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Pilze Pilze Forum Archiv 2012-13
Das war der Juni im Tagebau
Geschrieben von: jesko
Datum: 2. Juli 2013, 23:39 Uhr
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Regen gab’s, Wasser gab’s und Pilze gab es auch im Juni in den rekultivierten Braunkohletagebaugebieten südlich von Leipzig. Zunächst sei noch einmal an die Hochwasseropfer erinnert: http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=233252
Zur Überwindung der bürokratischen Hürden bei der Beantragung der Soforthilfe für Hochwasseropfer verzichteten sie allerdings auf ihren fremdartigen Namen aus dem letzten Thread und gaben vor, einfach nur vom Schicksal hart mitgenommene schwarze Schafe, oder auch Schwarze Lorcheln (Helvella atra), zu sein. Andere dagegen sind im Nassen in ihrem Element wie zum Beispiel diese Mürblinge:
Mit mittelgroßen, keimporuslosen Sporen und nicht zystidenbelasteten Lamellenflächen passt das zu Psathyrella typhae, dem Sumpfpflanzenmürbling. Der Name lässt erahnen, dass der Typus am Rohrkolben gefunden wurde. Inzwischen sind aber auch weitere Sumpfgräser als Substrat dieser Art bekannt geworden. Hier wuchs sie an Stängeln und Blättern von Schilf (Phragmites). Nach dem vielen Regen hätte man sich eigentlich auf einen ganz besonders pilzreichen Frühsommer freuen dürfen, doch so dicke wie das Hochwasser kamen die Pilze leider nicht. Es war eher durchschnittlich, aber immerhin besser als in den vergangenen zwei Jahren, die durch ein äußerst trockenes Frühjahr negativ aufgefallen waren. Dass es im Juni trotz Wasser im Übermaß nicht so gut geklappt hat, könnte freilich – wir spekulieren – am ungewöhnlich langen Winter gelegen haben, und als die Pilze dann so langsam loslegen wollten, hatten wir tagelang über 30 Grad. Diese kurze Hochsommerphase ist jetzt – bei eigentlich idealem Sommerpilzwetter – noch immer zu spüren: Bei uns steht so fast nichts an größeren Pilzen mit Hut und Stiel. Ein regenreicher Frühsommer ist in den Rekultivierungsgebieten immer eine gute Zeit für Risspilze. Ein paar habe ich auch dieses Jahr eingefangen wie z.B. Inocybe curvipes. Die ist eigentlich nicht sonderlich selten bei uns. Meist zieht sie Pappeln vor, die abgebildeten Exemplare wuchsen jedoch in einer Eichenpflanzung. Mikroskopisch sind die Gummibärchensporen und die sehr breiten, fast kugeligen Hymenialzystiden gute Bestimmungsmerkmale.
Ein weiteres Kamel, wie meine bessere Hälfte die höckersporigen Risspilze zu nennen pflegt, ist Inocybe jacobi, die in den Tagebaufolgelandschaften an Stellen mit schütterem Bewuchs immer mal zu finden ist. Die Art ist mit ihrem zweifarbigen Hut eigentlich schon makroskopisch ganz gut gekennzeichnet.
Exkurs: Als ich mich dann auf einen kleinen Risspilz, der unter einer einzelnen Weide wuchs, einlassen wollte und dazu unter den daneben befindlichen Weißdornstrauch kriechen musste, bemerkte ich diese kleinen Holzkeulen, die – man ahnt es schon – an vermulmten Weißdornfrüchten aus dem Vorjahr wuchsen.
Doch zurück zu den Schleierlingsarten, denn von diesen findet man im Frühjahr und Frühsommer ja nicht nur Risspilze. Einzelne Fälblinge oder gar größere Gruppen von Hebeloma mesophaeum lassen sich meist auch schon blicken, und bei den Cortinarien gibt es ja bekannte voreilende Arten wie C. vernus oder C. helobius. Früh im Jahr beobachte ich auch immer wieder Cortinarius saniosus, oft noch fälschlich als Gelbgeschmückter Raukopf bezeichnet (diese Art ist eine Telamonia, kein Raukopf). Für diese Laubwaldart sind das gelbe Velum und die warmen ockergelben bis gelbbräunlichen Farben charakteristisch. Meist ist sie bei Pappel oder Weide zu finden, aber auch bei Linde oder, wie hier, bei Eiche habe ich Cortinarius saniosus schon mehrfach beobachtet.
In solchen Edellaubwäldern in spe lässt sich im Frühsommer auch oft die Grubenlorchel (Helvella lacunosa, vielleicht sensu lato?) beobachten. Besonders interessant war ein ca. 100 x 100 m großes, mit Traubeneiche, Hainbuche und Linde bepflanztes Areal, in dem an vielen Stellen eigenartig helle Grubenlorcheln erschienen. Die Mitra war stets hellgrau bis grau und nicht dunkelgrau oder schwärzlich, der Stiel stets weißlich.
Hier wird es fraglich, ob man einfach an ein Myzel der Grubenlorchel mit farblich abweichenden Fruchtkörpern oder aber an die lange Zeit unterschiedene Sattellorchel (Helvella sulcata) glauben will. Diese Frage stelle ich und ducke mich schnell weg, denn damit will ich nichts weiter zu schaffen haben. Im genannten Areal wie auch an einigen anderen Stellen konnte ich in teils großen Mengen Melanogaster broomeianus finden. Eigentlich hätte ich ja bei der Feuchtigkeit auch auf ein paar andere Hypogäen spekuliert, aber selbst die Nachsuche unter Hasel brachte immer nur eines hervor: Kartoffeln, Kartoffeln, Kartoffeln (potato fields forever...)
Neben verbreitetem Kartoffelbraun bringt ein regenreicher Frühsommer im Ex-Tagebau stets auch allenthalben orangerötliche Farbtupfer. Diese gehören in den allermeisten Fällen zu Pulvinula constellatio, die in den Tagebaufolgelandschaften eine ausnehmend häufige Art ist:
Und noch ein Farbtupfer zum Abschluss: Saftlinge erscheinen natürlich auch schon ab Mai. Allerdings hält sich die Artenvielfalt bei den Tagebaufolge-Saftlingen in sehr engen Grenzen. In vielen Jahren habe ich kaum mal etwas anderes als Hygrocybe conica (ss. l.) und persistens finden können. Und hier noch einmal so richtig dicke Schwärzende Saftlinge:
Allen, die sich mit mir bis hierher durch die Tagebaufolgelandschaft durchgekämpft haben, vielen Dank und eine gute Nacht. Jesko
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