Hallo Thorsten,

in die Schar der eingestandenen Nicht-Spezialisten passe ich perfekt.

Den lateinischen Bezeichnungen wird ja (außer ihrer Internationalität) vor allem ihre Stabilität als Vorteil nachgesagt. Damit ist es freilich so weit nicht her. Eines meiner ersten nicht aus kulinarischen Interessen gesammelten Pilzchen lernte ich als Discina perlata kennen, musste aber gleich dazu lernen, dass das Scheibchen nunmehr Gyromitra ancilis heißt (und ich lege meine Hand keneswegs ins Feuer, dass das heute noch der gültige Name ist. Laut Index fungorum heißt die Scheibenlorchel nämlich jetzt Discina ancilis). Die meisten Tintlinge sind jetzt nicht mehr unter Coprinus zu Hause, sonder unter Coprinopsis, Collybia siehe Gymnopus. Etc. Etc.

Ganz lustig wird's natürlich mit älterer Literatur. Das Problem ist keineswegs neu. Ich habe einige Bände aus dem Nachlass von German Krieglsteiner erstehen können. Sie sind über und über mit handschriftlichen Notizen versehen - vor allem mit Ergänzungen der zu Krieglsteiners Zeit gültigen lateinischen Pilznamen. Wenn man's genau nehmen wollte, müsste man heute in vielen Fällen schon wieder neue Namen daneben schreiben.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe nichts gegen Umbenennungen. Sie sind in der Regel Konsequenzen von Umgruppierungen, und die haben vielfach ihre Berechtigung. Man muss nur, wenn man sich auf lateinische Bezeichnungen einlässt, damit rechnen, dass ein Pilz, dessen Namen man sich mühsam eingeprägt hat, morgen (spätestens aber übermorgen) schon wieder einen anderen Namen hat und dass man bei der Literaturrecherche am besten immer auch die Synonyme zur Hand hat. Dieser Röckchenwechsel ist natürlich in manchen, noch weniger erforschten Gattungen häufiger und wahrscheinlicher als in anderen. Und er macht, wenn man keinen angelernten Zugang zu lateinischer und/oder griechischer Wortbildung hat, zweifellos Mühe.

Dennoch: Ich merke mir Pilznamen am liebsten lateinisch. Ich kann sie mir - vielleicht gerade weil sie exotisch sind - so herum einfach besser merken. Die deutsche Variante merke ich mir gerne dazu (wenn es mir gelingt, wenn sie mir gefällt, ...). So schaffe ich es wenigstens manchmal, aus einem erinnerten Rumpf des einen Namens vielleicht den ganzen anderen Namen zu rekonstruieren.

Im Zweifelsfalle bleibt nur eines: Der Griff ins Buchregal.