Moin Christoph und Jürgen,
ihr habt zwar beide gute Argumente, doch glaube ich, dass ihr hier mehrere Themen miteinander vermischt habt: 1. die Wildschweinproblematk, 2. die Rotwildproblematik, 3. die Effektivität der Jagd wie sie bei uns betrieben wird.
Der hohe Besatz mit Wildschweinen war tatsächlich "hausgemacht": Durch das unkontrollierte Abschießen der Wildschweine, bei dem auch die Leitbachen nicht geschont wurden, wurden die Sozialgefüge in den Rotten derart erschüttert, dass keine "Geburtenkontrolle" mehr statt fand. In einer funktionierenden Rotte bestimmt nämlich ausschließlich die Leitbache, wer außer ihr noch gdeckt wird. Ohne Leitbache machen sich die Keiler nämlich über alles her, was keinen "Pinsel" trägt.
Mit dem "Lüneburger Modell" versucht und versuchte man, dem Problem Herr zu werden. Dabei wird die Leitbache geschont und vor allem in die Jungendklasse, sprich: Frischlinge und Überläufer eingegriffen.
Das hätte vielleicht auch klappen können, wenn sich nicht die Agrarstruktur in Deutschland in den letzten Jahrzehnten so stark geändert hätte. Immer mehr Landwirte bauen nämlich so genannte "Energiepflanzen" an, vor allem Mais. Und Maisschläge sind für die Sauen wie ein Schlaraffenland. Das ganze Jahr über viel Deckung und viel zu futtern, da können die Schweine auch das ganze Jahr über rauschig werden und Nachkommen produzieren.
Wir Jäger haben dann das Nachsehen, denn in einem Maisschlag kann man nicht jagen, wenn es keine ausreichend großen Schneisen gibt, die einem die Möglichkeit zum Schuss geben. Und die Landwirte sind nicht bereit, uns Jägern entgegen zu kommen. Warum auch, wenn man für das Geld aus der Jagdschadensversicherung keinen Finger krumm machen muss?
Nun könnte man ja ordentlich unter den Schwarzkitteln aufräumen, wenn der Mais geerntet wird, aber die Sauen sind ja nicht dumm und haben gelernt, dass man zur Maisernte in den Wäldern sicherer ist. Sie wechseln also rechtzeitig die Unterstände.
Umstellt man den Maisschlag rechtzeitig umd die Sauen bei der Ernte zu erwischen, hat man das nächste Problem: Die Tiere stehen so unter Stress, dass man ihr Fleisch kaum verwerten kann. Ein geschossenes Schwein verhitzt statt abzukühlen und man bekommt, man glaubt es kaum, PSE-Fleisch!
Bei Drückjagden im Wald passiert so etwas nicht, weil die Tiere bewegt werden, ohne dass sie in Panik geraten.
Doch hier taucht schon gleich ein neues Problem auf, bei dem die Altersstruktur der Jäger nur ein Teilaspekt ist: Du kannst so einen "alten Sack" an noch so eine gute Stelle stellen – was nutzt das, wenn er nicht in der Lage ist, reaktionsschnell einen guten Schuss anzubringen? Womit wir bei der Effektivität wären: Wer, außer Rentner hat so viel Zeit, sich der Jagd in dem Umfang zu widmen, der ihr gebührt? "Man darf alles machen, nur die Jagd darf nicht drunter leiden" heißt ein Sprichwort, dass aber in unsrer Zeit zur Makulatur geworden ist. Ich merke das ja an mir selbst: Wir haben nur Niederwildreviere, in denen ich um jede Teilnahme kämpfen muss. Der Job und die Verpflichtungen zuhause (meine Frau ist selbständig) machen aus einer im Prinzip erholsamen Sache eine Arbeitsveranstaltung, und von 5 Treibjagden kann ich vielleicht 2 mitmachen. Jäger fehlen an allen Ecken und Enden, weil die jungen gar nicht mitmachen können. Sie müssen arbeiten.
Und so sieht es überall in Deutschland aus. Effektives Jagen klappt da nicht.
Zwei meiner Kollegen, die auch Jäger sind beklagen das Problem auch: Der eine stellt zur Drückjagdzeit seinen Beruf als Redakteur einer Angelzeitung quasi ein und hat zudem ein Sauenrevier vor seinem Wohnzimmer. Er schafft es, im Jahr etwa 20 bis 30 Suaen zu schießen. Der andere jagt im Elm und MUSS im Jahr 60 Sauen schießen. DAS ist Stress pur: Jede Woche mindestens ein Schwein! Sein revier sieht dazu so aus: Weizen, Wald, Mais. Die Schweine freuts: Erst in den Weizen, dann in den Mais, dann in den Wald …
Langer Rede kurzer "Unsinn" (auf die Rotwildproblematik möchte ich hier gar nicht eingehen): Wir brauchen neue Jagdstrukturen, die uns ermöglichen, effektiv zu jagen. Am beruflichen Umfeld lässt sich wenig ändern, daher sollte man, dort wo es Not tut, auch mal die Traditionen überdenken. Die Jagd an Kirrungen sollte erlaubt werden, die Jagd mit Scheinwerfern sollte erlaubt werden, die Jagd mit Nachtsichtgeräten ebenfalls (Schwarzwildjagd ist meistens Nachtjagd). Die Alten müssen die Jungen ranlassen (es ist zum Kotzen, wenn so ein 70-jähriger Tattergreis auf seinen Abschüssen beharrt, die er nie und nimmer realisieren kann) und, und, und. Aber da tut sich in der Jägerschaft recht wenig. Wir haben in Deutschland rund 350.000 Jäger, aber so lange sich unter der Jägerschaft keine Bereitschaft zum Wandel in der Jagd durchsetzt, werden es nicht mehr werden. Und die Landwirte, die Energiepflanzen anbauen, müssen gezwungen werden, uns Jägern die nötigen Abschussmöglichkeiten zu schaffen, resp. ihre Schläge "wildschweinsicher" zu machen. Andernfalls gibt es kein Geld bei Wildverbiss!
Grüßlis
Thomas