Hallo, Gerhard,

in der "Morchellologie" gibt es eine Richtung, die im Wesentlichen von drei europäischen Morchelarten ausgeht (esculenta, gigas=semilibera, conica=elata, dazu jetzt wohl auch die hier im Forum schon mehrfach diskutierte steppicola), und Dutzende von in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten beschriebene Arten und Varietäten als witterungs- und standortsbedingte Formen der drei Haupttypen ansieht. Dafür sprechen in jüngerer Zeit wohl auch molekularbiologische Untersuchungen.

Eine andere "Schule", vor allem in Frankreich, hält sich im Wesentlichen an das große Tafelwerk von Boudier (1905-1911) und unterscheidet nach wie vor eine ganze Reihe verschiedener Arten, darunter umbrina (damit ist tatsächlich die Farbe gemeint). Es sind auch nach Boudier in Frankreich noch "neue" Morcheln beschrieben worden, die aber bei uns kaum wahrgenommen werden(???), weil man, bedingt sicher auch durch den Wunsch, bei Kartierungsprojekten mit einem halbwegs einheitlichen Artenkonzept arbeiten zu können, eher der Sammelarten-These folgt. In der Praxis ist das sicher auch einfacher. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass man die Boudierschen "Arten" nicht ganz vergisst und abweichende Formen nicht alle gleich verspeist, sondern gelegentlich auch mal dokumentiert und mit Trockenexemplaren belegt. Das gilt besonders dort, wo man feststellt, dass bestimmte Abweichungen an bestimmten Fundorten über mehrere Jahre hinaus auftreten. Wir haben in unseren Auwäldern z. B. fast immer die "forma rigida" von M. esculenta, die bei Boudier als eigene Art dargestellt ist.

Letztlich ist es für uns Amateure eine "Glaubensfrage", an welche Auslegung man sich hält. Ich "glaube" z. B. auch noch an eine M. (esculenta var.) crassipes, die in Kalkquellmooren vorkommt und nichts oder nur wenig mit den alten Speisemorcheln zu tun, die irgendwann im Alter mal Elephantiasis bekommen. Aber diese Religion wird erst eine, wenn diese Kalkquellmoor-Morchel auch anderswo mal auftaucht und für mich noch ein paar Glaubensbrüder missioniert ...

Ja, der "Faszination-Pilze-"Mensch bin ich, aber die meisten und vor allem die besten Fotos stammen von meinem Ko-Autor Felix Labhardt, da kann ich zur Aufnahmetechnik leider nichts sagen.

Gruß, Till