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Pilze Pilze Forum Archiv 2011

Aus der Zeitung *PIC*

Geschrieben von: Thüringer-Holz
Datum: 27. September 2011, 12:26 Uhr


Rätselhaftes Sterben im Laubwald

Ein Pilz macht in Thüringen den Eschen schwer zu schaffen. Viele Förster sind verzweifelt, da der Pilz nicht ausreichend erforscht ist.
Das Forstministerium hat entschieden, dass im Staatswald keine Eschen mehr gepflanzt werden!

Gotha. Nach anderthalb Stunden Pirsch durch den Wald entringt sich Andreas Schöler ein Ausruf fast kindlichen Glücks: "So etwas haben Sie noch nie
gesehen! " Der Revierförster von Domdorf weist auf einen Baum mit eiförmigen Blättern und gelbrötlichen Früchten - die Heilinger Mehlbeere. Eine Rarität. Es gibt nur rund 500 Exemplare, und es gibt sie
nur hier, auf den Muschelkalkböden um Großkochberg. Leider aber kann diese Freude
die Sorge um die Esche nicht kompensieren. Der Baum, den die Germanen einst als Stütze der Welt verehrten, kränkelt schwer. Er siecht, seit ihn der Pilz mit dem harmlosen Namen "Falsches Weißes Stengelbecherchen" befallen und so das
Eschensterben ausgelöst hat. Anfang 2009 wurde der Pilz zum ersten Mal in Thüringen nachgewiesen, nahe Bad Berka. Seither breitet sich die Seuche aus. Zwei Drittel der Thüringer Eschenbestände. Sind befallen. Wer nun weithin modernde Forsten oder Reviere mit kahlen Krüppeln erwartet, geht fehl. Denn die Esche liebt Gesellschaft, umgibt sich mit Buchen und Ahorn. Wer dem Weltenbaum im Krankenbett den Puls fühlen will, muss genauer hinschauen - am besten mit den Augen eines Försters. "Da", sagt Schöler, als wir auf dem Höhenweg im Schauen Forst stehen, "dort steht eine." Umringt von Lärchen, ragt der fiederblättrige Baum in die Höhe.
Gut 15 Meter Stamm, dann die Krone. Einige Zweige mit Blattbüscheln, etliche ohne. "Die Triebe , die im Mai kamen, sind abgestorben", erklärt Schöler. Teils versuchte der Baum dann unterhalb der toten Knoten Nottriebe zu bilden, doch auch die hat sich der Pilz gegriffen. Abgestorbene braune Blätter liegen zu Füßen des gut 50-jährigen Baums. Wenig Laub macht wenig Wachstum. Und das in jenem Alter, in dem eine gesunde Esche am stärksten zulegen würde. Doch die jungen Bäume trifft es ebenso: Braun bis Kupfern leuchten die befallenen Triebe, welke Blätter daran. Stück um Stück geht es durch den Wald. Kranke und zumindest äußerlich gesunde Eschen wechseln einander ab, zuweilen stehen sie nebeneinander, und das schon im zweiten oder dritten Jahr. "Der gleiche Boden; Klima, Wasser, Wild und Unterwuchs auch - und trotzdem erwischt
es die eine Esche und die andere nicht", rätselt Schöler. Ulf Baier von der Landesforstanstalt sammelt und vergleicht die Daten aus ganz Thüringen. Er steht zudem mit Wissenschaftlern aus anderen Ländern in Verbindung. Baier sagt: "Es gibt keine sicheren Hinweise, dass Standortfaktoren eine Rolle spielen." Mutmaßungen, wonach warme Winter den Pilz begünstigt
haben, sind inzwischen revidiert. Auch die Vorstellung, dass der in halb Europa wütende Erreger aus nur einem Ursprungswald gekommen sei, war falsch. "Was den Pilz so aggressiv gemacht hat, weiß niemand", resümiert Baier. Im Schauen Forst hat Förster Schöler nicht nur mit der Verkahlung der alten Eschen zu kämpfen, sondern auch mit einer Lotterie. Dicht an dicht ragen die dünnen Stämme im Jungbestand. Schöler müsste jetzt Bäume aussuchen, um die herum freigeschnitten wird. "Eigentlich würde ich den nehmen", erklärt der Förster, tippt an einen kerzengeraden Stamm und schaut nach oben. Aber da ist nichts mehr, jedenfalls keine Lehrbuch-Krone. Soll er nun den nächsten nehmen, mit zwei Knicken, dafür belaubt? Im nächsten Frühjahr oder im Sommer erst wird er sehen,
ob er richtig lag. Für die Förster ist jeder Verlust schmerzhaft. Denn ihnen gilt die Esche quasi als Baum für alle Fälle - genügsam, zäh und pflegeleicht. Wie kaum eine andere Art überdauert die Esche selbst Wildverbiss und braucht daher keine Einzäunung. Im ökologischen Waldumbau ist die Esche nicht wegzudenken.
Das Forstministerium hat entschieden, dass im Staatswald keine Eschen mehr gepflanzt werden. Privatleute erhalten vorerst keine Förderung für Eschen-Aufforstungen.

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