen Sinn mehr für Rote Listen. Übertrieben gesagt wäre eine "Rote Liste des Kleinkleckersdorfer Waldes" wenig sinnvoll .... . Ich denke, eine Rote Liste sollte schon überregional sein, wobei man natürlich über die Bedeutung von "regional" streiten kann.

: Bei meiner Einschätzung der Arten bin ich davon ausgegangen, was
: im BON steht bzw. ich habe mich auch etwas von den BW Pilzen leiten lassen.
: Meiner Ansicht nach sollten in BW die meisten der deutschen Landschaftstypen
: vorkommen und so in etwa auch den Zustand im gesamten Lande wiederspiegeln.

Eher nein. Da muss man wiederum unterschieden, welche Biotoptypen in BW repräsentativ für's ganze Land vertreten sind und welche nicht. Viele südlich verbreitete Arten sind in BW nicht gerade selten und auch weniger rückläufig als in anderen Bundesländern. Sind in BW die Weißtannenbegleiter wie Lachs-Reizker nicht wirklich rotelistenwürdig, so sieht das in Thüringen schon ganz anders aus. In Brandenburg kommt die Art wiederum bestenfalls synanthrop vor, also unter gepflanzten Tannen in Botanischen Gärten, und gehört damit schon gar nicht in eine Rote Liste, auch wenn's der einzige Standort ist. Dafür sind in BW einige Weiden- und Pappelbegleiter vor allem der feuchten Standorte recvht selten, weil es diese Biotope kaum gibt, die dagegen in Brandenburg eher häufig sind. Beispielsweise der Rosagezonte Milchling, der für Brandenburg eher ein müdes Gähnen hervorruft. Oder Paradebeispiel Grünling: In BW in Rote Liste 2 einzuordnen, in Brandenburg Massenware.
Eine gesamtdeutsche Rote Liste muss dann wiederum auch ganz Deutschland berücksichtigen, was gerade bei örtlich häufigen, aber anderswo stark rückläufigen bis fehlenden Arten ziemlich schwierig ist.

2008 wird eine neue Rote Liste der Großpilze Deutschlands erscheinen, eine Fachgruppe der DGfM arbeitet gerade daran.

: Verzweifelt habe ich versucht, im Internet an eine Rote Liste für Brandenburg
: zu kommen. Leider bin ich nicht fündig geworden. Auch auf den DGfM-Seiten
: habe
: ich nichts derartiges gefunden. Sollte es nicht auch bundesweite Listen
: geben?
: Ich wäre schon interessiert an so etwas und für jeden Hinweis dankbar.

Es gibt für nahezu jedes Bundesland inzwischen eine Rote Liste der Pilze, z.T. schon in mehreren Neubearbeitungen. Gerade von brandenburg gibt es aber glaube ich keine, vielleicht wendest Du Dich mal an die Pilzkundliche Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburg (PABB). Die wissen das sicher am besten.
Auch eine gesamtdeutsche Rote Liste gibt es, Auflage 1992. 2008 wird nun wie schon erwähnt eine Neubearbeitung erscheinen.

: Warum sind rekultivierte Abraumhalden nur für wenige Jahre geeignet?
: Weil es keine natürlich entstandenen Standorte sind - ähnlich wie
: Rindenmulch-
: beete für Morcheln? Oder weil es sich eh um Nutzwald handelt, der früher oder
: später plattgemacht wird? Grübel grübel...

Nein, sodnern weil es neu entstandene Biotope sind, die nun zunächst von den Arten besiedelt werden, die am schnellsten sind. Dieser Wettlauf wird von schnell reagierenden Arten gewonnen, die aber in aller regel den Nachteil haben, dass sie konkurrenzschwach sind. Ein paar Jahre später haben dann die konkurrezstärkeren, allerdings trägeren Arten das Kommando übernommen und die Pionierarten zurückgedrängt.
Diese Pioniervegetation kann man nicht selten beobachten, z.B. Brandstellen sind das Paradebeispiel dafür.
Der Halsband-Ritterling kann nun offenbar neben seinem ökologischen Lieblingsstandort "Flechten-Kiefernwald", in dem er wegen der Magerkeit des Bodens wenig Konkurrrenz zu fürchten braucht, auch diese Halden besiedeln, die ja im Anfangsstadium eine ganz ähnliche Vegetation mit Moosen und Flechten ausbilden. Allerdings wird dieser Pionierwald dann bald größer, die Flechten und Moose werden von anderen Pflanzen verdrängt, dadurch koimmt mehr und mehr Nährstoff ins Gebiet, andere Pilzarten können nun dort Fuß fassen und die (Pilz-, Flechten-, Pflanzen-)Vegetation der ersten Jahre verschwindet allmählich.
Diesen Vorgang nennt man Sukzession, er findet fortwährend in der Natur statt, sei es nun im Holz und auf der Rinde von frisch gefallenen Bäumen, an Abbrüchen, neu angelegten Wegen, entstandenen Lichtungen oder wo auch immer.

Ein gewachsener Flechten-Kiefernwald dagegen verändert sich über Jahrzehnte kaum mehr, sofern nicht menschliche Eingriffe dem entgegenwirken. Es ist daher auch wesentlich wirksamer, einen "natürlichen" Halsband-Ritterlings-Standort in einem Felchten-Kiefernwald zu erhalten, als einen auf einer Abraumhalde. Letzterer ist eh nur kurzlebiger Natur. Aber natürlich gut geeignet für so eine Art, mal wieder so richtig Sporen zu bilden und sich damit die Chance für weitere Neubesiedlungen zu verschaffen. Aber für den Erhalt der Art ist es mehr ein "von-der-Hand-in-den-Mund"-vegetieren.

Ich finde dieses Thema Sukzession und diese ganzen Zusammenhänge ungemein spannend, hoffentlich hat der Erguss hier nun nicht allzusehr Deine/Eure Geduld auf die Probe gestellt ....

beste Grüße,
Andreas

Beiträge in diesem Thread

Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Ingo -- 23. Oktober 2006, 23:57 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Andreas -- 24. Oktober 2006, 00:26 Uhr
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@Genau, wir halten durch bis zum frostigen Ende! *oT* -- Ingo -- 24. Oktober 2006, 21:48 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Waldschrat -- 24. Oktober 2006, 14:08 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Andreas -- 24. Oktober 2006, 14:17 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Waldschrat -- 24. Oktober 2006, 17:48 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Der Juergen -- 24. Oktober 2006, 18:23 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Waldschrat -- 24. Oktober 2006, 20:53 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Andreas -- 24. Oktober 2006, 20:30 Uhr
Re: Rote Liste Arten in Kiefernwäldern -- Waldschrat -- 24. Oktober 2006, 21:28 Uhr
Nicht immer! -- Helmut -- 25. Oktober 2006, 21:26 Uhr

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