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Pilze Pilze Forum Archiv 2012-13

Octospora rubens und Octospora rustica

Geschrieben von: Ingo Jürgens
Datum: 20. Mai 2012, 14:08 Uhr


Hallo liebe Pilzfreunde,

eigentlich hatte ich die rubens/rustica-Problematik schon abgehakt, als mich Marcel kontaktierte und die Sache mit neuen Octospora-Funden aus Hamburg wieder interessant machte. Hinzu kam ein eigener Fund einer hellorangen Octospora in einem Ceratodon-Moosrasen aus dem Gütersloher Raum, der doch recht deutliche Unterschiede zu der von mir hier Anfang dieses Jahres gezeigten Octospora rubens aufweist und den ich hier als Octospora rustica präsentieren möchte.

Bei beiden Arten ist das Wirtsmoos Ceratodon purpureus, entgegen der allgemein verbreiteten Meinung ist die Unterscheidung aber nicht allzu schwierig, siehe hierzu:

Peter Billekens (1992): Octospora rubens and Octospora rustica in the Netherlands. Pyronemataceae, Ascomyces. Persoonia 15(1): 55-62

Für Billekens sind es zwei wohldefinierte Arten, er beschreibt beide äußerst ausführlich (weil neu für die Niederlande), vergleicht sie aber nicht direkt miteinander (dafür sind ihm die Unterschiede wohl zu groß) und erwähnt auch an keiner Stelle, dass die Unterscheidung Probleme bereiten könnte.

Die Vielzahl der differenzierenden Merkmale kann ich hier nicht wiedergeben, ich beschränke mich auf die Dinge, die mir selber an meinen Funden aufgefallen sind und die ich mit Fotos verdeutlichen kann.

Zunächst die Färbung:
O. rubens ist meist lebhaft rot und O. rustica ist typischerweise hellorange (und nicht blasser rot, wie vielfach angenommen)

O. rubens

O. rustica

Billekens, der von beiden Arten diverse Kollektionen untersucht hat, nennt für rubens : "orange red (Methuen, 8A7), tomato red (Methuen, 8C8), greyish red (Methuen, 9C5), or cardinal (red) (Methuen, 10D8), when juvenile often with a pinkish bloom, but never orange or yellow"
und für rustica: "pale orange (Methuen, 5A3), light orange (Methuen, 5A4), melon yellow (Methuen, 5A6), orange (Methuen, 5A7, dark orange (Methuen, 5A8), golden yellow (Methuen, 5B7),(Methuen 11A6), or pastel pink (Methuen, 11A4)"

Auch bei Itzerott , der sich sehr intensiv mit Octospora beschäftigt hat, ist rubens rot und rustica orange gefärbt. Hier die Kurzbeschreibung der beiden Arten aus "Heinz Itzerott (1981): Die Gattung Octospora mit besonderer Berücksichtigung der Pfälzer Arten. Nova Hedwigia, Band XXXIV, 265-280.":

17. Octospora rubens (Boudier) Moser
Apothecien bis 4mm, rot, in Ceratodon purpureus auf Sand, 8 glatte Ascosporen mit breit abgerundeten Ecken, 1-reihig, 1 großer Öltropfen, Paraphysen körnig (im Gegensatz zu O. rustica!) 15.0-18,0 x 10,0-13,0 µm.

18. Octospora rustica (Velenovsky) J. Moravec
Apothecien bis 3 mm, orange, in Ceratodon purpureus oder Funaria hygrometrica auf Brandstellen oder Sandböden, 8 glatte Ascosporen, 1-reihig. 1 oder seltener 2 Öltropfen, 12,0 -18,0 x 9,0-12,0 µm.

In der (knappen) Originalbeschreibung der O. rustica durch "Velenovsky (1934): Monographia Discomycetum Bohemiae, Pragae" findet sich als Farbangabe "succinea", was wohl amber bzw. bernsteinfarben bedeutet.

Und bei "M. Svrcek (1976): A taxonomic revision of Velenovky's types of operculate Discomycetes (Pezizales) preserved in National Museum, Prague", der eine schon deutlich ausführlichere Beschreibung verfasst hat, heißt es "light orange".

Die deutlichen Unterschiede in der Färbung zeigen sich auch bei den Paraphysen , Itzerott (siehe oben) schreibt: "Paraphysen körnig (im Gegensatz zu O. rustica!)"

Bei Billekens steht bei O. rubens: "Paraphyses …, with homogeneous, round globules of reddisch, intracellular, carotenoid pigment."
Und bei O. rustica: "Paraphyses…; varying from small to very small grains of orange-yellow intracellular carotenoid pigment, present over the entire length of the paraphyses."

Verdeutlicht wird dies bei Billekens auch durch entsprechende Zeichnungen, hier die entsprechenden Mikrofotos meiner Funde.

O. rubens, Paraphysen intensiv gefärbt und deutlich "körnig"

O. rustica, Paraphysen ohne auffällig konzentrierte Pigmente

Deutliche Unterschiede gibt es auch bei der Länge der Asci, Billekens nennt für rubens 214- 276 µm und für rustica 144-212 µm. Bei meinen "rubens" waren es 205-297 µm, die Mehrzahl lag im Bereich um 260 µm. Die rustica-Asci brachten es dagegen nur auf durchschnittliche 180 µm und nur selten wurden 200 µm knapp überschritten.

O. rubens, durchweg recht lange Asci

O. rustica, deutlich kürzere Asci

Die Sporen sind bei rustica durchschnittlich etwas kleiner als bei rubens. Billekens nennt 16,4-18,5 x 11,1-12,7 µm für O. rubens und 15,0-17,8 x 7,6-11,9 µm für O. rustica (Werte von Itzerott siehe oben). Bei meinen Funden ergaben die Messungen 16,1-17,8 x 11,5-12,6 µm für rubens und 14,0-15,6 x 9,7-10,8 µm für rustica.

Erwähnt sei zusätzlich, dass die Sporen bei O. rubens immer nur einen (großen) Öltropfen enthielten, während bei O. rustica zumindest bei noch nicht ganz ausgereiften Sporen häufig zwei kleinere Öltropfen zu beobachten waren, die im Laufe der weiteren Entwicklung dann aber wohl überwiegend zu einem Tropfen verschmelzen (in freien Sporen fanden sich nur sehr selten zwei Öltropfen).

Das bei dieser Gegenüberstellung skizzierte Bild weicht nun im Fall der O. rustica stark von dem ab, was man verschiedentlich im Internet an Fotos findet. Und zwar scheint es sich in vielen Fällen, in denen eine Octospora als O. rustica bestimmt wurde, tatsächlich um O. rubens gehandelt zu haben. Zumindest lassen die publizierten Fotos und Mikrofotos diesen Schluss zu.

Beispiele finden sich u.a. bei AscoFrance ( http://www.ascofrance.com/search_recolte/2408 ) oder auch hier im Forum ( http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?read=202347 ). In beiden Fällen spricht meiner Meinung nach alles, was auf den Fotos zu erkennen ist, für O. rubens. Typische O. rustica konnte ich im Internet dagegen noch nicht finden.

Beide Arten fruktifizieren vor allem im Winterhalbjahr (nach Billekens bei geeigneter Witterung auch ganzjährig), sie zeigen keine erkennbaren Unterschiede bei der Standortwahl und sind auf sandigen bis schwach lehmigen Böden mit Beständen von Ceratodon purpureus durchaus auch nebeneinander zu erwarten.

Octospora rubens ist sicherlich nicht seltener als O. rustica und ich kann die Octospora-Freunde nur dazu ermuntern, verstärkt nach beiden Arten Ausschau zu halten.

Klaus Siepe danke ich für diverse Hinweise und die umfangreich zur Verfügung gestellte ältere Literatur.

LG Ingo

PS: Zu einer hier im Forum gezeigten Octospora, die als O. rubens bestimmt wurde, siehe http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=217697 und http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=217742 hat es ebenfalls einige neue "Erkenntnisse" gegeben, aber dazu sagen vielleicht die an der Bestimmung Beteiligten etwas (denn es spricht mittlerweile doch viel für O. crosslandii).

Beiträge in diesem Thread

Octospora rubens und Octospora rustica -- Ingo Jürgens -- 20. Mai 2012, 14:08 Uhr
Re: Octospora rubens und Octospora rustica *PIC* -- Karl -- 20. Mai 2012, 20:05 Uhr
Re: Octospora rubens und Octospora rustica -- Ingo Jürgens -- 20. Mai 2012, 23:35 Uhr

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