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Pilze Pilze Forum Archiv 2006

Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage

Geschrieben von: Heinz Ebert
Datum: 4. Dezember 2006, 23:23 Uhr

Antwort auf: Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage (Krötenhocker)

Eben nicht! Im makroskopischen Schlüsselteil sind in erster Linie auch makroskopische Merkmale gefragt. Aber manchmal geht es dann auch nicht ohne mikroskopische (ist aber seltener).
Wenn man aber kein Mikroskop hat, dann muss man an solchen Stellen eben beide Wege gehen, um weiterzukommen.
In der Zeitschrift für Mykologie von 2003, Heft 2, habe ich diesen Schlüssel wie folgt besprochen:

"BRESINSKY, A. & H. BESL (2003), Beiträge zu einer Mykoflora Deutschlands: Schlüssel zur Gattungsbestimmung der Blätter-, Leisten- und Röhrenpilze mit Literaturhinweisen zur Artbestimmung. 236 Seiten mit 175 Strichzeichnungen. Preis: 32,- (16,-) €.

Im Jahre 1976 publizierte Prof. Dr. Andreas Bresinky in Beiheft 1 zur Zeitschrift für Mykologie den Gattungsschlüssel für Blätter- und Röhrenpilze nach mikroskopischen Merkmalen. Der damalige Schlüssel berücksichtigte die neueste Nomenklatur und war damit eine wichtige Alternative zum Gattungsschlüssel der im gleichen Jahr erschienenen 4. Auflage der „Kleinen Kryptogamenflora, Bd. II b/2“ von Prof. Dr. Meinhard Moser. Etwas ungewohnt und nicht für jederman gut handhabbar waren derzeit die Zeichen (Punkte, Sterne, Kreise, usw.) die zur nächsten Schlüsselstelle verwiesen. Der Benutzer dichotomer Schlüssel war bis dahin gewohnt, mit Zahlen und Buchstaben in solchen Schlüsseln zu arbeiten, was aber der Gebräuchlichkeit des damaligen Bresinky-Schlüssels letztlich keinen Abbruch tat, Verf. hat ihn oft und mit guten Ergebnissen gebraucht.

Dann wurde dem Verf. zufällig bekannt, dass dieser Schlüssel von 1976 in Regensburg ständig aktualisiert und fortgeführt wird, was Veranlassung gab, Herrn Bresinky vor einigen Jahren anlässlich einer Tagung zu fragen, ob eine Neupublikation vorgesehen sei. In der bejahenden Antwort kündigte Herr Bresinsky eine Neupublikation in den RMS an, die nun in Band 11 vorliegt.

Die in jüngster Vergangenheit – vor allem bei außer-universitären Pilzkundlern – entstandenen Verwirrungen der mittels DNA-Analytik ermittelten engen Verwandtschaft zwischen morphologisch völlig unterschiedlichen und bisher taxonomisch völlig voneinander getrennten Genera und Species bleibt in diesem Schlüssel unberücksichtigt. Entscheidend für den Gebrauch des Schlüssels bleiben makro- und mikromorphologische Merkmale. Wer also befürchtet haben sollte, für die Benutzung eines neuen „Bresinky-Schlüssels“ brauche man ein eigenes Labor mit technischen Assistenten, welche DNA-Analysen durchführen, sei beruhigt. Konsequent wurden jedoch neue Zuordnungen übernommen, so steht beispielsweise die Gattung Gyroporus nicht mehr unter „Gyroporaceae“ sondern unter Sclerodermatineae.

Ein entscheidendendes Bestimmungsmerkmal der Vergangenheit (z.B. bei Ricken und Moser), nämlich die Farbe des Sporenstaubes, hat bei der Zuordnung zu Familien, Ordnungen und Gattungen wesentlich an Bedeutung verloren. So steht z. B. Leucocortinarius mit weißem Staub nicht mehr bei den weißsporigen Tricholomataceae, sondern – makromorphologisch durchaus nachvollziehbar – bei den Cortinariaceae.

Völlige Klarheit in dieser Hinsicht besteht sicher jedoch auch noch nicht, denn viele Gattungen sind mit einem „?“ versehen, was bedeuten mag, dass die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Familie (im herkömmlichen Sinne) angezweifelt wird.

Dies ist durchaus berechtigt, wie sich am Beispiel der Gattung Ripartites (Filzkremplinge) erläutern lässt: sie stand bisher bei den weißsporigen Tricholomataceae, obwohl ihre Arten hellbraunen Staub haben, was beim Gebrauch herkömmlicher Schlüssel zu Problemen geführt hatte.

Der Bestimmungsschlüssel gliedert sich schließlich in zwei separate Teile: A (nach vorrangig makroskopischen Merkmalen, S. 13-64) und B (vorwiegend nach mikroskopischen Merkmalen, S. 65-134). Erklärende Strichzeichnungen befinden sich unmittelbar bei der Textstelle, an der auf sie hingewiesen wird, so dass ein Herumblättern und Suchen in einem Anhang (etwa wie in der „Kleinen Kryptogamenflora“) unterbleiben kann. Ebenso hilfreich ist die Gliederung in Hauptgruppen (primäre Untersuchung der Fruchtschicht) und in Formengruppen (Einteilung nach der Fruchtkörperform).

So gelangt man – am Beispiel Hygrophoropsis erläutert – im Schlüssel A zunächst zur Hauptgruppe Agaricus (Lamellen) und dann zur Formengruppe Clitocybe (Lam. herablaufend), und muss schließlich im Schlüssel IIIf entscheiden, ob die Sporen amyloid sind oder nicht. Wer dies nicht untersuchen will oder kann, muss eben – wie in anderen Schlüsseln auch - beide Wege gehen, um zum Ergebnis zu kommen.

Auch der Schlüssel B teilt zunächst in makroskopische Gruppen ein, die sich an der Fruchtschicht orientieren (Röhren, Poren, Lamellen, Leisten). Doch danach sind konsequent mikroskopische und chemische Merkmale gefragt, die ohne Mikroskop und – zumindest gebräuchlichste – Chemikalien nicht mehr entschieden werden können. Dem erfahrenen Mikroskopiker bieten sich jedoch deutlich mehr brauchbare Merkmale als in herkömmlichen anderen Bestimmungsschlüsseln, in denen teils vorhandene Merkmale überhaupt nicht erwähnt sind.

Positiv wird auch die Erklärung von Fachausdrücken im Schlüsseltext selbst empfunden (Beispiel: Schlüssel B, Lamellenpilze, Punkt 7, S. 67, wo der Begriff „heteromer“ erläutert wird), so dass einerseits ein lästiges Nachschlagen auch hier unterbleiben kann und andererseits der noch unerfahrene Bestimmer – verbunden mit einem Lerneffekt – den Schlüssel gut benutzen kann.

Zusammenfassend darf behauptet werden, dass der Gattungsschlüssel von Bresinsky und Besl allen derzeit vergleichbaren vorzuziehen ist. Eine Kurzbeschreibung aller Gattungen der Blätter-, Leisten- und Röhrenpilze (unter C, S. 135-218), ein Glossar (unter D, S. 219-229), eine Kurzanleitung zur Untersuchung mikroskopischer Merkmale (E, S. 230), sowie eine – den Nomenklaturregeln entsprechende – Zusammenfassung der taxonomischen Neukombinationen (Leccinellum, Phylloporus-Xerocomus, Hygrophorus-Porpoloma) runden die Publikation ab. Der Band 11 der Regensburger Mykologischen Schriften ist für jeden Pilzbestimmer nach Meinung des Verf. unverzichtbar."

So habe ich den Schlüssel damals besprochen, und ich habe keinerlei näheren Bezug zur Uni Regensburg, war also völlig unbefangen. Das Geschriebene stellt auch noch heute meine Meinung dar, denn der Schlüssel ist gut zu benutzen. Die wenigen Stellen, wo im makroskopischen Teil auch nach mikroskopischen Merkmalen gefragt wird, und wo man - wie schon erwähnt - in Ermangelung eines Mikroskopes eben beide Wege gehen muss, erfordert freilich die Bereitschaft, diese Erfahrung (im wahrsten Sinne des Wortes) zu "sammeln". Wer an solch einer Stelle gleich die Flinte ins Korn schmeißt, der wird nie ein "erfahrener" Pilzbestimmer.
Nochmals Beste Grüße von Heinz Ebert

: Hallo Andreas,
: in Großpilze BW fängt das ja leider auch sehr früh an mit: Sporen
: stachelig-warzig usw..
: Ist das denn im Bresinky/Besl auch so?

: Mit vielem Dank für die prompte Antwort,

: Jens

Beiträge in diesem Thread

Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Krötenhocker -- 4. Dezember 2006, 22:12 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Andreas -- 4. Dezember 2006, 22:21 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Krötenhocker -- 4. Dezember 2006, 22:45 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Heinz Ebert -- 4. Dezember 2006, 23:23 Uhr
Re: spätestens jetzt.... -- Krötenhocker -- 4. Dezember 2006, 23:58 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Heinz Ebert -- 4. Dezember 2006, 22:37 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Krötenhocker -- 4. Dezember 2006, 22:59 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Hans-Jürgen -- 4. Dezember 2006, 22:41 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Krötenhocker -- 4. Dezember 2006, 23:17 Uhr
Vorsicht! -- zuehli -- 5. Dezember 2006, 19:50 Uhr
Re: Vorsicht! -- Krötenhocker -- 5. Dezember 2006, 20:49 Uhr
Re: Vorsicht! -- zuehli -- 5. Dezember 2006, 20:53 Uhr
Re: Vorsicht! -- Krötenhocker -- 5. Dezember 2006, 21:19 Uhr
Re: Vorsicht! -- zuehli -- 5. Dezember 2006, 21:22 Uhr
Upps... wollte nicht persönlich werden *oT* -- Krötenhocker -- 5. Dezember 2006, 21:33 Uhr
Don´t worry... *oT* -- zuehli -- 5. Dezember 2006, 21:36 Uhr
Re: Vorsicht! -- Werner -- 5. Dezember 2006, 21:35 Uhr
Re: Vorsicht! -- Krötenhocker -- 5. Dezember 2006, 22:08 Uhr
Re: Vorsicht! -- Werner -- 6. Dezember 2006, 00:31 Uhr
Tipp zur Pilzbestimmung -- AK_CCM -- 6. Dezember 2006, 01:58 Uhr
Re: Tipp zur Pilzbestimmung -- Werner -- 6. Dezember 2006, 02:09 Uhr
Re: Tipp zur Pilzbestimmung -- Krötenhocker -- 6. Dezember 2006, 19:27 Uhr
Nicht nur die Gattungsübersicht -- Birgit -- 6. Dezember 2006, 20:50 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Werner -- 5. Dezember 2006, 10:05 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Krötenhocker -- 5. Dezember 2006, 18:53 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Werner -- 5. Dezember 2006, 20:27 Uhr
Re: Hallo zusammen und gleich eine Literaturfrage -- Krötenhocker -- 5. Dezember 2006, 21:17 Uhr

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