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Pilze Pilze Forum Archiv 2012-13

Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ...

Geschrieben von: jesko
Datum: 4. März 2012, 01:44 Uhr


... möchten Felix und ich heute einladen und damit an die diversen Beiträge anschließen, in denen wir bereits von unserem Mallorca-Pilzurlaub im vergangenen Dezember berichtet haben.

Wenn es um die Frage geht, welche europäische Gehölzgattung am besten an gegensätzliche klimatische Extreme angepasst ist, dann liegt die Gattung Pinus wohl aussichtsreich im Rennen, denn Kiefernarten kommen in Europa von der thermomediterranen Zone, also den Küsten des Mittelmeers, bis an die alpinen und boreal-arktischen Wald- und Baumgrenzen, von trockenen Sandböden bis in die Hochmoore der europäischen Gebirge vor und bilden in solchen Extremhabitaten oft sogar geschlossene Bestände.
Im Mittelmeerraum sind Kiefern die mit Abstand am weitesten verbreiteten Vertreter der Kieferngewächse (Pinaceae) (besonders in der oromediterranen Zone gibt es außer Kiefern auch Abies- und Cedrus-Arten in oft recht begrenzten Arealen), kommen in allen Höhenstufen vor und haben hier ihr europäisches Artenvielfaltszentrum. Auf Mallorca ist vor allem die Aleppokiefer (Pinus halepensis) verbreitet, ferner sind auch Seestrandkiefern (Pinus pinaster) und Pinien bzw. Schirmkiefern (Pinus pinea, die mit den in der mediterranen Küche verwendeten Kernen) zu finden. Das Pinetum ist hier wohl der häufigste Waldtyp, der teils auch forstlich gefördert wird und von den Sanddünen und Kalkklippen der Küsten bis in die Höhenlagen der Serra de Tramuntana anzutreffen ist. Meist gibt es in diesen Kiefernwäldern gut ausgebildete untere Baum- und Strauchschichten (z.B. Arbutus unedo, Pistacia lentiscus, Juniperus phoenicea, Erica specc., Chamaerops humilis, Cistus specc. ...), bzw. Kiefer und Steineiche kommen gemischt vor.


Blick vom Alaró-Felsen, auf dem die Reste einer Maurenfeste thronen, über die unteren Hanglagen des den Nordwesten Mallorcas beherrschenden Kalkgebirges Serra de Tramuntana mit Kiefernwäldern und einzelnen Steineichenbeständen.

Da sich Kiefernarten also an unterschiedlichste klimatische Bedingungen angepasst haben, lässt sich ihre Begleitfunga auch nicht gewissermaßen von Sizilien bis Skandinavien über einen Kamm scheren, sondern ist selbstverständlich stark vom jeweiligen Klima und den sonstigen Habitatfaktoren abhängig. Freilich: So manches zieht sich dennoch wie ein roter Faden durch alle Kiefernwälder Europas hindurch. Ein solch auffälliges Element sind beispielsweise die Schmierröhrlinge.

Den Gelbbraunen Schmierröhrling oder Mittelmeer-Körnchenröhrling (Suillus mediterraneensis) hatten wir bereits in einem früheren Bericht vorgestellt http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=218801 . Als südlicher Vikar unserer mitteleuropäischen kiefernbegleitenden Suillus-Arten soll er verdeutlichen, dass wir in den mediterranen Pineten Bekanntes wiederfinden, aber eben auch die Eigenheiten des mediterranen Fungenraums beachten müssen. Das wollen wir auf unserer kleinen Exkursion durch Mallorcas Pineten nun tun, zu der wir Euch hiermit einladen möchten.

Im Beitrag über die „verhinderten Röhrlinge“ http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=219048 hatten wir auch die nahe mit den Schmierröhrlingen verwandte Rötliche Wurzeltrüffel (Rhizopogon roseolus) bereits gezeigt.

Diesem Röhrlingsverwandten gehen freilich Röhren und Poren ab, eine andere in mediterranen Kiefernwäldern gut verbreitete Pilzart wiederum hat zwar welche, ist dafür aber kein Röhrling:

Der Bittere Rußporling (Boletopsis grisea) soll gleich zur Vorstellung weiterer Nichtblätterpilze überleiten.

Beginnen möchte ich mit einigen Stachelingen, die im mediterranen Kiefernwald immer recht gut vertreten sind. Da wäre zunächst der Brennende Braunsporstacheling (Sarcodon fuligineoviolaceus), dem wir in gemischten Eichen-Kiefern-Wäldern begegneten:


Sarcodon fuligineoviolaceus ist durch das kräftig violett verfärbende Fleisch und die dunklen Hutfarben gekennzeichnet.

Ebenfalls braunsporig sind die Korkstachelinge der Gattung Hydnellum. Hier fanden wir den Rotbraunen Korkstacheling (Hydnellum ferrugineum)

und eine Art aus dem Dunstkreis von Hydnellum scrobiculatum.

Hier haben wir bei der Bestimmung ein „confer“ stehen lassen, da neuere, molekular basierte Untersuchungen (Ainsworth & al. 2006, Cryptic taxa within European species of Hydnellum and Phellodon ...) gezeigt haben, dass u.a. Hydnellum scrobiculatum in mehrere Arten zerfällt, deren morphologische Abgrenzung noch weiter zu untersuchen ist, sodass die Autoren von nomenklatorischen Konsequenzen abgesehen haben.

Damit kommen wir auch schon zum letzten Stacheling unserer heutigen Kiefernwaldrunde, der mir gleich Gelegenheit gibt, mal nachzuhaken, ob sich denn jemand unserer (noch verbliebenen) Leser gefragt hat, was denn die „Winterpfifferlinge“ sein sollen, die in unseren früheren Beiträgen erwähnt waren. Hier kommt die Auflösung:

Während Hydnum albidum in Mitteleuropa ja eine eher seltene Art ist, scheint sie zumindest in manchen mediterranen Kiefernwäldern (ob nur auf Kalk?) häufig zu sein und wird dort eifrig zu Speisezwecken gesammelt, wie wir selbst beobachten konnten (unsere sonstigen derartigen Beobachtungen sind im Anthropologie-Forum nachzulesen). Wir haben den kulinarischen Wert des Weißen Stoppelpilzes daraufhin auch selbst getestet und müssen zugeben, dass er im Vergleich zum Semmelstoppelpilz deutlich besser abschneidet, da er nicht so bröselig ist. Also: Für mediterrane Überwinterer ist Hydnum albidum durchaus empfehlenswert (wir vergeben zweieinhalb Bestecke).

Als „Winterpfifferling“ kam Hydnum albidum übrigens vor einigen Jahren im Februar/März in unsere heimischen Gemüseläden mit etwas ausgesuchterem Angebot.

Um mit den Aphyllophorales zum Ende zu kommen, hätten wir noch die auch in unseren Wäldern zu findende Ockergelbe Kiefernkoralle (Ramaria eumorpha)

und sagen damit

STOP (Entomologen vor!),

um endlich wieder ein paar Blätterpilze zu zeigen.

Hier möchte ich mit einer sehr häufigen Art der mallorquinischen Kiefernwälder beginnen:

Der Fastberingte Ritterling (Tricholoma batschii oder – wer mag – Tricholoma fracticum) ist in Mitteleuropa nach meiner Kenntnis eine gängige Art in Kiefernwäldern auf Kalk, die in bodensauren Wäldern fehlt. In Südeuropa hingegen verhält sich die Art bodenvage.

Einen weiteren, diesmal typisch südeuropäischen Ritterling bekamen wir weitaus weniger häufig zu Gesicht, und einige Grüppchen hatten leider schon deutlich den optimalen Reifegrad überschritten.

Man frage mich jetzt bloß nicht, warum Felix für Tricholoma caligatum den deutschen Namen Falscher Krokodil-Ritterling herausgesucht hat, und welches Krokodil dann das echte sein soll.

Eher nachzuvollziehen ist da für mich bei einem Blick ins Mikroskop der Name Spindelsporiger Schwärzling für Lyophyllum semitale.

Lyophyllum semitale kommt natürlich auch bei uns vor, aber ich darf versichern, dass südeuropäische Schwärzlinge ein spannendes Kapitel für sich sind, nur dass wir auch bei dieser Gattung nicht gerade vom Finderglück verwöhnt wurden. Wir dürfen’s aber getrost aufs Wetter schieben und müssen uns keinen mangelnden Fleiß vorwerfen.

Mit der Bestimmung unserer wenigen Funde von Schwärzlingen und Ritterlingen haben wir uns also ganz wacker geschlagen, aber bei manchen anderen Ritterlingsverwandten kann man schon mal weich werden, und wenn man sich solch einen Weichritterling aufbürdet, dann tut man es mit der Befürchtung, dass die Bestimmung wenn überhaupt nicht ohne Bauchschmerzen möglich sein wird.

Felix kann man für das hübsche Foto dieses von einer Hygrocybe conica agg. aus dem Hintergrund argwöhnisch beäugten Melanoleuca-Grüppchens sicherlich nur loben, was man von den Melanoleuca-Taxonomen wohl nur eingeschränkt behaupten kann, bezüglich derer sich sogar ein Frieder Gröger dazu hinreißen ließ, ihnen „schludrige Arbeiten“ zu attestieren (Gröger 2006: 332). Im vorliegenden Falle erschienen makroskopisch die etwas ocker angefärbten Lamellen charakteristisch. Diese führen allerdings in Verbindung mit quer septierten Cheilozystiden (brevipes-Typ) ins Schlüsselniemandsland.

Eine geringere Bürde mögen die kleineren Arten sein, aber wer nimmt so etwas auf mediterraner Großwildjagd schon mit, wenn er nicht gerade eine Vorliebe für die betreffende Gattung hat?! Diese war im nächsten Fall zwar nicht gegeben, aber wenn sich ein Helmling schon mal so schmückt, dann ist er doch ein Foto wert.

Mycena amicta, der Geschmückte Helmling, ist der große, die kleinen schwarzen auf den Kiefernnadeln, wer weiß, wer weiß...

Ein stattlicherer Kandidat ist freilich der nächste:

Hygrophorus latitabundus, der Große Kiefern-Schneckling, soll ja in Katalonien (und damit auch auf den Balearen) ein beliebter Speisepilz sein. Das konnten wir selbst nicht beobachten, haben die auffällige Art jedoch auch nur einmal gesehen.

In Deutschland ist Hygrophorus latitabundus auf Kiefernwälder auf Kalkboden beschränkt und sicherlich eher selten. In Südeuropa wird er häufiger.

Ähnlich verhält es sich mit der Verbreitung der folgenden Art.

Mediterran ist der Wolfstäubling (Russula torulosa) sehr häufig, in Mitteleuropa hingegen ist er auf wärmebegünstigte Kiefernwälder auf Kalk beschränkt. Doch bereits auf der Alpensüdseite ändert sich das, und Russula torulosa tritt zunehmend an die Stelle unserer typischen Kiefernsäufernase, des Zitronenblättrigen Täublings (Russula sardonia). In den Südalpen, von wo Russula torulosa ursprünglich beschrieben wurde, ist die Art auch in über 1000 m Höhe gut verbreitet, um dann mediterran zu einem typischen und pH-indifferenten Kiefernbegleiter zu werden.

Ein weiterer (und für mich persönlich „schmerzlicher“) Unterschied zwischen nord- und mitteleuropäischen und mediterranen Kiefernwäldern ist das weitgehende Fehlen von Vertretern der Gattung Cortinarius in letzteren. Bei anderen Cortinariaceae-Gattungen sieht es allerdings etwas anders aus. So sind etwa Risspilze auch in mediterranen Pineten bestens vertreten (wir waren zugegebenermaßen etwas faul auf dieser Strecke), und auch Fälblinge sind typisch.

Von der Menge der beobachteten Fruchtkörper her fanden wir Hebeloma laterinum durchaus beeindruckend.

Über den von Felix ausgegrabenen deutschen Namen Großer Kakao-Fälbling bin ich allerdings nicht sehr glücklich. Dieser resultiert wohl aus vergangenen taxonomisch-nomenklatorischen Konfusionen, denn diese Art riecht nicht nach Kakao.

Über ebenfalls beeindruckende Amanita-Arten der balearischen Pineten hatten wir bereits an anderer Stelle berichtet http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=218827 , ebenso über diverse Ascomyceten http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=218947 , von denen wir ja einige in Kiefernwäldern gefunden haben.

Zu letzterem Thema möchte ich zum Abschluss unserer kleinen Runde durch Mallorcas Kiefernwälder noch einmal zurückkehren. Hierzu verlassen wir die Kalkfelsen und begeben uns in ein besonderes Habitat, nämlich die Kiefernwälder auf reinen Sandböden, die wir zumeist gleich hinter den beliebten Badestränden finden können.


Nach einem ersten, meist recht schmalen Strauchgürtel, der hauptsächlich durch Juniperus phoenicea gekennzeichnet ist, beginnt die Übergangszone zum Kiefernwald, und in dieser ökologischen Nische haben die Grubenlorcheln i.w.S. (Helvella sect. Lacunosae) möglicherweise ihr europäisches Artenvielfaltszentrum. Zwei Kollektionen in wenigen Metern Entfernung haben wir hier aufgesammelt, sind uns aber bei der Bestimmung etwas unsicher. Aufgrund der makroskopischen Merkmale und der Paraphysenform vermuten wir hier Helvella semiobruta.

Die Zugehörigkeit der beiden Kollektionen zum Formenkreis helvellula/semiobruta scheint uns sicher. Diese beiden Arten (wie im Übrigen auch die verwandte Helvella juniperi, die in denselben Gebieten vorkommen dürfte) haben erheblich größere Sporen als Helvella lacunosa. Unsere Sporenmessungen liegen nun weitgehend unterhalb des für helvellula/semiobruta angegebenen Intervalls (lacunosa können wir aber allein anhand der Sporengröße sicher ausschließen). Nun ist fraglich, ob es ein Problem des Reifegrades ist. Andererseits liest man z.B. in den italienischen Foren Andeutungen, dass in dem in Frage kommenden Formenkreis noch nicht alle taxonomischen Fragen abschließend geklärt sind... Wir werden unser Material wohl weitergeben und auf schlüssige Antworten hoffen.

Nun, viele werden uns wohl nicht bis ans Ende unserer anstrengenden Tagestour durch Mallorcas Kiefernwälder bis an den Strand gefolgt sein. Wer es bis hierher geschafft hat, den laden wir ein, mit uns in der Abendstimmung noch ein wenig über mediterrane und sonstige Pilze zu philosophieren...

Beiträge in diesem Thread

Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- jesko -- 4. März 2012, 01:44 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- AK_CCM -- 4. März 2012, 07:18 Uhr
Ein Genuss! -- Lonco -- 4. März 2012, 10:30 Uhr
Erstfunde? -- jesko -- 8. März 2012, 16:09 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- Violet -- 4. März 2012, 11:06 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- jesko -- 8. März 2012, 16:16 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- Violet -- 8. März 2012, 18:23 Uhr
Spitzenmäßig! Merci *oT* -- interhias -- 4. März 2012, 19:33 Uhr
Ganz großes Kino! Danke! *oT* -- Joschi Siembida -- 4. März 2012, 19:35 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- Älbler -- 4. März 2012, 20:57 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- jesko -- 8. März 2012, 16:21 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- Älbler -- 9. März 2012, 20:37 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- Andreas -- 4. März 2012, 21:56 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- jesko -- 8. März 2012, 16:24 Uhr
Dickes Thumbs up!! -- Thüringer-Holz -- 4. März 2012, 22:35 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- stefanh -- 5. März 2012, 08:42 Uhr
Kamera und Objektiv -- Thüringer-Holz -- 5. März 2012, 10:50 Uhr
Re: Zur Exkursion in Mallorcas Pineten ... -- jesko -- 8. März 2012, 16:26 Uhr

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