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Pilze Pilze Forum Archiv 2010

Tanz der Morcheln

Geschrieben von: Ingo
Datum: 28. September 2010, 00:25 Uhr


....oder auch "Die Legende vom giftigen Ritterling – Teil 1"

Hallo Forum,

wie der Name vom Thread bereits andeutet, könnte es heuer mal wieder um den Speisewert unserer kleinen
Freunde aus Wald und Flur gehen. Die Wälder stehen ja gerade voll davon, und man kann sich problemlos
mit unbedenklichen Röhrlingen und anderen Sachen voll stopfen.

Hier soll es aber um andere Sachen gehen. Nicht um diese hier:

Darüber hatte ich bereits genügend geschwafelt. Immer noch mein Favorit übrigens.
Leider tun sie momentan an allen Birken und auch schon an Kiefern. So früh wie selten beobachtet.
Ich befürchte, Mitte Oktober gibt es keinen einzigen mehr. Vielleicht halten sich ja die Hallimasch
an Pappel und Buche noch etwas zurück.

Diese hier käme sicher auch ganz gut:

Ihr kennt die Glucke vielleicht noch aus meinem Bericht von vor 14 Tagen. Sie misst nun etwa 50 cm an
Umfang und ist mittlerweile im besten Erntealter. Allerdings hatte ich gerade keinen Bock, die zu (ver)putzen.

Worum also geht es in diesem Beitrag? Kurzum – die fragliche Art gilt als höchst bedenklich.
Ist sie doch in den meisten Wald- und Wiesen-Bestimmungsbüchern, wenn überhaupt enthalten, so denn
als giftig oder zumindest giftverdächtig beschrieben. Andere Bestimmungswerke kennzeichnen diese
auch als minderwertig bzw. ungenießbar, weil bitter.
Zieht man die Funddaten aus den hervorragenden Großpilzen von BW zu Rate, kommt man allerdings
zu dem Ergebnis, dass die Art dort seit Beginn der Aufzeichnungen nur eine Handvoll mal nachgewiesen
wurde. Kein Fund allerdings neuer als 1970.

In den vergangenen Jahren, Kenner meiner Beiträge werden sich vielleicht erinnern, hatte ich mir verstärkt
Gedanken über den Ursprung dieser Einschätzung gemacht - kommt diese Art doch bei mir in der Region
regelmäßig vor. Hier mal einige Fahndungsfotos vom vermeintlichen Übeltäter:

Aus der Sektion der Ringritterlinge: Tricholoma focale, der Halsbandritterling

Wie ich schon vor Wochen vermutete, hat die Art hier momentan einen einzigartigen Auftritt.
An verschiedenen Stellen über zwei MTBQ’ s verteilt, traf ich am vergangenen Wochenende
ca. 50 Exemplare an.
Und löste mein Versprechen ein, den Speisewert einmal im Selbstversuch zu testen.
Dazu nahm ich 10 Exemplare unterschiedlichen Alters (Überständige Exemplare gab es noch nicht!),
und bereitete diese zu, wie ich es neulich auch mit dem Heide Schleimfuß tat.

Diese Pilze sind, verglichen mit den schleimigen Dreckbatzen, unvergleichlich sauberer.
Dennoch hatte ich ihnen vor der Zubereitung die Huthaut abgezogen. Gerade dort könnten sich
diverse Bitteraromen verbergen.
Nach dem Säubern, vergleichbar zum Schleierling, hatte ich die kleineren Pilze geviertelt und größere
etwas kleiner geschnitten. In Butter mit etwas Speck und dieses mal sogar einer kleinen Zwiebel angedünstet,
alsdann nur mit etwas Salz und Pfeffer abgeschmeckt, standen die Ritterlinge alsbald zum Verzehr bereit.
Ich weiß gar nicht mehr, welche Gedanken mir beim ersten Bissen durch den Kopf gingen...
Wo war noch die Notrufnummer...wie schnell schaffe ich es zum Campingplatz-Steinhaus...alles Quatsch!
Ich erwartete vor allem eine kulinarische Enttäuschung wie – bäähhh ist das bitter!

Allen theoretischen Befürchtungen zum Trotz blieben negative Erfahrungen völlig aus. Die Pilze schmeckten
hocharomatisch und kein bisschen bitter. Übrigens ist auch der Mehlgeruch bei dieser Art bei weitem nicht
so ausgeprägt, wie bei manchen braunhütigen Vertretern der Gattung. Der Geruch ist viel aromatischer
und erinnert an Nussöl mit deutlicher Apricot Komponente.
Ein wenig gewöhnungsbedürftig war die Konsistenz der Halsbänder, da diese extrem bissfest waren.
Das erinnerte ein wenig an die Beschreibung von Tricholoma colossus (Hartpilz), den ich vergleichsweise
auch gerne mal testen würde. Kleiner geschnitten wären sie wohl noch besser geraten.
Daher in dieser Zubereitung nur 8 von 10 möglichen Punkten. Aber auch weil keinerlei Komplikationen nach
dem Verzehr auftraten!

Als Fazit bleibt meine bereits geäußerte Theorie, dass es sich bei Tricholoma focale um den ehemaligen
Marktpilz vergangener Tage namens „Sandröschen“ handeln könnte, der nach Beimischung mit entfernt
ähnlich aussehenden Pilzen aus der Sektion pessundata in den Verruf geriet, giftig zu sein.
Sicher ein Verdienst von Walter Neuhoff, der mit seiner Diagnose seinerzeit wohl nichts Böses im Sinn hatte.
Ich hatte vor vier Jahren, zusammen mit den Halsbandritterlingen, versehentlich auch schon so ein Teil
im Korb. Seinerzeit aber nur zum Fototermin. Form und Farben können schon ein wenig ähnlich sein.
Vor allem, wenn so etwas zur Verköstigung professionell und auf Masse gesammelt wird.

Leider ist besagter T. pessundatum noch nicht erschienen. Sein kleiner bitterer Verwandter aber schon:

Tricholoma stans, der Kleine Kiefernritterling

Hier mal ein größeres, etwas untypisches Exemplar im direkten Vergleich:

Die Formenvielfalt von denen kann auch ganz erstaunlich sein. Was immer gleich bleibt, die starke
Bitterkeit, unmittelbar nach Kostprobe, und der extreme Mehlgeruch wie beim Maipilz.

Nun zum eigentlichen Thema: wer liest schon gerne Beiträge, die mit Tricholoma XY ungelöst gepostet
werden. Hier also die tanzenden Lorcheln......(?)

...irgendwie ist mir mit der Überschrift was durcheinander geraten. Schade, daß man hier nicht editieren kann. ;-))

In diesem Sinne und – es gibt vielleicht noch einen zweiten Teil von diesem Unfug....

Grüßlis Ingo

Beiträge in diesem Thread

Tanz der Morcheln -- Ingo -- 28. September 2010, 00:25 Uhr
Re: Tanz der (L)Morcheln -- Thüringer-Holz -- 28. September 2010, 14:49 Uhr
Re: Tanz der (L)Morcheln -- Ingo -- 29. September 2010, 00:15 Uhr
Re: Tanz der Morcheln -- Stephan Weißer -- 28. September 2010, 16:24 Uhr
Re: Sammelantwort - vorsicht falle *PIC* -- Ingo -- 29. September 2010, 00:20 Uhr

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