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Pilze Pilze Forum Archiv 2009

Re: Frage zum "Kalken" von Wäldern

Geschrieben von: pilzliebhaber
Datum: 28. August 2009, 20:14 Uhr

Antwort auf: Frage zum "Kalken" von Wäldern (HoBi)

Hallo Holger und Sabine,

dies ist ein komplexes Thema und kaum vernünftig mit wenigen Sätzen zu beantworten ohne sich Widersprüche und verbale "Prügel" einzuhandeln.
Ich möchte dennoch den Versuch unternehmen ein paar Aspekte zu nennen.
Selbst erlebe die mit den Kalkungen verbundenen Veränderungen in den Wäldern seit ca. 1992 und u.a. bis 1998 als mykologischer Projektmitarbeiter der Forstlichen Versuchs- und Lehranstalt in Trippstadt/RLP.

Zum einen hängt es von von der Art des verwendeten Kalks ab. Je nach Art und Zusammensetzung wird der enthaltene Kalk schneller oder langsamer "umgesetzt".
Gelöschter Kalk (Brandkalk), der sehr schnell umgesetzt wird heute kaum noch
verwendet. Zumeist werden heute kombinierte Kalk-Mineralien-Düngerpräparate eingesetzt. Zum Beispiel bei einem Hiebreifen Bestand ca. 5- 10 Jahre vor dem geplanten Endeinschlag. Dies bringt nochmal einen ordentlichen Festmeterzuwachs.
Bekannt und einkaluliert sind die deutliche Zunahme an Forstpathogenen Pilzen wie z.B. den Gemeinen Wurzelschwamm. Durch ihn kommt es dann häufig zu den sog. Wasserfüßen bei Fichten. Nur wächst oben mehr nach als der Pilz unten "wegfrisst". Die Monokulturen der Forstwirtschaft stehen heute z.T. in der 3. und 4. Generation und haben die durch natürliche Waldgesellschaften über Jahrtausende entstandenen wertvollen Waldböden ruiniert und machen häufig solche Kalkungs- und Düngemaßmahmen notwendig um das Betriebsziel zu erreichen.

Grundsätzlich bewirkt jede "Kalkung" über kurz oder lang eine Erhöhung des ph-Wertes in den oberen Bodenhorizonten. Nun sind aber die Symbiosepilze mit ihren Wirten auf bestimmte Nährstoff- und Basengehalte des Bodens eingespielt. Wenn sich der ph-Wert im Boden aufgrund einer Kalkung sich in kurzer Zeit deutich erhöht, so gerät dieses Gleichgewicht aus den Fugen. Der Symbiont verliert an Vitalität und kann u.a. seine Schutzfunktion gegenüber bodenpathogenen Bakterien und Pilzen nicht mehr nachkommen.
Die Artenvielfalt der Symbiosepilzarten (soweit vorhanden) nimmt deutlich ab. Allerdings kommt es häufiger noch zu "Massenfruktifikationen" von Symbiosepilzarten bevor sie gänzlich verschwinden.

Durch die infolge der Kalkung erhöhten Basengehalt wird die zwangsläufig daran gekoppelte Nährstoffversorgung deutlich erhöht. Zumeist kommt es in den Folgejahren zu einer Verkrautung der Wälder mit "stickstoffzeigenden" Pflanzen wie z.B. dem Kleinblütigen Springkraut, Brombeere u.a.
Auch dies bleibt vermutlich nicht ohne Einfluß auf die Funga, wurde jedoch soweit ich weiß bislang noch nicht eingehender untersucht.

Alles in allem wirkt sich eine Kalkung meist schädlich auf die Artenvielfalt bei den Pilzen aus. Einzelne Arten werden dann aber extrem häufig. Z.B. nehmen die Fruktifikationen von streubesiedelnten Saprobionten wie. z.B. Arten aus den Gattungen Lepista, Gymnopus u.a. massiv in den ersten Jahren nach der Maßnahme zu.

Die Kalkungen hatten ihren Ursprung in den 1990-ern Jahren um der zunehmenden Versauerung der Waldböden infolge des "sauren Regens" zu entgegnen. Dieses Thema hat sich heute eigentlich weitestgehend erledigt. Den Katalysatoren und Entschwefelungsanlagen sei Dank. Heute ist eigentlich eher die Überdüngung der Wälder/Forsten durch den Stickstoffeintrag über die Luft das Problem.

Die o.a. Erfahrungen beziehen sich auf colline Mittelgebirge in Hessen und Rheinland-Pfalz. Interessant wären natürlich eure Beobachtungen wenn ihr die betroffenen Wälder schon länger kennt.

Viele Grüße
pilzliebhaber

Beiträge in diesem Thread

Frage zum "Kalken" von Wäldern -- HoBi -- 28. August 2009, 17:46 Uhr
Re: Frage zum "Kalken" von Wäldern -- goldsucher -- 28. August 2009, 19:45 Uhr
Re: Frage zum "Kalken" von Wäldern -- pilzliebhaber -- 28. August 2009, 20:14 Uhr
@ Goldsucher und Pilzliebhaber -- HoBi -- 29. August 2009, 19:21 Uhr
Re: @ Goldsucher und Pilzliebhaber -- pilzliebhaber -- 29. August 2009, 21:43 Uhr
Werden mal nachfragen... -- HoBi -- 29. August 2009, 22:52 Uhr
Haben mal nachgefragt... -- HoBi -- 6. September 2009, 16:28 Uhr
Re: Haben mal nachgefragt... -- goldsucher -- 6. September 2009, 23:45 Uhr
Re: Haben mal nachgefragt... -- pilzliebhaber -- 7. September 2009, 11:50 Uhr
Es läßt uns noch keine Ruhe :-( -- HoBi -- 9. September 2009, 17:48 Uhr
ich schließe mich an -- phragmobasidie -- 9. September 2009, 20:42 Uhr

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