: Hallo zusammen!
: Schön, was sich für ein lustiger Beitrag entwickelt hat, und scheinbar seid
: ihr euch ja relativ einig bei der Beurteilung.
: Eins habe ich aber nicht verstanden. Ich gebe zuvor zu, dass ich eher nicht
: zu den Mikroskopier-Künstlern gehöre, und das Mikroskopieren als Mittel
: zum Zweck sehe, also kaum saubere, perfekte Mikro-Fotos erstelle.
: Nehmen wir aber mal an, ich bearbeite die vorhandene, ockerfarbene
: Hintergrund-Farbe der sehr schönen Mikros von Harald Andres im Nachhinein
: in die Nähe weiß, hellgrau oder bläuliches Weiß (weil, das sollte ja schon
: die neutrale Hintergrundfarbe bei einem Mikrofoto sein, oder?), dann
: erhalte ich in ungefähr Uschis Variante, auf jeden Fall ist die schöne
: metachromatische Reaktion dahin.
: Wo liegt denn nun der Denkfehler? Sollte man die Hintergrundfarbe nicht mit
: der Farbe der Elemente im Vordergrund in Bezug setzen dürfen?
: VG Ingo W
Hallo, Ingo
Das ist ein Grundproblem, bei dem ich noch
zu keiner Lösung gekommen bin.
Wenn ich Fotos am Mikroskop so belichte,
dass der "leere" Hintergrund, wie es sich
"gehören" sollte (schließlich ist da "nur" Licht),
weiß oder allenfalls bläulichweiß erscheint,
dann stimmen die Details des abgebildeten Objektes
oft nicht mehr mit dem überein, wie ich es
"von Auge" am Mikroskop gesehen habe.
Normalerweise muss der Hintergrund eine Tonung
Richtung Grau haben, damit der Vordergrund stimmt.
Anders gesagt, dass Foto muss von den Kontrasten her
sehr viel weicher sein, als fotografisch "richtig" wäre.
Ein Beispiel:
Das Histogramm des Bildes ist einfach "unmöglich".
Nur Grautöne, der ganze Bereich gegen
Weiss und Schwarz ist nicht vorhanden.
Kein Problem, das zu korrigieren, ich kann
in jedem Bildbearbeitungsprogramm das Histogramm
"ausrichten" in diesem Sporenbild.
Allerdings stimmt es nicht mehr mit dem überein,
was ich von Auge gesehen habe.
Den Hintergrund aufzuhellen ist am einfachsten.
Einfach mit der Pipette des Programms
in den Hintergrund klicken und ihn als Weiss definieren.
Die Sporen stimmen dann aber für mich schon nicht mehr ganz,
wie ich sie in Erinnerung habe, sie werden
eine Spur "zu weich".
Wenn ich dies also auch noch nachkorrigiere,
weil sie nun auf dem Bild allzusehr
hellgrau-kontrastlos erscheinen,
dann wird die Ornamentation zwangsläufig dunkler
und erscheint nicht mehr so, wie sie "war."
Jetzt fängt der Teufelskreis an:
Je mehr ich im Histogramm die Schwarzanteile
dazu gebe, umso "prägnanter", aber auch unwirklicher
wird die Spore.
Genau darum geht auch Nachschärfen bei
Mikro-Fotos nicht.
Beim Bild der Zystide ist der Hintergrund
"falsch", denn er ist gelb.
So what?
Der Vordergrund ist wichtig, ich
habe darauf geachtet, dass ich ein Bild
hinbekomme, bei dem ich zeigen kann,
wie ich die Zystide gesehen habe.
Da versuche ich die grösstmögliche Annäherung.
Ein "Reinheitsgelübde" habe ich
jedoch in der Mikro-Fotographie
nie abgelegt.
Wenn ich vermitteln kann, was ich zeigen möchte,
kann das Bild so "versch..." aussehen, wie es will.
Sicher könnte ich mit vielen Versuchen
mit Weissabgleich oder wie immer
hinkriegen, den Hintergrund weniger gelb
zu halten, und trotzdem die Zystide
farblich richtig "zu bringen."
Wozu?
Ich will es jedoch nicht so eng sehen:
Was man bei obigem Bild der Sporen
tatsächlich rauskorrigieren könnte,
ist der leichte Grünstich.
Doch das macht das Bild nicht besser "lesbar".
Er ist mir beim Betrachten "wurscht".
Bei meinem Mikroskop nimmt das Auge
bei hyalinen Sporen auch einen leichten
Stich ins Grüne wahr.
Die Grundfrage ist für mich nicht die,
ob das Bild "korrekt" ist, sondern wie
ich dem Betrachter ein möglichst gute
Annäherung daran vermitteln kann,
was meine Augen glaubten (!) zu sehen.
Bei der obigen Spore bin ich weit davon entfernt.
Das lässt sich aber auch nicht lösen.
Schließlich ist der Blick durchs Mikroskop,
mit dem dauernden schnellen Durchfokussieren
durch die Spore, einfach komplett anders.
Da hilft auch "Stacking" nicht -
so raffiniert das ausschaut, es hat für mich
nichts mit dem Blick durchs Mikroskop zu tun.
Wer das glaubt, sitzt nach meiner Auffassung
einem verhängnisvollen Irrtum auf.
Nicht umsonst werden Sporen auch heute noch
- trotz aller raffinierter Methoden -
gezeichnet.
Solange ich sie jedoch fotografiere:
Alles was ich hoffen kann, ist, dass ich mit
dem Bild jemandem, der Erfahrung hat,
eine Ahnung verschaffen kann, wie die Spore
für mich ausgesehen hat;
dass er dann quasi fähig ist,
das Bild in seine eigene Erfahrungswelt
der Mikroskopie zu "übersetzen."
Das obige Sporenbild
erfüllt für mich genau
diese Voraussetzungen.
Genau dies galt auch immer schon
für gezeichnete Sporen,
sie sind alles andere als "real".
Sie mussten vom erfahrenen Betrachter
genauso "gelesen" werden.
nur dass sich da niemand darüber aufgeregt hat,
dass sie nicht "richtig" seien.
So, vielleicht habe ich jetzt
einen Anstoß gegeben, das der Thread
nochmals doppelt so lange wird...
Lieben Gruß, Harald Andres