Hallo Jesko
Vielen Dank wieder einmal für deine Ausführungen :-)
Also du denkst, dass man durch das Einbeziehen von mehr Kollektionen aus Europa und Asien auch hier eventuell eine grössere Diversität finden würde. Das ist wohl sehr gut möglich. Leider habe ich Ola et al. (2004) nicht angeschaut und weiss nicht wie viele Europa-/Asienkollektionen dort bereits miteinbezogen wurden. Interessant ist die Beringian Entstehungshypothese aber allemal!
3 regalis-Kollektionen stehen ja eben anstatt in Clade III in anderen Clades, es wäre interessant Bilder davon zu sehen. Schade sind wie meistens in solchen Studien keine dabei, da müsste man die Autoren wohl direkt anfragen.
Hab übrigens noch erfahren, dass es noch einen J. Geml et al. (2008) "Evidence for strong inter- and intracontinental phylogeographic structure in Amanita muscaria, a wind-dispersed ectomycorrhizal basidiomycete" gibt ;-)
Beste Grüsse Svampskogen
: Ich habe in den Artikel von Geml & al. 2006 mal hineingeschaut. Zunächst
: muss man mal sagen, dass hier Sequenzen von weniger als 50 Kollektionen
: ausgewertet wurden, was mir bei einem weltweit verbreiteten Artenkomplex
: vor dem Hintergrund der Frage nach der Ursprungsheimat dieses Komplexes
: ehrlich gesagt sehr dürftig erscheint. Für Europa etwa wurden nur als A.
: muscaria ss. str. bestimmtes Material aus Surrey (UK) und von der
: polnischen Ostseeküste und ein paar A.-regalis-Kollektionen aus Norwegen
: aus einer früheren Studie mit herangezogen.
: Was die Frage nach der ursprünglichen Heimat des Fliegenpilzes angeht, also
: praktisch wo die heute existierenden Fliegenpilzarten sich entwickelt und
: von wo aus sie sich dann ausgebreitet haben (Ausgangshypothese
: "Beringia", also nordwestliches Nordamerika und nordöstliches
: Eurasien), so wurden sicherlich ausgeklügelte Rechenverfahren und Modelle
: angewendet. Ich würde mich aber fragen, ob man überhaupt eine zuverlässige
: Antwort erhalten kann, wenn man die in Frage kommenden Gebiete so
: unterschiedlich intensiv "beprobt". D.h., wenn über 1/3 des
: wenigen untersuchten Materials aus Alaska stammt, wundert es mich wenig,
: wenn man dann dort die größte molekulare Vielfalt vorfindet. Etwa aus
: Europa hat man nach den molekularen Ergebnissen nur zwei Sippen, einmal 3
: A. regalis aus Norwegen, das andere Mal 5 A. muscaria aus der nemoralen
: Zone. Schon da müsste man weniger punktuell sammeln, sondern gezielt
: versuchen, Diversität zu erfassen. Zudem gäbe es da ja noch A.
: pseudoregalis, dann die komischen Teile, die in südeuropäischen
: Eukalyptus-Pflanzungen gefunden werden (A. heterochroma etc.), oder die
: sog. A. muscaria var. inzengae, die wohl ausschließlich bei Zistrose
: vorkommt und sicherlich auch etwas eigenes, vermutlich im Artrang, ist.
: Für andere Gebiete der nördlichen Hemisphäre gilt sicherlich Ähnliches.
: Ich denke, hier ist noch eine Menge an relevanter Information für die
: phylogeographische Rekonstruktion unberücksichtigt geblieben, mit der sich
: das Bild auch noch ändern könnte.
: Um zur Ausgangsfrage des Threads zurückzukehren, zum Rang von Amanita
: regalis: Nach (nach meiner Kenntnis) letztem morphotaxonomischen Stand
: wird A. regalis auf Artebene gegen A. muscaria abgetrennt. Letzterer wird
: eine Reihe von Varietäten und Formen zugesprochen. Persönlich denke ich,
: dass diese zum Teil wohl taxonomisch irrelevant sind (z.B. flavivolvata
: mit gelben Flocken), zum anderen jedoch gute Arten sein könnten (var.
: inzengae bei Zistrose mit anderer Stielbekleidung).
: Die molekularen Analysen in Geml & al. 2006, die in Bezug auf die
: europäischen Kollektionen eigentlich nur das bereits von Oda & al.
: 2004 veröffentlichte Ergebnis wiederholen, zeigen einerseits alle
: europäischen (norwegischen) regalis-Kollektionen zusammen in "Clade
: III" ("Eurasian-subalpine group" in Oda & al.) und
: andererseits alle europäischen muscaria-Kollektionen zusammen in
: "Clade II" (Teil der "Eurasian Group" in Oda &
: al.). Dies allein würde zunächst die Trennung von muscaria und regalis auf
: Artebene bestätigen, denn die einzelnen "Clades" (Kladoi) werden
: hier als Phylo-Arten angesprochen.
: Zusammen mit den europäischen regalis steht ein Teil der regalis aus Alaska,
: und das ist in Ordnung. Gleich dabei stehen jedoch auch drei japanische
: Kollektionen, die wegen ihrer roten Hüte und weißen Velumflocken als
: muscaria bestimmt wurden (vgl. Oda & al. 2004:894). Ein
: Interpretationsfenster würde sich aufgrund dessen öffnen, dass die drei
: japanischen muscaria innerhalb von Klados III etwas abgesetzt stehen und
: möglicherweise einen Subklados, also ein anderes Taxon, bilden.
: Der Klados II, der die europäischen muscaria umfasst, enthält auch
: weißhütige, gelbhütige und braunhütige Formen ("alba",
: "formosa" und "regalis") aus Alaska. Die zwei
: braunhütigen Formen wären aber wieder etwas abgesetzt und könnten ein
: eigenes Taxon darstellen.
: Kurzum: Da besteht noch Forschungsbedarf, sowohl phylogeographisch als auch
: taxonomisch. Vorerst sollten wir meiner Meinung nach auch im Lichte dieser
: Studie an Amanita regalis auf Artebene festhalten - diese Auffassung wird
: durch die bisherigen Ergebnisse zumindest für Europa sogar eher
: unterstützt, aber es ist noch viel zu wenig Material sequenziert worden.