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Pilze Pilze Forum Archiv 2012-13
Im Grand Canyon der Ascos von T. Richter
Geschrieben von: HoBi
Datum: 10. September 2012, 20:37 Uhr
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Hallo in die Runde, Torsten Richter aus Rehna hat uns gebeten, einen Bericht von ihm hier ins Forum einzustellen.
"Zu Besuch im Grand Canyon der Ascos- eine Reise durch eine mecklenburgische Waldwegfurche" Sonntagmorgen so zwischen Frühstück und Gänsebraten noch mal ein halbes Stündchen in den Wald. Hurra! Wir los und ab in einen mecklenburgischen Buchenwald bei Rehna. Die Messer gewetzt und der Korb gelüftet und dann: nicht ein Hutpilz. Nicht einer! Was tun? Lupe raus, abknien und dann ab in die nasse lehmig-tonige Waldwegfurche. Schöne Moose gab es im Mikrodschungel z.B. Dicranella heteromalla, Atrichum undulatum, Marchantia polymorpha und auch Pseudephemerum nitidum. Das angespannte Auge eines alternden Pilzonkels quält sich mächtig und dann endlich geht es los. Gelbe Punkte, eingebettet in Moosprotonema und zwischen „niederen Dattelpalmen“. Den hatte ich schon lange nicht mehr. Das letzte Mal war es wohl in Norwegen. Rambsbottomia crec´hqueraultii. Die Art hat schöne gleichmäßig bestachelte und auch kleinere Sporen als Rambsbottomia macracantha, so liest man bei ENGEL & HANFF 1987. Unsere morgensternartigen Sporen waren meist 25- 26 µm im Durchmesser, inklusive der Stacheln wohlgemerkt. Die Stacheln waren zudem nicht länger als 3- 4 µm. Also ziemlich sichere Sache. Einige Ascomycetologen haben macracantha übrigens auf den Status einer Varietät heruntergestuft. Ansichtssache, jedenfalls makroskopisch gibt es Nullchancen die beiden Gesellen auseinander zu halten.
Auf durchnässten Knien ging die Rutschpartie dann weiter durch die Waldwegfurche. Es roch noch etwas nach Holz, das im vorherigen Jahr hier gerückt wurde. Keine zehn Zentimeter und dann wieder gelbe Punkte, es wird langweilig. Aber dann, das trübe Auge erspäht gut versteckt auf dem grauen Ton, einige wenige violettgraue Pusteln. Ich ahnte und hoffte es schon. Hartmut Schubert hatte mir vor Kurzem aus dem Harz einen Ascomyceten geschickt. Ein Harzer Déjà-vu inmitten einer westmecklenburgischen Waldwegfurche! Das heimische Mikroskop konnte die Vermutung bestätigen Ombrophila limosella und das fast vor der Haustüre! Zumindest für Mecklenburg-Vorpommern eine neue Art. Den wollte ich schon immer selbst finden. Zugesandtes Material durfte ich schon daheim berühren, aber selbst erlegt ist doch was ganz anderes. Oder liebe Pilzfreunde?
Genug Gelb und Lila. Die tonige „Waldwegschlucht“ änderte ihre Farbe. Orangerote Becher, z.T. noch etwas jugendlich, vergnügten sich und nannten mir ohne langes Drohen ihren Namen. Aleuria aurantia. Den kennt man.
Die rote Farbe würde intensiver und behaarte Becherlinge bekamen unsere Aufmerksamkeit. Aufgrund der meist 300- 450 (-610) µm langen, mehrfach an der Basis verzweigten Haaren, sowie den breit-elliptischen, 17- 19 x 11,5- 12,5 µm großen Sporen stellten wir unseren Fund zu Scutellinia subhirtella. Entscheidend war weiterhin das Sporenornament. Gleichmäßig waren kurze, isoliert stehende Warzen über der Sporenwand verteilt. Gleich in Nachbarschaft schon wieder etwas Rotes. Diesmal kräftig karminrot und eher flach tellerförmig. Die 150- 320 µm kurzen Haare an der Außenseite waren von Schwemmsand und Algenfilz etwas verdeckt, aber in Verbindung mit dem fast gefügelt wirkenden Netz auf den Sporen, war sofort alles klar. Scutellinia pseudotrechispora hieß der 2. Kandidat in unserem „Ascocanyon“.
Noch beschäftigt mit der Ernte der Scutellinen, hat das nimmersatte Auge auch schon wieder etwas erspäht. Diesmal waren es kurzgestielte Becher von ockergelblicher Farbe. Hymenoscyphus scutula, einer unserer häufigsten inoperculaten Ascos hat es sich auf Stängelresten von Cirsium bequem gemacht. Die kleine Becherschar zersetzt gemeinsam das krautige Substrat und unter dem Mikroskop sind die Sporen sehr markant. 20- 22 x 4- 5 µm und mit 3- 4 großen und etlichen kleinen Guttulen sind typisch für die Art. Die Sporenform ist scutuloid und die meist kurzen Zilien an den Sporenenden kann nicht jede Spore vorweisen. Ein gutes Merkmal bieten auch die hakenlosen Asci.
Die Zeit drängte. 30 Minuten in einer Waldwegfurche werden zur Ewigkeit. Da streckt mir Katrin noch einen kleinen, feinbewimperten Becher entgegen. Er lag einsam und verlassen in der Lehmfurche und saß kurzgestielt auf einem vorjährigen Blattstiel von Quercus robur. Rutstroemia sydowiana heißt der braune Asco und wenn er nicht gestorben ist, dann schleudert er noch heute seine Sporen in die weite Welt. Ihr merkt schon es geht zu Ende. Die Sporen waren übrigens 12- 15 x 6 µm groß und im unteren Teil gekrümmt. „Schwager“ Rutstroemia petiolorum hat schlankere Sporen mit meist vielen kleinen Guttulen. Sydowiana hingegen beherbergt 2-3 große Guttulen in den Sporen und bevorzugt Quercus Blätter bzw. Cupulen.
Fast schon im Gehen steht da noch einer. Hut, Stiel und Lamellen; so einen hatten wir heute ja noch gar nicht. Mit seinen 8 mm Hutdurchmesser gehört unser Flockige Trompetenschnitzling eher zu den Winzlingen. Typisch sind die lange, besonders in der Randzone des Hutes vorhandenen Velumreste. An derartigen Standorten wohnen auch ähnliche Arten der Gattungen Flammulaster und Galerina. Die Sporen von Tubaria conspersa waren mandelförmig, glatt und 7- 7,5 x 4,5- 5 µm. Dicht drängelten sich die 35- 50 x 6- 8,5 µm großen Zystiden auf der Lamellenschneide. Sie waren flaschenförmig und meist kopfig angeschwollen. Nach LUDWIG (2001) kann ihre Form aber sehr vielgestaltig sein. Ich hoffe unser Exkurs in den „Grand Canyon“ ist eine kleine Anregung mal dorthin zu schauen wo wir Spuren hinterlassen.
30 Minuten in einer Waldwegfurche, die Dosen waren gefüllt und wir zufrieden. Das Glück kann so Nah sein. Über Ergänzungen, Korrekturen oder Einwände liebe Forumsgemeinde freuen wir uns und hoffen gemeinsam auf viele interessante Funde. Torsten & Katrin Richter aus Rehna
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