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Pilze Pilze Forum Archiv 2008

Kiefernspezial 1 - nicht Fisch noch Fleisch

Geschrieben von: Ingo
Datum: 14. Januar 2008, 23:51 Uhr


Hallo Pilzfreunde,

Zeit für eine kleine Rückblende. Nicht Fisch, noch Fleisch! Was soll das schon wieder?
Ganz einfach. Auf die Pilzwelt übertragen: kein Blätterpilz und auch kein Pilz mit Poren.
Sicher kämen unter diesem Aspekt auch noch Ascos in die engere Wahl. Es soll heuer aber
schon um Ständerpilze gehen. Allerdings um solche mit Stacheln unter dem Hut.

Das vergangene Pilzjahr brachte ja in vielen Bereichen gute Ergebnisse, so dass
es sich ausnahmsweise auch mal lohnt, den Stachelingen einen eigenen Beitrag zu
widmen. So gibt es in dieser Gattung auch Vertreter, de sich in bodensauren
Kiefernbeständen wohl fühlen. Einige von ihnen sind sogar nur dort zu finden und
viele sind derzeit auch selten geworden und in jedem Fall schützenswert.

Die verbreitetsten Arten sind wohl noch unter den Braunsporstachelingen zu
finden, deren Typusart der Habichtspilz ist. Was viele Pilzfreunde nicht wissen
– die moderne Mykologie trennt hier mittlerweile zwei gute Arten voneinander ab,
die sich sowohl vom ökologischen Aspekt, als auch von den sonstigen Artmerkmalen
her einwandfrei unterscheiden lassen.

So gibt zum einen den Kiefernbegleiter, der sich nun offiziell
Kiefern-Habichtspilz nennen darf. Hier zwei Bildchen von
Sarcodon squamosus, dem Kiefern-Habichtspilz:

Am meisten verbreitet dürfte wohl der Fichtenbegleiter sein, der den Typusnamen Sarcodon imbricatus
behalten durfte. Vom kulinarischen Wert scheint allerdings nur der heimische Kiefernbegleiter etwas
herzugeben. Ich persönlich verarbeite ihn ganz gerne zum würzen zu Pilzpulver.
Doch Obacht, ältere Exemplare neigen dazu, immer bitterer zu werden.

Wen das Thema näher interessiert, für den habe ich hier einen entsprechenden Fachartikel
(Punkt 9) unserer österreichischen Pilzfreunde, der diese Thematik näher beleuchtet.

Nachdem ich im vergangenen Jahr die PABB auf diesen Umstand aufmerksam gemacht
hatte, müssen nun einige Kartierungsdaten korrigiert werden. So ist es wahrscheinlich,
dass mangels Fichten Sarcodon imbricatus im Bereich Berlin / Brandenburg überhaupt nicht
vorhanden ist, zumal alle bisherigen Funde in der Region in Kiefernbeständen gemacht wurden.

Nicht genug, dass die Habichte untereinander sehr ähnlich sind, gibt es noch einen weiteren Doppelgänger,
der durchaus auch in Kiefernbeständen vorkommen kann. Dabei handelt es sich um den bitteren
Gallenstacheling – Sarcodon scabrosus:

Folgt man der aktuellen Bestimmungsliteratur, so handelt es sich hierbei um eine Art, die eigentlich in
Laubwäldern zu finden ist. Ganz korrekt ist dies aber nicht, denn die Art begegnete mir im vergangenen
Spätsommer im Kiefernwald. Nach Roger Phillips darf er dort auch stehen. Ausgewachsene Exemplare sind
auch sehr einfach von Habichtspilzen zu unterscheiden. Die grünschwarze Stielbasis und der aufdringliche
Mehlgeruch machen diese Art unverwechselbar.

Allerdings hatte ich mich Mitte August mit einem Jungexemplar fast angeschmiert. Jungpilze vom
Gallenstacheling haben noch keine Verfärbung im Schnitt und sehen im Übrigen genau so aus wie
junge Kiefern-Habichtspilze. Nur dass auch sie jung bereits entsetzlich bitter sind. Ein weiteres gutes Merkmal
scheint mir die Fruktuationszeit zu sein. Während die Gallenstachelinge eher in der warmen Jahreszeit
erscheinen, kommen die Kiefern-Habichtspilze erst nach einem kleinen Kälteschub, zeitgleich etwa mit
den Grünlingen.

Nun gibt es in Kiefernwäldern eine weitere, sehr ähnliche Art, die allerdings deutlich verschiedene
Eigenschaften aufweist und sogar zu einer eigenen Gattung gehört. Allein die
helle Sporenfarbe sorgt dafür, dass die auf den ersten Blick sehr ähnlichen
Stachelinge in eine ganz andere Ecke gehören.
Hier ein paar Pics’ in verschiedenen Entwicklungsstadien:

Jung mit wie lackiert wirkender Hutoberfläche:

Helle Stacheln und noch recht kompakte Fruchtkörper in diesem Entwicklungsstadium:

Junge Fruchtkörper erinnern zunächst sehr stark an Sarcodon:

Wenn sie entwickelt sind, schließen die Hüte allerlei Unrat, wie Nadelstreu, ein:

Diese Art zeichnet sich nicht nur in getrocknetem Zustand dadurch aus, strengen Maggigeruch zu verströmen.
Bereits die frischen Fruchtkörper verströmen einen derart starken Geruch nach diesem Küchengewürz,
dass man sie oftmals bereits riechen kann, bevor man sie im Kiefernstreu entdeckt.

Von dieser Gattung der Schmutzstachelinge soll es in unseren Gefilden lediglich zwei Arten geben.
In den armen Kiefernwäldern allerdings gibt es nur die hier vorgestellte Art:
Rötender (Schmutz) Stacheling - Bankera fuligineo-alba.

Zum guten Ende habe ich noch eine weitere Art, die sich ebenfalls durch Maggigeruch auszeichnet.
Den kann man allerdings nur im getrockneten Zustand wahrnehmen.

Hier ein paar Schnappschüsse:

Von Weitem betrachtet, könnte man die Pilzchen auch für irgendwelche Porlinge halten.
Die Betrachtung der Unterseite offenbart aber die wahre Natur dieser Pilze. Vor allem diese
Art verdeutlicht, in welche Großfamilie all diese Stachelpilze gehören. Das ist gut erkennbar die
Verwandtschaft der Erdwarzenpilze (Telepohoraceae).

Mit der Benamsung der gezeigten Art hatte ich erst ein wenig Kummer. Dem Kosmos-Pilzführer von
Roger Phillips folgend, sollte es sich aber um Phellodon melaleucus, den Schwarzweißen Korkstacheling
handeln. Sowohl die dort beschriebenen Makroeigenschaften, als auch die Standortmerkmale passen.
Im Übrigen werden sämtliche, hier vorgestellten Arten, in diesem Werk recht ausführlich beschrieben,
weshalb ich mich hier allein auf dieses Bestimmungswerk als Quelle berufe.

Vielleicht hat der Eine oder Andere hier auch schon Bekanntschaft mit den vorgestellten Arten geschlossen.
Gerade die Bankera sollen ja mittlerweile ziemlich rar sein. Wie sieht es aber mit dem Gallenstacheling aus?
Hat den auch schon mal Jemand im Nadelwald gefunden?

Wen die Stachelpilze nicht so interessieren – beim nächsten mal werde ich mir mal die Täubchen vorknöpfen.

Viele Grüße und eine schöne Restwoche – Ingo

Beiträge in diesem Thread

Kiefernspezial 1 - nicht Fisch noch Fleisch -- Ingo -- 14. Januar 2008, 23:51 Uhr
Klasse Dokumentation. Vielen Dank!!! *oT* -- saibling -- 15. Januar 2008, 00:11 Uhr
Re: Kiefernspezial 1 - nicht Fisch noch Fleisch *PIC* -- Andreas -- 15. Januar 2008, 00:17 Uhr
Re: Sarcodon spez.? -- Ingo -- 15. Januar 2008, 12:23 Uhr
Re: Kiefernspezial 1 - nicht Fisch noch Fleisch *PIC* -- rudi -- 15. Januar 2008, 22:05 Uhr
Re: @Andreas -- Ingo -- 15. Januar 2008, 23:37 Uhr
Na, scabrosus natürlich, aus dem Nadelwald *oT* -- Andreas -- 16. Januar 2008, 07:32 Uhr

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