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Hallo,
der Ansicht, die integra-Funde aus dem Flachland bzw. auch die aus den hercynischen Mittelgebirgen mit ihren sauren Böden seien alle integriformis, würde ich unbedingt widersprechen wollen. Integriformis ist aus Skandinavien bekannt, wo sie hauptsächlich in Assoziation mit Fichte vorkommt, und hat ein deutlich flacheres Sporenornament als z.B. die hier diskutierte Kollektion und auch noch einmal deutlich kleinere Sporen. Meine eigenen Funde aus dem Flachland wie auch aus den hercynischen Mittelgebirgen entsprechen bestens dem Konzept von R. integra, wie es in Sarnari dargestellt ist, und dasselbe kann man auch in montanen Kalknadelwäldern finden. Ob man die in Romagnesi dargestellten Formen mit den superlangen Stacheln tatsächlich abgrenzen kann, sei vorerst mal dahingestellt, und ob das dann die „echte integra“ ist, ist dann ohnehin Spekulation bzw. eine Frage der Typisierung.
Veröffentlichte und unveröffentlichte Sequenzen aus diesem Formenkreis gibt es natürlich, allerdings fehlen in der Gattung Russula (zumindest für Europa) weitestgehend Arbeiten, die Fragen der Artabgrenzung unter Heranziehung molekularer Daten diskutieren. Soweit mir bekannt ist, deuten die vorhandenen ITS-Daten eher auf eine morphologisch recht variable Art hin, die durchaus kleinere Sporenmaße so wie die hier diskutierte Kollektion haben kann, bei der Inkrustationen vorhanden sein oder fehlen (bzw. nicht nachweisbar sein) können, und die zudem auch im reinen Laubwald vorkommen kann. Für R. integriformis ist in UDB eine ITS-Sequenz hinterlegt, die von den bekannten integra-Sequenzen abweicht. Das wäre allerdings nur eine erste Annäherung an das Problem. Zur Klärung müsste gezielt Material ausgewertet werden. Zudem müsste man weitere DNS-Regionen (Marker, Loci) analysieren, mit denen sich möglicherweise weitere Arten unterscheiden lassen.
Zur Problematik der Inkrustationen (bzw. von deren Nachweis) hat Robin ja schon etwas geschrieben. Bei Sarnari heißt es dazu, dass in richtig typischen Kollektionen inkrustierte Primordialhyphen klar erkennbar sind, dass aber in vielen Fällen die Primordialhyphen morphologisch zu wenig differenziert und kaum inkrustiert sind, um einwandfrei nachweisbar (d.h. von Haaren unterscheidbar) zu sein. Wie Robin schon angemerkt hat, wäre nach diesem Konzept der Nachweis von Inkrustationen für die Bestimmung von R. integra sekundär.
Ich denke somit, dass sich der Fund von Jens nach aktuellem Stand nur als R. integra ansprechen lässt. Untypisch ist die Aufsammlung v.a. wegen ihrer Sporenmaße. Die Huthaut könnte man sich sicher noch einmal gründlicher anschauen.
Noch ein paar kleine technische Anmerkungen: Beim Sporenpulver ist IVc vs. IVd sicher nicht der Riesenunterschied, auf dem man eine Bestimmung aufbauen kann. Für einige Russula-Arten muss inzwischen wohl ein relativ großer Schwankungsbereich bei der Sporenpulverfarbe angenommen werden. Sporenmessungen macht man eigentlich gleich mit in Melzers. Zumindest dürften bspw. alle Maße in Sarnari in Melzers gemessen worden sein. Das Sporenornament kann am besten bei voll geöffneter Blende und vollem Licht beurteilt werden – wir bewegen uns hier am Limit des lichtmikroskopisch Möglichen. Die Tiefenschärfe muss man beim Fotografieren dann durch das Stacken herausholen. In schwierigen Fällen braucht es für den Nachweis von Inkrustationen oft mehrere Versuche, bei denen man u.a. die Zeit des Ausspülens in HCl variieren kann (lieber zu wenig als zu viel). Wie Robin geschrieben hat, muss man wirklich sehen, dass die Inkrustationen auf den entsprechenden Elementen aufliegen und nicht nur diffus im Präparat herumschwimmen.
Viele Grüße,
Jesko
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