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Re: Fragen zu Autorenzitate

Geschrieben von: Andreas
Datum: 27. Januar 2010, 09:13 Uhr

Antwort auf: Re: Fragen zu Autorenzitate (pilzmann)

Hallo Peter,

ich bereite gerade einen mehrteiligen Artikel über den Botansichen Code für den Tintling vor, erscheint wohl aber dem übernächsten Heft in (vermutlich) 4 Fortsetzungen)

: Ich versuche das Ganze mal mit meinen bescheidenen Kenntnissen über die
: Materie anzustoßen: Wer einen Pilz gefunden hat, den noch niemand kennt,
: muss ihn, wissenschaftlich anerkannt, genau beschreiben. Früher war Latein
: Pflicht sowie die Landessprache. Heutzutage kann man das Lateinische wohl
: auch durch Englisch / Amerikanisch ersetzen? Die Beschreibung geht dann an
: eine Sammelstelle in Holland (wo?)

Stimmt so leider nicht.
Wer einen Pilz neu beschreiben will, der muss (unter vielen weiteren Voraussetzungen) eine lateinische Diagnose veröffentlichen. Das ist seit 01.01.1935 zwingend vorgeschrieben und gilt bis heute. Eine beschreibung in irgendeiner anderen Sprache ist optional. Vor dem 01.01.1935 war keine Pflicht zur lateinischen Diagnose.
Die Beschreibung muss in einem allgemein zugänglichen Papierdruck erscheinen, wobei allgemein zugänglich schon reicht, wenn Du sagen wir mal 10 Stück produzierst und 2 davon in öffentlichen Bibliotheken hinterlegt sind. Ob Du Deine Art an eine Datenbank meldest (Mycobank) oder ob sie von Mycobank oder dem Index of fungi selbst erfasst wird oder ob gar keiner mitbekommt, dass Du die Art publiziert hast, ist für die Gültigkeit des Namens unerheblich. Viele Fachjournale nehmen heutzutage aber Publikationen mit Neubeschreibungen erst an, wenn der Name of Mycobank hinterlegt wurde und eine entsprechende Nummer erhalten hat. Über die Sinnhaftigkeit der Neubschreibung wird da aber nicht geurteilt, das liegt natürlich im Ermessen des Beschreibers!

: Dort wird der beschriebene Pilz als neue Art anerkannt, falls er wirklich neu
: ist.

Nein, anerkannt wird er durch die Akzeptanz die er in der Wissenschaft findet - oder halt auch nicht.

Er wird dann unter die vom Erst-Autoren zugeordnete Gattung und das
: gewählte Art-Epithet (Artnamen--Anhängsel) in eine Liste der bekannten
: Pilze eingetragen.

Nun ja, Listen gibt es viele. Über die Auffassung, ob eine Art eine Art ist oder nicht, gibt es auch verschiedene Auffassungen. Daher gleichen sich diese Listen natürlich nicht immer. Ich bin z.B. der Meinung, Arrheina spathulata und Arrhenia retiruga sind 2 Varietäten zueineander. Andere sind der Meinung,e s seien gute Arten. Wiederum andere sind der Meinung, die beiden seien Synonym.
So geht es mit Neubeschreibungen auch. Nicht jeder wird die gleiche Meinung haben - was antürlich legitim ist.

: Er erhält dann ein Autorenzitat, dass den Namen des Beschreibenden und das
: Werk, in dem er den neuen Pilz vorgestellt hat, mit der entsprechenden
: Jahreszahl, zugewiesen. Insoweit ist die Sache weitgehend problemlos.

Nein, so ganz ist das nicht so. Das Autorenzitat ergibt sich automatisch, durch die Publikation des Namens. Um gültig zu sein, muss dem Gattungs- und dem Artnamen der/die Autor/en genannt werden. Es kann ja sein (und das kommt nicht selten vor), dass mehrere Autoren einen gemeinsamen Artikel verfassen, weil sie an einer Gattung gemeinsam gearbeitet haben, aber jeder die Arten aus seinem Arbeitsbereich alleine beschreibt. PILZMANN und GMINDER machen einen gemeinsamen Beitrag über neue Rötlinge, weil wir festgestellt ahben, dass sich usnere bisherigen Erkenntnisse gut ergänzen. Du hast nämlich die blauen speziell beobachtet, ich die grünen. Deshalb machen wir einen gemeinsamen Artikel über die blauen und grünen Rötlinge, wobei PILZMANN seine neuen blauen Arten selbst beschreibt (ich kenn die ja gar nicht gut genug) und GMINDER seine grünen. Wollte man das Autorenzitat dann ganz genau angeben (was man so exakt aber nur selten machen muss), dann würden diese Arten z.B. Entoloma caeruleum PILZMANN in GMINDER & PILZMANN 2010 zitiert werden.
Das Werk wird nur aufgeführt, wenn es Sinn macht, also nur wenn es um irgendwelche nomenklatorische Fragestellungen geht.

: Ist der Pilz schon bekannt, gibt es drei Möglichkeiten: 1. Die Antwort:
: "Du Depp, informier dich erstmal über die bekannten Pilze, bevor du
: uns einen altbekannten als neu vorstellst!"
: 2. Die Erstbeschreibung des Pilzes war sachlich fehlerhaft; die
: Neubeschreibung bietet Besseres.
: 3. Der Pilz ist bekannt und wurde zutreffend beschrieben, ist aber aufgrund
: seiner Merkmale einer anderen Gattung, Familie oder sogar Ordnung
: zuzuordnen.

Ob der neu beschriebene Pilz schon bekannt ist oder nicht, das stellt sich in der Regel erst Jahrzehnte später heraus. Und ist auch viel schwieriger und zeitaufwändiger zu "beweisen", als mal eben schnell eine Art neu zu beschreiben.
Es kann also jeder eine Art neu beschreiben, egal wie sinnvoll diese Neubeschreibung ist. Beschreibe einen Agaricus pseudoarvensis, weil er auf der Hutoberseite von Schnecken angefressen wurde und sein Stiel madig ist. Sind zwei Merkmale, die beim originalen Agaricus arvensis nicht vorhanden sind. Totaler Schwachsinn natürlich, aber in der Theorie eine gültige Neubschreibung (wenn DU alle Regeln einhältst). Dein Problem wird nur sein, ein Publikationsorgan zu finden, dass Dir den Stuss abdruckt! Das kannst Du umgehen, indem Du selber eine Zeitschrift herausgibt, die PILZMANN-NEWS, die ne ISSN-Nummer geben lässt, ein Exemplar in der Senckenberg-Bibliothek hinterlegst und vielleicht noch ein zweites in der Stadteilbücherei von Castrop-Rauxel, dann hast Du deiner Pflicht zur öffentlcihen Deponierung genüge getan.
Klingtz sehr überspitzt, aber es wäre tatsächlich so denkbar und vom Code abgedeckt. Und wird in ähnlicher Form, wenn auch nicht ganz so krass durchaus praktiziert. Leider!

: Um solche und eine Reihe anderer Probleme zu lösen, trifft sich alle paar
: Jahre ein Weltkongress der Mykologen. Hier werden u. a. auch taxonomische,
: sprich Probleme in der Systematik behandelt. Bahnbrechend zur Ordnung der
: Benennungsregeln waren hier die letzten beiden Zusammenkünfte in Tokyo und
: (?)

Wien. Aber bahnbrechend war eigentlich der Sydney-Code, bei dem der Startpunkt der Nomenklatur zu Linné 1753 zurückverlegt wurde. Bis Sydney waren bei den Pilzen nur die Namen ab Persoon (Roste, Brandpilze, Gasteromyceten) und Fries (alle anderen Pilze) zugelassen, alle älteren wurden nicht berücksichtigt. Das änderte man in Sydney und dadurch kam natürliche ine Flut an Umbenennungen zustande.

: Hier wurden zunächst die Regeln zur Namensgebung definiert und anschließend
: die Ausnahmen - erinnert euch das an was? - die sogenannten "Nomen
: conservandum" = "eingedoste Namen" ;-)von der Regel
: bestimmt. So kann ein inzwischen neubestimmter Pilz durchaus seinen
: vertrauten, alten Namen behalten oder wieder erlangen. Dass macht das
: Geschäft mitunter so schwierig. Hier geht es dann nicht nur um das
: Autorenzitat, sondern auch um die Benennung nach Gattung und Art und um
: die Verringerung der Bezeichnung eines Pilzes mit mehreren Namen
: (Synonyme).

Hmm, also vom Botanischen Komitee werden alle Fragen die Nomenklatur betreffend beraten und teils abgestimmt. Seien es nun Verschlimmbesserungen ääh natürlich optimierungen des Codes selbst, oder Konservierungen oder Zurückweisungen von speziellen Namen. Alles was da aber beraten und ggf. entschieden wird, muss vorher in entsprechenden Organen publiziert worden sein. Jeder Antrag auf Konservierung oder auf Regeländerung oder was auch immer muss also (vorzugsweise) in der Zeitschrift TAXON publiziert sein. Dann wird das 16-köpfige Gremium sich die Argumentation anschauen udn dann abstimmen. Oder den Antrag zurückstellen udn den Antragsteller um weitere Informationen ersuchen, wenn der Antrag noch Unklarheiten enthält.
Das ist ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen, weil es um sehr genaue Feinhaiten, auch sprachlich, geht. Es ist gut mit unseren bürgerlichen Gesetzeswerken zu vergleichen, mit der Entstehung und Verabschiedung von und auch mit den oft vorkommenden Problemen bei der definitiven Auslegung.

Nomenklatur ist ein eigener Zweig der Mykologie, und nomenklaturisten machen eigentlich nix anderes, als die Gültigkeit von Namen anhand des regelwerks zu überprüfen. Ein einziger Name kann allerdings Monate und Jahre in Anspruch nehmen, und die Tätigkeit als Nomenklaturist setzt Zugang zu einer umfangreichen Bibliothek voraus.
ich bin selbst seit Jahren dabei, ein Proposal (= Antrag) auf Konservierung eines Gattungsnamen zu schreiben, weil der Gattung zwar völlig bekannt ist, einheitlich benutzt wird, nie zu Problemen Anlass gab, aber vom anerkannten Typus her (nomenklatorisch gesehen) ein Synonym einer völlig anderen kleinen Gattung ist. Man müsste also für alle die 50-100 wohlbekannten Arten eine neue Gattung beschreiben. Oder einen bereits vorhandenen gültigen gattungsnamen finden und sie alle dorthin kombinieren. Es gibt aber auch die Möglichkeit, aus den ursprünglich beschriebenen Arten der Gattung eine andere Art zum Typus zu wählen, dann könnte alles bleiben wie bisher. Das wäre natürlich das wünschenswerteste. Aber um den Typus einer Gattung zu ändern, was ein schwerwiegender Eingriff in das normale Prozeder des Codes ist, muss man eine entsprehenden Antrag und Begründung schreiben, wobei im Antrag alle Möglichkeiten aufgezeigt werden müssen und begründet werden muss, warum man für die eine option ist. Das ganze auf Englisch natürlcih, dann muss es eingereicht werden und wenn es dann endlich akzeotiert und publiziert ist, dann muss man noch warten bis der nächste kongress mal zeit hat, darüber zu beraten. Man steckt also jahrelange Arbeit in ein Thema, bei dem es nur darum geht, das sich nichts ändert .... Da beschreib ich in der Zeit doch lieber 50 Arten neu, immer schön mit meinem Namen als Autor hinten dran, dann werd ich mit Sicherheit berühmter *gggg*

beste Grüße,
Andreas

Beiträge in diesem Thread

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prügelt Euch nicht um die Schreibfehler ... -- Andreas -- 27. Januar 2010, 11:06 Uhr
Re: prügelt Euch nicht um die Schreibfehler ... -- Matthias -- 27. Januar 2010, 11:43 Uhr
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Re: Fragen zu Autorenzitaten -- Ingo Wagner -- 28. Januar 2010, 15:54 Uhr

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