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Die braunen Kiefernritterlinge - Lösungsansatz

Geschrieben von: Ingo
Datum: 31. Oktober 2007, 23:39 Uhr


Hallo Pilzinteressierte!

Heute möchte ich meinen kleinen Taxonomie- Krimi zum Thema “Braune Kiefernritterlinge“ beenden
und, wie es sich am Ende einer solchen Serie gehört, einen Lösungsansatz anbieten.

Ich weiss nicht, ob alle hier Versammelten sämtliche, eingestellten Bestimmungsschlüssel
durchgelesen haben. Ich würde es Niemandem verübeln, irgendwann damit aufgegeben zu haben.

Wer dennoch alle Beiträge durchgelesen hat, wird mir sicher zustimmen, dass bei den Artbeschreibungen
ein ziemliches Durcheinander herrscht. Zwar kommt man mit beinahe allen Schlüsseln zu irgendeinem
Ergebnis – leider aber selten zum gleichen.

Wie euch sicher nicht entgangen ist, habe ich es anfangs mit der „Brechstange“ versucht, um dann am
vergangenen Freitag zu versuchen, den Weizen von der Spreu zu trennen. Leider ließen sich die
verschiedenen Beschreibungen in keiner Weise vereinheitlichen.

Als Erfolg versprechend schien mir zu sein, mittels der botanischen Artbezeichnungen zu den ursprünglichen
Taxa zu gelangen. Dabei erschien mir die Einordnung nach E. FRIES besonders hilfreich.
Wie ich mittlerweile erkennen musste, lagen die Wurzeln der Thematik, und damit auch die Quelle des
Durcheinanders, noch weiter in der mykologischen Vergangenheit.

Zum vollen Verständnis der Problematik muss ich euch nun doch noch mit einer Artbeschreibung behelligen.
Ohne diese geht es wohl nicht. Daher hier die Beschreibung aus MHK – Band III – Nr. 210:

Weißbrauner Ritterling – Tricholoma albobrunneum (Pers. 1801; Fr. 1821) Kumm. 1871
Kennzeichen: Rotbraune, radialfaserige Huthaut, rotbräunlich verfärbender Stiel, in sandigen Kiefernwäldern.
Hut: Dunkelbraun, kastanienbraun, braunrötlich, mit eingewachsenen, dunkleren, geschlängelten, radiären
Fasern, in der Mitte bisweilen mit kleinen Warzen und winzigen Gruben, schwach klebrig-schmierig, zumindest
Angefeuchtet; jung flach kegelig, dann ausgebreitet, im Alter mit niedrigem Buckel, 5-8 cm breit, Hutrand
Etwas heller gefärbt (rotbräunlich bis fleischrötlich), lange eingerollt.
Blätter: Weiß, später leicht ockerlich getönt, an den Schneiden braun fleckend; gedrängt, hinten ausgebuchtet.
Stiel: Anfangs vollkommen weiß, dann verfärbt er sich allmählich vom Grunde her ocker- bis rotbräulich und
Löst sich dabei gleichzeitig in kleine Schuppen auf, die sich bald bräunen und vom Untergrund abheben.
Die Stielspitze bleibt lange weiß, verfärbt sich aber allmählich, ist daher nicht scharf abgesetzt; gleich dick,
3-6 x 0,5-1 (-2) cm, trocken, voll, fest, am Stielgrund nicht ausspitzend.

Wert: Ungenießbar, schwere Verdauungsstörungen hervorrufend, mit Erbrechen und Durchfall, doch klingen
diese meist schon am nächsten Tage wieder ab. Berichte mit diesem Pilz gaben KERSTEN (Z. Pilzk. 9: 1930)
und NEUHOFF (Westf. Pilzbriefe 1: 41-46, 1958), wobei dieser Pilz zunächst für T. ustale bzw. T. pessundatum
gehalten wurde.

Weiter im Text:
Ich hatte mich mit dieser Beschreibung anfangs überhaupt nicht anfreunden können, nicht zuletzt, weil diese
in dem bereits angeführten Schlüssel in den BW-Pilzen Band 3, als Irre führend dargestellt wurde.
Glücklicherweise gibt H. KREISEL in seiner Beschreibung die Quelle des Textes indirekt an.

Dabei handelt es sich nicht um den angegebenen Beitrag aus den Westf. Pilzbriefen, der ins Besondere
auf die Vergiftungsfälle eingeht, sondern um einen Beitrag von Dr. NEUHOFF aus einer späteren
Publikation, ebenfalls aus den Westf. Pilzbriefen.

Um meinen Lösungsansatz nachvollziehen zu können, empfehle ich dringend, VORHER den besagten
Beitrag durchzulesen.

Zugegeben, das durchzuarbeiten ist recht schwierig und zum Teil auch dem wissenschaftlichen
Schreibstil des Verfassers geschuldet. Ich habe das Teil bereits vor Jahren entdeckt und versucht, daraus
schlau zu werden. Ohne die behandelten Arten zu Gesicht bekommen zu haben, fällt das Verständnis
Nichtakademikern, zu denen auch ich mich zähle, einigermaßen schwer. Allerdings haben wir nun einen
kleinen Vorteil in der Hand. Wir haben farbige, aussagekräftige Fotos, nebst Beschreibungen, zur Hand.

Zusammen fassend lässt sich der Inhalt etwa so wieder geben:
Tricholoma albobrunneum stand in der Vergangenheit für zwei bekannte und eindeutig beschriebene
Arten. Ursprünglich wurde der Fastberingte Ritterling (T. fracticum / batschii) mit diesem Namen versehen.
Das Unheil nahm mit E. FRIES seinen Lauf, als dieser die von J.CH.SCHÄFFER bereits 1762 als
Tricholoma striatum bezeichnete Art ebenfalls mit dem Namen T. albobrunneum bezeichnete.

Wie NEUHOFF in dem Beitrag so schön herausstellte: die echte Albobrunneum und die falsche
Albobrunneum im Sinne von FRIES.

Nun wäre ja alles halb so wild, wenn sich die Mykologen jener Epoche einig gewesen wären, und
sich seinerzeit auf eine einheitliche Taxa geeinigt hätten. Anscheinend war das aber nicht der Fall, so
dass im Ergebnis dessen heutzutage weiterhin beide Auffassungen, sogar in neueren Werken,
nebeneinander existieren.
Vor allem in der Südeuropäischen Literatur, aber auch im Deutschsprachigen Süden gilt T. albobrunneum
Immer noch als Art mit deutlich ausgeprägtem Farbübergang an der Stielspitze.
Da in jener Literatur fast immer auch T. fracticum/ subannulatum/ batschii aufgeführt wird, ist nicht
nachvollziehbar, welche Art dort mit Albobrunneum gemeint ist.

Im Falle der bereits genannten Großpilze BW Band 3 scheint der Fall klar. Dort ist unter T. albobrunneum
eindeutig der „Falsche“ nach Fries aufgeführt, allerdings mit deutlich abgesetzter Stielspitze.
Als unvoreingenommener Leser kommt mir in dem Fall sogleich die ketzerische Idee, den Spieß einfach
mal umzudrehen, und den verantwortliche Autoren das Vermengen von Artmerkmalen vorzuwerfen.

Damit eines klar ist: ich argumentiere momentan nur auf Grund der Beobachtungen, die W. NEUHOFF
im obigen Beitrag veröffentlicht hat, und wie schon gesagt: bis vor wenigen Tagen war ich noch kein Freund
dieser Schlüsselung.

Allerdings bleibt mir nun, angesichts der in diesem Herbst gemachten Funde, nichts weiter übrig, als den
Ausführungen von W. NEUHOFF zu folgen.

Genug der Vorrede. Es ist nun an der Zeit, eine Fundbestimmung zu versuchen.

Allen voran möchte ich ein Bild zur Diskussion stellen, welches Felix Hampe (Thüringer Holz) mir
freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat; aufgefunden Anfang Oktober Nähe Hannover:

Besser kann man es nich zeigen. Im Sinne von NEUHOFF, MHK und wohl auch Fries:
Tricholoma albobrunneum

Hier ein Bild von meiner Kollektion 1 aus dem Vorjahr:

Leider konnte ich nur die Albobrunneum Angelegenheit klären. Die Beschreibung der weiteren, bis dato
unter T. pessundatum laufenden Arten scheint E. FRIES mit ins Jenseits genommen zu haben.
Aufgrund der nahezu übereinstimmenden Beschreibung aus den BW Pilzen und R.M. Dähnckes 1200 Pilzen
würde ich bei dieser Kollektion weiter auf Tricholoma stans plädieren.
Was mich ein wenig beunruhigt, ist die Tatsache, dass die Art als kalkhold beschrieben wird.
Bedenkt man aber, dass diese Art von Fries ins Leben gerufen wurde, und dieser hauptsächlich
in bodensauren Gegenden forschte, so könnte dieses Merkmal auch zufällig mit dieser Art assoziiert
worden sein. Vom Erscheinungsbild steht diese Kollektion auf jeden Fall in der Nähe von T. pessundatrum.

Kollektion 2:

ist nach den Beschreibungen von W. NEUHOFF eindeutig die Art, die seinerzeit die in den Pilzbriefen
beschriebenen Vergiftungsfälle hervorgerufen hat. Vom Äußeren her handelt es sich eindeutig
um T. albobrunneum nach Fries. Allerdings nahezu oder komplett ohne Fasern auf der Hutoberfläche.
Im Index fungiorum sind mehrere Varietäten dieser Art aufgeführt, allerdings ohne nähere Beschreibung.

Möglicherweise handelt es sich aber auch um eine gute Art. Hier wären weitere, mikroskopische, oder
genetische, Untersuchungen vonnöten.

Kollektion 3

Dazu passt wieder eindeutig die Artbeschreibung von T. albobrunneum nach FRIES.
Erstaunlich klein waren die Fruchtkörper.
Eine Notiz am Rande. Vergangenes Wochenende fand ich in Nähe einer Kollektion von T. portentosum
einen einzigen kleinen Pilz, den ich von Weitem für einen Pfefferröhrling hielt. Allerdings war es ein sehr
schmächtiges Exemplar dieser Variante. Eine Kostprobe erwies sich als sofort und extrem bitter, und das
trotz sofortigen Spülens mit Wasser ziemlich langanhaltend. Das muss bei Gelegenheit nachgeprüft werden.

Kollektion 4

Das ist, nach den erst am vergangenen Wochenende gewonnenen Erkenntnissen, Tricholoma pssundatum.
Flache, kompakte, festfleischige Fruchtkörper mit unregelmäßig geformten (wie Koll. 1) Huträndern.

Kollektion 5 nochmal zur Erinnerung:

Tricholoma pessundatum

Was bleibt für Erkenntnis?
Diese Gruppe von Ritterlingen benötigt auch weiterhin unsere Aufmerksamkeit. Meine Ausarbeitung soll
lediglich als Lösungsansatz verstanden werden. Einige Arten konnten immerhin zweifelsfrei geklärt werden.
So sind nach meiner Einschätzung Felix’ Funde, meine 3. und wohl auch die 2. Kollektion als
Tricholoma albobrunneum im Sinne von Fries zu verstehen. Die beiden, zuletzt aufgeführten, Kollektionen
müssen nach allen geltenden Beschreibungen Tricholoma pessundatum heißen.

Die betreffenden Sektionen sind aus meiner Sicht wie folgt aufzuteilen:

Für die fastberingten Arten wäre wohl eine eigene Sektion Subannulata gerechtfertigt, hier mit:
T. fracticum
T. aurantium
T. ustaloides

Tricholoma striatum / albobrunneum hat dort nichts verloren !

Die nichtberingten wären auch in einer eigenen Sektion Pessundata gut aufgehoben :
T. pessundatum
T. populinum
T. albobrunneum
T. stans
T. ustale
T. fulvum
T. nicticans

Nach neueren Erkenntnissen ist T. colossus wohl etwas Eigenes, und hier nicht aufzuführen.

Zur Ehrenrettung einiger Bestimmungswerke ist zu sagen, dass der aktuelle Schlüssel der
Niederländischen Pilzflora (NORDELOOS) T. albobrunneum ähnlich wie MHK auffasst.
Der neue Schlüssel von F. Gröger ist da auch nicht sehr abweichend, mit Ausnahme der
Bemerkung, dass bei T. albobrunneum eine farblich abgesetzte Stielspitze nur im Jugendstadium
zu erkennen ist. Dem ist, wenn man aufmerksam mitgelesen hat, nicht so.

Ich hoffe, mein Ansatz kann ein wenig zur Klärung dieser schwierigen Gruppe beitragen.
Möglicherweise liege ich auch komplett daneben. Ich bin halt auch nur Amateur.
Man mag nur mal hochrechnen, wie viel Zeit man zum Lesen der ganzen Beiträge benötigt, und dann mal
hoch rechnen, wie viel Zeit es für Recherche und Schreiben benötigt.
Immerhin sollte es dem Felix nun guten Gewissens möglich sein, seine Funde als T. albobrunneum (Fr.)
in der Datenbank bei Pilzbestimmung einzubinden. Das allein war die Mühe wert!

Beste Grüße Ingo

Beiträge in diesem Thread

Die braunen Kiefernritterlinge - Lösungsansatz -- Ingo -- 31. Oktober 2007, 23:39 Uhr
Re: Die braunen Kiefernritterlinge - Lösungsansatz -- Thomas Pruss -- 1. November 2007, 09:16 Uhr
Mach aus Trich ein Rit, dann passts ;-)) *oT* -- Christoph G -- 1. November 2007, 09:38 Uhr
Sch… ja, sorry! Freud lässt grüßen! -- Thomas Pruss -- 1. November 2007, 09:50 Uhr
Gute Idee! -- zuehli -- 1. November 2007, 19:17 Uhr
Re: Die braunen Kiefernritterlinge -- Lonco -- 1. November 2007, 10:26 Uhr
Ausserordentliche Spitzenklasse -- Thüringer-Holz -- 1. November 2007, 12:43 Uhr
Re: Die braunen Kiefernritterlinge - Lösungsansatz -- Ingo -- 2. November 2007, 00:01 Uhr

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