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Pilze Pilze Forum Archiv 2006

Re: Eine kleine Geschichte

Geschrieben von: Wolfgang Scholmanns
Datum: 19. Mai 2006, 12:37 Uhr

Antwort auf: Eine kleine Geschichte (Wolfgang Scholmanns)

In meinen Bücher, ob Lyrik oder Kinderbuch, tauchen immer wieder solche Erinnerungen und Erlebnisse auf, lieber Hans. Oft denke ich an die Zeit zurück, wo nicht ein Tag verging, wo ich nicht im Wald oder beim Angeln war. Heute bin ich nicht mehr ganz so oft unterwegs aber an einigen Tagen in der Woche, zieht`s mich einfach hinaus. Gestern z.B. begegnete mir ein wunderschönes Exemplare des Schwefelporlings, einige Maiporlinge, grünblättrige Schwefelköpfe, und noch so einige andere Wald,- und Wiesenbewohner. Den Georgsritterling, dem ich auf der Spur war, habe ich leider nicht gefunden, aber auch er wir sich hier bei und am Niederrhein bald sehen lassen.

Gruß
Wolfgang

: Der rotorange Ball der Sonne hat das Tagerwachen angekündigt und eine stille,
: mondlose Sommernacht verabschiedet sich. Heftige Regenfälle haben vor ein
: paar Tagen den Boden getränkt und die Pilzmyzelien werden bestimmt einige
: Fruchtkörper ans Tageslicht befördert haben.
: Ich bin Hobbymykologe und beschäftige mich schon seit 25 Jahren mit diesen
: kleinen Wald- und Wiesenbewohnern. Damals bin ich durch einen Freund, auf
: dieses Hobby gestoßen. Rainer, so hieß mein damaliger Freund, hatte sich
: ein Pilzbbestimmungsbuch gekauft. Zunächst einmal wollte er sich die
: Merkmale der tödlich giftigen genauestens einprägen, um eine Verwechslung
: mit ähnlich aussehenden Speisepilzen ausschließen zu können. Oft zog er
: jetzt in die Wälder und brachte so manches Mal auserlesene Köstlichkeiten
: mit. Eines Tages nahm er mich mit in sein Zauberreich, zeigte mir Stellen,
: wo die leckersten Speisepilze standen, erklärte mir auch die Merkmale der
: giftigen Doppelgänger und sagte zwischendurch immer wieder: „Bloß
: niemandem unsere Pilzgebiete verraten.“
: Ich wurde neugierig, holte mir aus der Stadtbücherei einige
: Pilzbestimmungsbücher und verschwand für einige Zeit hinter den, in
: Hexenringen wachsenden, symbiotisch oder parasitisch lebenden, usw.
: Pilzarten. Pilzseminare, Exkursionen, das Arbeiten mit ausgesuchtem
: Studienmaterial über die Mykologie (Wissenschaft von den Pilzen) und
: 25jährige praktische Erfahrung, haben mich zu einem Sachverständigen auf
: diesem Gebiet gemacht.
: Die Abkürzung, die ich nehme, ist ziemlich urwüchsig. Zwischen hohem Gestrüpp
: von Erlen und Weiden führt ein schmaler Pfad zum Hauptweg des Waldes. Der
: Boden ist feucht und zuweilen liegen trübe Pfützen vor meinen Füßen. Immer
: dichter treten die Büsche aneinander und schließlich verschwindet jede
: Spur eines Weges. Da ich diesen Wald kenne wie „meine Westentasche“ weiß
: ich jedoch, dass ich gleich den Hauptweg erreichen werde. Das Unwetter in
: der letzten Woche hat einige Bäume aus ihrem Wurzelhalt gelöst, sodass
: diese sich immer mehr zu Boden neigen. Ab und zu vernehme ich ein leises
: Ächzen und sehe, wie ihr Wurzelwerk die moosbedeckte Walderde immer mehr
: aufreißt. Der Ränder des Hauptweges sind mit wunderschönen Waldblumen
: geschmückt und es ist herrlich anzusehen, wie ihre Formen und Farben aus
: noch jungem Morgenduft hervortreten. Ein Rudel Rotwild, dass größte
: heimische Schalenwild, kreuzt meinen Weg. Die nachaktiven Tiere werden
: wohl jetzt ihre Schlafplätze aufsuchen. Der stolze Hirsch hebt seinen Kopf
: und gespenstisch leuchtet sein mächtiges Geweih im, durch das lichte
: Blätterdach dringenden, Schein der Morgensonne. Ich sehe ihm und seinem
: Rudel nach, bis sie vom Schlund des dichten Fichtenwaldes verschlungen
: werden.
: Nach einigen hundert Metern erreiche ich mein Ziel. Es ist ein Heidegebiet,
: welches mit seinem Lärchen-, Fichten- und Birkenbestand ein guter Standort
: für verschiedene Pilzarten ist. Das Lächeln einiger brauner Hütchen
: berührt meine Augen und ein tiefes Wohlsein bewegt meinen Geist. Zwanzig,
: ja vielleicht auch dreißig oder noch mehr Birkenpilze begrüßen mich. Sie
: sind noch jung, was ich an dem festen Fleisch erkenne. Birkenpilze sind
: gute Speisepilze, die mir schon zu manch leckerer Bratensauce verholfen
: haben. Zwölf Stück schneide ich ab und lege sie in meinen Korb. Nur keinen
: Raubbau treiben und immer einige Exemplare stehen lassen! Ich weiß zum
: Beispiel von einigen, früher ergiebigen Pilzgebieten, dass dort wegen
: übermäßigen Sammelns, heute kein Steinpilz, Birken-, oder Maronenröhrling
: mehr gefunden wird. Na ja, keiner ist vielleicht übertrieben, aber eine
: vernünftige Mahlzeit bekommt man dort nicht mehr zusammen. Deshalb rate
: ich jedem der diesem Hobby nachgeht dazu, nicht in Massen sondern in Maßen
: zu sammeln, damit nicht irgendwann ein Pilzwachstum gänzlich ausbleibt.
: Pilze spielen nämlich eine wichtige Rolle in der Ökologie. Ein paar
: Schritte weiter, finde ich einige festfleischige, wunderschöne Exemplare
: des Maronenröhrlings. Dieser ausgezeichnete Speisepilz wird immer noch von
: unerfahrenen Pilzsammlern, die es ja zuhauf gibt, mit dem Steinpilz
: verwechselt, obwohl doch einige Merkmale eine sichere Unterscheidung
: erlauben. So genügt es schon, die gelbliche bis gelbgrüne Röhrenschicht
: auf der Hutunterseite leicht zu drücken. Die Druckstelle läuft sofort
: bläulich an, was beim Steinpilz nicht passiert.
: Aus der vom warmen Morgenlicht überfluteten Lichtung, steigen dünne Nebel auf
: die ein vielgestaltiges Farbenspiel zeigen. Ich bleibe einen Moment stehen
: und genieße diesen Anblick, der mich immer wieder aufs Neue fasziniert.
: Drüben, hinter der Lichtung, finde ich einige Braune Scheidenstreiflinge. Der
: Scheidenstrreifling ist ein ziemlich kleiner Pilz, der aber in der Nähe
: von Birken recht häufig erscheint. Für ein Mischpilzgericht ist er gut
: geeignet und ich nehme einige Fruchtkörper mit.
: Die Sonne steigt höher und durch die ansteigende Temperatur und die hohe
: Luftfeuchtigkeit entwickelt sich das Klima des Waldes zu einer
: unangenehmen Schwüle. Ich bin ziemlich gut verpackt, trage hohes Schuhwerk
: und lange Socken, die ich über die Hosenbeine gestülpt habe. Eine Jacke
: trage ich auch, was einigen Leuten, bei diesen Temperaturen, wohl etwas
: seltsam vorkommt, aber ich möchte mich möglichst vor den hinterlistigen
: Angriffen der blutsaugenden Zecken schützen.
: Meine Schritte werden langsamer, nicht weil ich etwa erschöpft bin, sondern
: weil an einer Stelle des Heidegebietes angekommen bin, wo ich schon oft
: Steinpilze gefunden habe. Dieser Pilz lockt jedes Jahr viele Pilzsammler
: in den Wald. Er ist wohl einer der begehrtesten Speisepilze überhaupt und
: ist auf dem Markt nur für sehr viel Geld zu bekommen. Für manchen Sammler
: ist er sozusagen der kapitale Hirsch und die Jagd erfolglos, wenn er nicht
: einige Exemplare dieser Köstlichkeit gefunden hat. Er ist leicht zu
: bestimmen und daher wird er, auch von Leuten, die sonst kaum etwas von
: Pilzen verstehen, gesammelt. Der versierte Pilzsammler nimmt natürlich
: auch gerne Steinpilze mit nach Hause, aber wenn es mal nur wenige oder gar
: keine gibt, kennt er noch genügend andere Pilzarten die er sammeln kann.
: An der einzelnen Eiche, die bestimmt schon einige hundert Jahre auf dem
: Buckel hat und zwischen deren Wurzeln schon Jahrzehnte lang ein von Moos
: und Efeu bewachsener Stein liegt, finde ich zwei der begehrten Pilze.
: Schade, bei näherer Betrachtung stelle ich fest, dass sie voller Maden
: sitzen. Solche Exemplare lasse ich natürlich stehen. Steinpilze finde ich
: heute leider keine mehr, aber auf dem Nachhauseweg stolpere ich noch über
: einen Birkenstamm, der mit Stockschwämmchen übersät ist. Ich freue mich,
: denn ich liebe den Geschmack dieser kleinen Holzbewohner. Es sind sehr
: gute Speisepilze und besonders geeignet für Suppen und Saucen. Die Stiele
: kann man leider nicht verwerten, denn sie sind zäh und faserig. Ich
: schneide einen großen Teil der Hüte ab, lege sie in meinen Korb und beende
: hiermit eine erfolgreiche Pilzsuche.
: Auch hat die Sonne bald ihren höchsten Punkt erreicht und es wird Zeit, sich
: in Dankbarkeit von einem wundervollen Morgen zu verabschieden.

Beiträge in diesem Thread

Eine kleine Geschichte -- Wolfgang Scholmanns -- 19. Mai 2006, 09:55 Uhr
Lieber Wolfgang ,wunderschöne Geschichte so fühle -- hans hurter -- 19. Mai 2006, 10:50 Uhr
Re: Eine kleine Geschichte -- Wolfgang Scholmanns -- 19. Mai 2006, 12:37 Uhr
Re: Eine kleine Geschichte -- Joachim -- 20. Mai 2006, 10:56 Uhr

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