: Hallo Pilzfreunde,
: endlich hat es nun auch in den Gebieten östlich der Hauptstadt gehörig
: geschüttet. Seit mehreren Wochen musste ich in den Wettermeldungen
: mitverfolgen,
: wie hier nahezu jede Gewitterfront erfolgreich abgewehrt werden konnte,
: während
: anderswo im Lande pausenlos der Starkregen herunterging. Allerdings wird es
: noch
: eine gehörige Zeit dauern, bis der Regen die ersten deutlichen Ergebnisse
: hervorbringt. Immerhin sind, wie fast immer, unmittelbar nach dem großen
: Regen
: die ersten Knoblauchschwindlinge erschienen.
: Noch bevor der Regen am vergangenen Samstag über uns hereinbrach, durfte ich
: eine gehörige Überraschung erleben. Wir waren, wie so oft an
: Sommer-Wochenenden,
: auf einen Brandenburger Campingplatz eingeritten, als mich ein Bekannter
: darauf
: aufmerksam machte, dass er „Schirmis“ gesichtet haben wollte.
: Wie bitte? Parasole nach acht Wochen Trockenheit und Wüstenklima!
: Die Schirmpilze an sich sind auf diesem Campingplatz eigentlich nichts
: Besonderes. So stehen auf dem Gelände in mäßig warmen und feuchten Sommern
: manchmal hunderte von Parasolen herum. Zur Ferienzeit wird denen dann auch
: entsprechend heftig nachgestellt, so dass man eigentlich immer nur noch die
: Stiele zu sehen bekommt. In diesem Jahr allerdings nicht. Bei wochenlanger
: Trockenheit wachsen normalerweise noch nicht einmal Parasole.
: Den einzigen hatte ich Anfang Juni hier als Rätsel gezeigt.
: Es wird nun sicher niemanden wundern, dass ich mir sofort die
: hitzebeständigen
: Pilze ansehen wollte. An der Stelle angekommen, leuchteten uns tatsächlich
: einige weiße Hüte entgegen. Mir war dann auch sofort klar, wieso da überhaupt
: Pilze wachsen konnten. Sie standen inmitten eines großen Abfallhaufens, wo
: die
: Campingfreunde ihre Pflanzenabfälle entsorgten und der dann mit einsetzender
: Dunkelheit regelmäßig „gedüngt“ wurde.
: Es hat halt viel zu wenige Toiletten auf diesem Campingplatz!
: Nun zu den Schirmpilzen. Beim ersten Anblick passten diese tatsächlich noch
: in
: das alte Parasolschema. Beim zweiten Hinsehen jedoch kam mir schon mal was
: faul
: vor. Nachdem ich mit der Knipse näher herangegangen war, konnte ich auch
: schon
: den tollen Geruch wahrnehmen, den die Umgebung dort verströmte - also, auf
: dem
: Boden herumturnen musste diesmal ausfallen.
: So standen sie dann da:
: kann jemand einen genatterten Stiel erkennen?
:
: obwohl es vom Habitus her Riesenschirmpilze sein könnten.
:
: aber wachsen die normalerweise in Büscheln?
:
: Gilbende Stiele?!
: Spätestens nach der Entnahme zweier Fruchtkörper war dann klar – keine
: Parasole.
: Was aber dann? Gilben und Röten tun ja auch noch der Safranschirmpilz und
: auch
: der Gift- Riesenschirmling. Der Safran fiel aber schon von vornherein aus, da
: bei der Kollektion die wollige Hutoberfläche fehlte. Die Pilze gehörten also
: näher untersucht.
: Hier ein Blick auf die Lamellen...
:
: ... und auch mal die Manschette etwas näher betrachtet.
:
: unmittelbar nach dem Aufschneiden begann der Stiel zu gilben,
:
: während die Stielbasis schon ein deutliches Orange aufwies.
:
: Nach ca. einer halben Stunde nahmen die Stellen bereits rostfarbene Töne an.
:
: Zusammen mit den beobachteten Makroeigenschaften sowie der Wuchsform
: und dem Standort sollten derartig auffällige Pilze eigentlich zu bestimmen
: sein.
: Und siehe da - nach Konsultation der Fachliteratur kam ich tatsächlich zu
: folgendem Ergebnis: - Büscheliger Egerlingsschirmling – Leucoagaricus
: bresadolae (Laux) GIFTIG!
: - Gelbfüssiger Egerlingsschirmpilz – Leucoagaricus bresadolae (Bon) GIFTIG!
: - Anlaufender Schirmling – Leucoagaricus bresadolae (Dähncke) essbar (???!!!)
: und zuletzt das wohl momentan gültige Taxon im Band 4 Großpilze BW : -
: Büscheliger Egerlingsschirmling – Leucoagaricus americanus (o.A.)
: Na bitte, vier verschiedene Bezeichnungen in der populären Pilzliteratur, im
: Dähncke ein Foto, das unpassender nicht sein könnte. Hier als Speisepilz und
: dort als Giftpilz deklariert. Ich muss aber noch dazu sagen, dass ich nur den
: alten Bon habe.
: Vom Foto her hat mir der neue Laux am meisten weitergeholfen. Auch die
: beschriebenen Merkmale im Bon haben mich sicher auf genau diesen Pilz
: geführt.
: Die Standort- und Wachstumsbeschreibungen im BW Band 4 passen ebenfalls.
: Da ich bisher keine Größenangaben gemacht habe, möchte ich dies hiermit
: nachholen. Hutdurchmesser größtes Exemplar: 20 cm – Stiel ebenfalls knapp 20
: cm.
: Geruch: angenehm pilzig, ähnlich Parasol. Geschmack: mild und angenehm.
: Zu Hause habe ich dann noch Ammoniak über das Hutfleisch „gekippt“, was
: prompt
: zu einer dunkelgrünen Farbreaktion führte und furchtbar gestunken hat.
: Im Anschluss dunkelte die Verfärbung aus bis fast schwarz.
: Nachdem der wissenschaftliche Teil nun abgeschlossen ist, möchte ich zum
: Schlusswort kommen und noch eine kleine, aber aus meiner Sicht bedeutende
: Frage aufwerfen.
: Ich haben diese Pilze nach bestem Wissen und Gewissen untersucht und glaube,
: sie
: auch zu 90% sicher bestimmt zu haben. Natürlich ist mir klar, dass mir dabei
: Fehler unterlaufen sein könnten oder dass ich etwas Entscheidendes übersehen
: habe und meine Bestimmung somit falsch ist. Darum stelle ich den Beitrag ja
: hier
: in das Forum.
: Wenn ich richtig liege, habe ich allerdings einen relativ seltenen Fund
: gemacht.
: Ein Erstfund, egal was es ist, war es für mich sowieso.
: Die Frage, die mir unter den Nägeln brennt: Sowohl im Bon als auch im Laux
: ist
: L. bresadolae als giftig gekennzeichnet; nicht bloß als giftverdächtig.
: Hätte ich vielleicht besser daran getan, diese Kollektion zu vernichten, um
: zu
: verhindern, dass die insgesamt 10 Pilze von irgendwem als Parasol verspeist
: würden?
: Ich habe sie jedenfalls stehen lassen, und aufgrund des folgenden Regentages
: hatte sie auch bis gestern noch niemand eingesammelt.
: Allerdings habe ich auch noch einige mir bekannte Parasoljäger vorgewarnt.
: Einem Camper habe ich dann aber noch die beiden Testpilze gezeigt und ihn
: gefragt, was er davon halte – Er meinte, ein klarer Fall für die Bratpfanne.
: Nachdem ich ihm dann erzählte, dass das gerade keine Parasole sind und es
: obendrein giftige Schirmpilze gibt, sah er doch recht erstaunt aus.
: Eigentlich liegt hier meiner Meinung nach ein ziemlicher Grenzfall vor –
: Naturschutz vs. Schutz von Menschenleben. Wie seht ihr das eigentlich?
: Ach so, auf dem Dunghaufen fruktizierten noch weitere Schirmlingsverwandte.
: Dazu demnächst mehr hier im pilzepilze Forum.
: Grüße
: Ingo
Tja Ingo
Was Dir da unter den Nägeln brennt würde ich sagen, es sind ( wie Deine schönen Bilder und sorgfätige Recherche ergeben hat ) keine Parasolpilze. Ich hab sie auch noch nicht gesehen. Jeder der Pilze zum Verzehr sammelt sollte nur dann zur Pfanne greifen, wenn er die Pilze zweifelsfrei bestimmen kann. Alsö kein Grund die Pilze zu beseitigen. In dubio pro stehenlassen. Sehr interessante Fotos. Übrigens hab ich letztes Jahr im Sauerland um diese Zeit wirklich Unmengen vom grossen Schirmling gesehen. Gut tröstet Dich vielleicht nicht weiter. Meiner Erfahung nach kommen sie vermehrt auch erst im September.
Viele grüsse proletus