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Pilze Pilze Forum Archiv 2006
Re: Zeckenstich nach 4 Mon. immernoch bemerkbar
Geschrieben von: Heinz Ebert Antwort auf: Zeckenstich nach 4 Mon. immernoch bemerkbar (Daniel Jösch)
Datum: 10. Dezember 2006, 19:56 Uhr
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Hallo zusammen,
Der verhängnisvolle Stich der Zecke René Klaus Schumacher Wie oft hat man schon etwas vom "Unwesen" der Zecke erfahren. Aber wer denkt schon daran, selbst einmal Betroffener zu sein, und wenn ja, was folgt dann? In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung von durch Zecken verursachte Erkrankungen in allen Bundesländern Deutschlands wird es für nützlich erachtet, nachfolgende Informationen in komprimierter Form - mit einer Liste von Kontaktadressen der Beratungsstellen - an alle DGfM-Mitglieder weiterzugeben, wobei nur die wichtigsten Aspekte, und hier vorrangig die der Borreliose, benannt werden können. Hauptanliegen ist es, eine Hilfestellung und Anregung zur individuellen thematischen Auseinandersetzung zu geben. Persönliche Erfahrungen, die der Autor bei der eigenen Erkrankung gemacht hat, einschließlich umfangreicher Gespräche und Recherchen, fließen hier mit ein. Taxonomie, Lebensräume und Entwicklungszyklus von Zecken Die in Deutschland vorkommende Zecke oder Holzbock, Ixodes ricinus LINNÉ 1758, gehört mit 4 Beinpaaren zur Ordnung der Spinnentiere (nicht zu den Insekten) und hier zur Familie der Schildzecken. Sie ist mit den Milben, Afterskorpionen, Weberknechten und Spinnen verwandt, die für auf Kleinpilze achtende Mykologen keineswegs unbekannt sind, zumal es auch hier mykophile Arten gibt.
Erregerkeislauf Borrelien sind (vermutlich) entwicklungsgeschichtlich uralte Organismen. Ihre Kleinheit und physiologische Angepasstheit befähigte sie, unabhängig ihres ursprünglichen Lebensraumes, zur unbeschadeten Einwanderung in viele lebende Tierorganismen. So entwickelten sich – wahrscheinlich in Form des Kommensalismus *1) – vornehmlich mehrere Mäusearten zum ständigen Borrelien-Erregerdepot, wobei die Abundanz der Borrelien im Naturherd eng mit dem Vorkommen von Mäusen verbunden ist. Die Mäuse unterliegen der ständigen Neuinfizierung, da untereinander keine Erregerübertragung erfolgt. Über diesen Kreislauf gelangt die blutsaugende und resistente Zecke als Zwischenwirt an die Borrelien, die sie in ihrem eigenen Entwicklungszyklus über die Eier zwar weitergeben kann, zumeist aber bei Blutmahlzeiten an Mäusen erneut aufnimmt usw. Im weiteren evolutiven Verlauf kam es zur verhängnisvollen Begegnung der Zecke mit der Spezies Mensch, dessen Immunsystem aber, im Gegensatz zu weiteren Groß- und Kleinsäugern, bis heute keine auseichende Abwehr entwickeln konnte. Der Holzbock wurde so zum "Sündenbock" für den Menschen. *1 Kommensalismus: Form des Zusammenlebens von Organismen verschiedener Arten, wobei der Kommensale von der Nahrung des Wirtes profitiert, diesen aber weder schädigt (nur bei intaktem Immunsystem!) noch ihm Nutzen bringt. Erkrankungsarten beim Menschen durch Zecken Grundsätzlich kann in Deutschland fast ganzjährig der Stich aller drei Entwicklungsstadien beider Geschlechter zur Auslösung von infektiösen und nichtinfektiösen Erkrankungen sowie zur Überreaktion führen. Als Überträger kommen auch Stechinsekten in Frage, eine generelle Verseuchung aller potentiellen Überträger besteht nicht.
Borreliose - Namensherleitung Einige Formen der Krankheit sind in Europa schon seit dem letzten Jahrhundert bekannt. Unterschiedliche Krankheitsbilder verursachten stets die Diagnose mehrerer Krankheiten. Erst als in dem Ort Lyme (USA) mehrere Personen gleichzeitig erkrankten und serologische Tests entwickelt wurden, erkannte man, daß die scheinbar verschiedenen Krankheitsbilder zu einer einzigen Krankheit gehören. Erst 1981 konnte man die pathogenen Erreger nachweisen: es handelt sich dabei um schraubenförmige Vertreter der Bakteriengattung Borrelia (Borrelien) aus der Familie der Spirochaetaceae. Die häufigste von drei in Deutschland vorkommenden Arten trägt seit 1984 den Namen des Entdeckers Willy Burgdorfer Borrelia burgdorferi. Wahrscheinlichkeit der Infektion Das Beziehungsgefüge Maus - Erreger - Zecke - Mensch wird primär durch abiotische Faktoren bestimmt, und zusätzlich durch die epidemiologischen Begriffe Naturherd, Endemiegebiet und Hochrisikogebiet definiert. Intensive Umweltveränderungen und Reisetätigkeiten des Menschen führen zur Begünstigung und Störung dieses Beziehungsgefüges. In Deutschland existieren regionale Schwerpunkte mit sehr hoher Durchseuchungsrate. In solchen Gebieten ist nahezu jede dritte Zecke befallen. Jährlich werden Tausende Fälle pro Jahr geschätzt, mit zunehmender Tendenz. Dabei stammen beispielsweise 54 % der Borreliosefälle in Ostdeutschland aus dem Land Brandenburg. Kurzcharakteristik der Borreliose Borreliose ist eine Multisystemerkrankung, mit Hauptsymptomen und Post-Syndromen der Haut, der Gelenke, des Herzens und der Hirnhaut. Verlaufsform und Schwere der Erkrankung hängen maßgeblich von den Eigenschaften der Krankheitserreger und des Betroffenen ab. Die serologische und klinische Symptomatik tritt somit nie einheitlich auf. Die Inkubationszeit für Bakterien im menschlichen Organismus beträgt im allgemeinen 7 bis 14 Tage. Borrelien halten sich vorwiegend in Bindegewebsfasern auf, in die sie sich, auf Grund ihrer Spiralform, regelrecht einschrauben. Der Krankheitsverlauf wird in drei - nicht immer streng voneinander abgrenzbare - Stadien eingeteilt. Stadium I: Lokalinfektion Nach der Borrelienübertragung (kann beim Saugakt schon nach zwei Stunden erfolgen) kommt es zunächst zu einer örtlich beschränkten Infektion der Haut. Nach etwa zehn Tagen kann man häufig eine ringförmige Rötung (= Wanderröte, Erythema migrans) beobachten, die sich langsam von der Stichstelle in die Umgebung ausdehnt - sie ist meist schmerzlos. Die Rötung verschwindet mitunter auch ohne Behandlung, kann aber auch mehrere Wochen oder Monate mit oder ohne begleitende Allgemeinsymptome wie Schweißausbrüche, Abgeschlagenheit, Grippegefühl, Muskel- und Gelenkschmerzen, Fieber und Herzklopfen bestehen bleiben. Treten diese Allgemeinsymptome bereits sehr früh auf, deuten sie darauf hin, daß die Zecke beim Stich ein Blut- oder ein Lymphgefäß getroffen hat, die Bakterien direkt über das Blut oder die Lymphflüssigkeit im ganzen Körper verteilt wurden (= Streuung des Erregers) und daß bereits das Erkrankungsstadium II erreicht ist. Die Wanderröte kann in diesen Fällen auch fehlen. Stadium II: Erregerstreuung Im Normalfall kommt es erst nach einer Zeit von bis zu zehn Wochen zur Streuung der Bakterien über Blut und Lymphflüssigkeit und zu den beschriebenen Allgemeinsymptomen, die eine Reaktion des Immunsystems (Borrelien-Antikörperbildung) darstellen. Erst zu diesem Zeitpunkt können durch Bluttests Antikörper im Blut festgestellt werden. In dieser Phase treten oft große Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Schwindelattacken auf. Besonders charakteristisch sind extreme Schweißausbrüche und Momente mit unangenehmen Empfindungen durch einen schnellen und als heftig empfundenen Pulsschlag.
Stadium III und die Spätfolgen der Erkrankung Die im Bindegewebe überdauernden Borrelien, führen in unregelmäßigen Abständen zum Wiederaufflammen von Krankheitssymptomen. Diese können Monate bis Jahre nach Infektionsbeginn auftreten!
Die einmalige Infektion mit Borrelien schützt vor keiner weiteren, auch wenn sich Antikörper gebildet haben! Krankheitsübertragungen sind unter den Menschen nicht möglich. Seltene Ausnahmen bestehen bei der angeborenen Übertragung (Infektion in der Schwangerschaft) sowie einer Blutübertragung von frisch mit Borrelien verseuchtem Frischblut. Die Meldepflicht dieser Erkrankung ist im § 7 Bundes-Seuchengesetz geregelt, wonach - außer der Neuro-Borreliose - keine allgemeine Meldepflicht vorgeschrieben ist. Die Bundesländer können aber per Rechtsverordnung eine solche erlassen. Zur Zeit bestehen Meldepflichten in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Präventionsmaßnahmen Beim Schutz vor einem Zeckenstich ist nur eine gewisse Risikoverminderung möglich. Die Dauer des Aufenthaltes im Freien, das Fernhalten von bestimmten Biotopen und Habitaten (hierzu würden dann auch Gärten zählen), exorbitante Vermummungstechniken und Stoffauswahlverfahren (unter Mißachtung hochleistungsfähiger Sinnesorgane der Zecke), die Unterbrechung des Erregerkreislaufes außerhalb des menschlichen Organismus sowie der Einsatz von Repellents ("insekten"-abhaltende Stoffe) auf freien Hautstellen und Stoffen sind insgesamt nicht maßgeblich und zudem wenig praktikabel, preisintensiv, kurzzeitwirksam und oft hautschädigend. Die einzigst effektiven Hinweise lauten: - Suchen Sie die Kleidung und den Körper nach einem Aufenthalt im Freien und möglichst schon außerhalb der Wohnräume nach Zecken ab. - Zusätzlich kann die Kleidung für einige Minuten in einen heißen Wäschetrockner (sofern vorhanden) gegeben bzw. mehrere Tage in warmen, trockenen Räumen aufbewahrt werden, um die Abtötung eventuell vorhandener Zecken zu erreichen. Borreliose: Ein erstmaliger präventiver Impfstoff gegen alle drei in Deutschland vorkommende Erreger wird z.Z. nach neuen Prinzipien entwickelt. Hilft aber nur den Unbetroffenen. Ehrlichiose & Babesiose: In Deutschland gibt es definitiv noch keine Impfmöglichkeit.
Verhalten nach einem Zeckenstich Da unbekannt bleiben wird, ob eine nach dem Stich verankerte Zecke schon Erreger übertragen hat oder nicht, gilt die Regel: Um so früher die Zecke gezielt und ohne langes Händling entfernt wird, desto weniger wahrscheinlich ist die Erregerübertragung! Unsachgemäße Entfernungstechniken erhöhen zudem die Gefahr der Erregerübertragung. Nachfolgend wichtige Erste-Hilfe-Hinweise: - Vermeiden Sie alle Maßnahmen, die die Zecke dazu veranlassen könnte, mit Krankheitserregern verseuchte Sekrete abzusondern. - Benutzen Sie am besten ein scharfes, sauberes Messer, zum Abschaben der Zecke (Überraschungseffekt). Zeckenzangen sind in der Regel zu grob und Pinzetten verlangen einen sicheren und schnellen Gebrauch. - Lassen Sie sich von einer anderen Person helfen. Somit vermeiden Sie Aufregung und unnötige akrobatische Übungen. - Vermeiden Sie stets die Quetschung und Erhitzung des Zeckenleibes bzw. die Behandlung mit Öl oder anderen Stoffen. - Waschen Sie nach bekannter Regel Ihre Hände sowie Gemüse und Obst (Waldfrüchte). - Die Untersuchung der Zecke auf Krankheitserreger in einem Labor ist nicht unbedingt erforderlich, da sich daraus keine therapeutischen Konsequenzen ergeben. Zur Unterstützung der Grundlagenforschung wäre es dennoch wünschenswert. - Beobachten Sie nach dem Stich die unmittelbare Umgebung der Einstichstelle (Rötung) und Ihren allgemeinen Gesundheitszustand. Mögliche Reste des Stechapparates verursachen in der Regel keine weiteren Infektionen und werden vom Körper abgestoßen. - Verlangen Sie Ihre persönlichen Krankenunterlagen und geben sie diese nur als Kopie an die Ärzte. - Befragen Sie den Arzt vor der Behandlung über Umfang und Erfahrung mit zeckenbedingten Erkrankungen in seiner bisherigen Praxis. - Informieren Sie sich am besten beim Gesundheitsamt des jeweiligen Landkreises bzw. bei einer Selbsthilfegruppe über spezialisierte Ärzte. Die Beratung ersetzt jedoch keine ärztliche Behandlung. Krankenkassen sind bisher in den seltensten Fällen über solche Spezialisierungen informiert, zudem sind sie aus Gründen des freien Wettbewerbs verpflichtet, keinen Arzt zu bevorzugen. Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten Borreliose: Die Gesamtdiagnose besteht aus der Anamnese sowie der Feststellung der momentanen klinischen und serologischen Symptome. Nach der Inkubationszeit können Borrelien-Erreger und Borrelien-Antikörper nachgewiesen werden. Aufgrund der Schwierigkeiten des Erregernachweises kommt der Antikörperuntersuchung größere Bedeutung zu. Der Antikörpernachweis im Blut ohne klinische Symptomatik kann auch auf einen vergangenen Erregerkontakt hinweisen. Negative wie auch falsch positive Befunde, durch vielfältig mögliche Nebenreaktionen verursacht, kommen vor. Ein Wiederholungstest nach wenigen Wochen, mit Hinzunahme eines zweiten Labors kann hilfreich sein. Testkombinationen aus Immun-Fluoreszenztest und Westernblot, ergänzt durch PCR und Erregerkulturen aus Punktaten (wird in den Kliniken unterschiedlich gehandhabt), sind z.Z. die aussagefähigsten Diagnoseverfahren. Die Therapie in Deutschland erfolgt ambulant, teilstationär oder stationär, bei einer Behandlungsdauer von (nur) 14 - 21 fortlaufenden Kalendertagen, die sich im Stadium III um weitere Wochen ausweiten und alternative Therapieformen beinhalten kann. Eine bundesweit einheitliche Therapieverordnung gibt es nicht.
Babesiose: Mit Antibiotika nicht und mit anderen Medikamenten nur schwer behandelbar, bei starken Nebenwirkungen. Ehrlichiose: Nur im Frühstadium mit Antibiotika therapierbar, sonst nur vorsichtige Empfehlungen. FSME: Kausalheilung derzeit nicht möglich, nur eine Behandlung der Symptome - unter den Menschen nicht übertragbar. Umgang mit der Erkrankung Blut- und Liquortests sind zwar wichtige Hilfsmittel in der serologischen Diagnostik, erreichen aber keine absolute Sicherheit. Die vielfältige Symptomatik, die anfangs oft anderen Krankheiten zugeordnet wird, und das häufige Fehlen "typischer" Borreliose-Symptome, erschwert eine sichere Diagnose. Die Patienten befinden sich somit oft auf der Wanderschaft von Arzt zu Arzt und von Klinik zu Klinik, um Linderung ihrer Beschwerden zu finden - zunehmende Probleme in der Familie und im Beruf kommen hinzu.
Für die kritische Durchsicht des Manuskripts und für das hohe berufliche Engagement habe ich mich bei Dr. Thomas Talaska herzlichst zu bedanken. Kontaktadressen der Beratungsstellen nach PLZ geordnet. (Stand: 28.08.2000)
01067 Dresden: B.-SHG, Friedemann Weidner, Berliner Strasse 14, Tel.: 0351 - 4901803
Weitere Beratungsstellen: 80335 München: SHZ, Bayerstr. 77a, Tel.: 089 - 53295611 (Kein Bundesverbandsmitglied!) Schweiz: CH-8053 Zürich: SHG Schweiz, Madeleine Horger, Witikoner Str. 335, Tel./Fax (aus D): 0041 - 13821650
Österreich: A-1070 Wien: SHG Zeckenopfer, Kaiserstr. 71, Tel. (aus D): 00431 - 5227070, Fax (aus D): - 522707013 Durchgesehene und benutzte Literatur: Anonymus (1996): Bei Zeckenbissen droht Infektion. - Unser Wald 48 (3): 24.
Anmerkung der Redaktion: Nachdem wir bereits im Tintling auf das Borreliose-Magazin aufmerksam gemacht haben, weisen wir noch auf einige Internet-Adressen hin.
: Hallo zusammen, : hatte vor ca. 4 Monaten von einem Zeckenbiss berichtet
: seit ich die Zecke entfernt habe, taucht der Pickel ab und zu immer wieder
: Kennt jemand vielleicht die Symptomatik? : Liebe Grüße,
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